Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. V. Widerstand gegen d. Staatsgewalt.
welche zur Vollstreckung der Gesetze oder der Befehle und Verordnungen der Verwaltungsbehörden, oder der Urtheile und Verordnungen der Ge- richte berufen sind. Diesen sind gleichgestellt Personen, welche zur Bei- hülfe des Beamten zugezogen waren, so wie Mannschaften des Mili- tairs oder einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes. Auf andere "Abgeordnete der Obrigkeit" bezieht sich die Strafbestimmung nicht.
II. In der Kommission der zweiten Kammer wurden zu diesem Paragraphen und zu §. 87. zwei Abänderungs-Anträge gestellt, welche beide auf demselben Grundgedanken beruhten, von der Kommission aber abgelehnt wurden. "Sie knüpften sich beide," heißt es in dem Bericht, "an die vielfach ventilirte Frage, ob zu den Anordnungen und Befehlen der Obrigkeit, gegen welche man nach §. 77. (87.) nicht zum Unge- horsam auffordern und nach §. 79. (89.) keinen aktiven Widerstand üben dürfe, nicht nur die gesetzlichen, sondern auch die ungesetzlichen gehören. Der Antragsteller ging davon aus, daß diese Frage nicht absolut zu Gunsten der individuellen oder politischen Freiheit zu bejahen, aber ebensowenig zu Gunsten der Ordnung absolut zu verneinen sei; der kriminalrechtliche Schutz gegen Widerstand gebühre der Autorität der Behörde auch dann, wenn sie materiell Ungesetzliches verordne, es gebühre der Behörde aber nicht mehr, wenn sie sich außerhalb der Grenzen ihres gesetzlichen Wirkungskreises, ihrer Amtskompetenz begebe, und auf einem ihr gesetzlich entzogenen Gebiete Anordnungen treffe, indem sie dann nicht mehr als Vertreterin der Staatsregierung, sondern nur als eine usurpirte Gewalt auftrete, welcher zu gehorchen niemand verpflichtet sei."
"Auf diese Begründung gestützt, wurde zunächst zu §. 77. (87.) beantragt, in Uebereinstimmung mit der Preßverordnung vom 30. Juni 1849. (§. 16.), aus welcher der Paragraph entnommen ist, von "Anordnungen der zuständigen Obrigkeit" statt von "Anordnungen der Obrigkeit" zu sprechen, und ferner das erste Aliena des §. 79. (89.) in folgender Weise zu fassen:
Wer bei Vollstreckung der Gesetze oder der von einer Verwal- tungsbehörde innerhalb ihres Wirkungskreises erlassenen Befehle und Verordnungen, oder der Urtheile und Verordnungen der Gerichte, den zu dieser Vollstreckung gesetzlich berufenen Beamten während der Vornahme einer Amtshandlung u. s. w.
Gegen beide Anträge gemeinschaftlich wurde in der Kommission angeführt, daß auch bei inkompetenter Weise erlassenen Befehlen einer Obrigkeit der gesetzliche Weg der Beschwerde der ausreichende und einzig zulässige sei; daß die Gestattung des aktiven Widerstandes gegen Be-
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.
welche zur Vollſtreckung der Geſetze oder der Befehle und Verordnungen der Verwaltungsbehörden, oder der Urtheile und Verordnungen der Ge- richte berufen ſind. Dieſen ſind gleichgeſtellt Perſonen, welche zur Bei- hülfe des Beamten zugezogen waren, ſo wie Mannſchaften des Mili- tairs oder einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienſtes. Auf andere „Abgeordnete der Obrigkeit“ bezieht ſich die Strafbeſtimmung nicht.
II. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurden zu dieſem Paragraphen und zu §. 87. zwei Abänderungs-Anträge geſtellt, welche beide auf demſelben Grundgedanken beruhten, von der Kommiſſion aber abgelehnt wurden. „Sie knüpften ſich beide,“ heißt es in dem Bericht, „an die vielfach ventilirte Frage, ob zu den Anordnungen und Befehlen der Obrigkeit, gegen welche man nach §. 77. (87.) nicht zum Unge- horſam auffordern und nach §. 79. (89.) keinen aktiven Widerſtand üben dürfe, nicht nur die geſetzlichen, ſondern auch die ungeſetzlichen gehören. Der Antragſteller ging davon aus, daß dieſe Frage nicht abſolut zu Gunſten der individuellen oder politiſchen Freiheit zu bejahen, aber ebenſowenig zu Gunſten der Ordnung abſolut zu verneinen ſei; der kriminalrechtliche Schutz gegen Widerſtand gebühre der Autorität der Behörde auch dann, wenn ſie materiell Ungeſetzliches verordne, es gebühre der Behörde aber nicht mehr, wenn ſie ſich außerhalb der Grenzen ihres geſetzlichen Wirkungskreiſes, ihrer Amtskompetenz begebe, und auf einem ihr geſetzlich entzogenen Gebiete Anordnungen treffe, indem ſie dann nicht mehr als Vertreterin der Staatsregierung, ſondern nur als eine uſurpirte Gewalt auftrete, welcher zu gehorchen niemand verpflichtet ſei.“
„Auf dieſe Begründung geſtützt, wurde zunächſt zu §. 77. (87.) beantragt, in Uebereinſtimmung mit der Preßverordnung vom 30. Juni 1849. (§. 16.), aus welcher der Paragraph entnommen iſt, von „Anordnungen der zuſtändigen Obrigkeit“ ſtatt von „Anordnungen der Obrigkeit“ zu ſprechen, und ferner das erſte Aliena des §. 79. (89.) in folgender Weiſe zu faſſen:
Wer bei Vollſtreckung der Geſetze oder der von einer Verwal- tungsbehörde innerhalb ihres Wirkungskreiſes erlaſſenen Befehle und Verordnungen, oder der Urtheile und Verordnungen der Gerichte, den zu dieſer Vollſtreckung geſetzlich berufenen Beamten während der Vornahme einer Amtshandlung u. ſ. w.
Gegen beide Anträge gemeinſchaftlich wurde in der Kommiſſion angeführt, daß auch bei inkompetenter Weiſe erlaſſenen Befehlen einer Obrigkeit der geſetzliche Weg der Beſchwerde der ausreichende und einzig zuläſſige ſei; daß die Geſtattung des aktiven Widerſtandes gegen Be-
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.
welche zur Vollſtreckung der Geſetze oder der Befehle und Verordnungen
der Verwaltungsbehörden, oder der Urtheile und Verordnungen der Ge-
richte berufen ſind. Dieſen ſind gleichgeſtellt Perſonen, welche zur Bei-
hülfe des Beamten zugezogen waren, ſo wie Mannſchaften des Mili-
tairs oder einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des
Dienſtes. Auf andere „Abgeordnete der Obrigkeit“ bezieht ſich die
Strafbeſtimmung nicht.
II. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurden zu dieſem
Paragraphen und zu §. 87. zwei Abänderungs-Anträge geſtellt, welche
beide auf demſelben Grundgedanken beruhten, von der Kommiſſion aber
abgelehnt wurden. „Sie knüpften ſich beide,“ heißt es in dem Bericht,
„an die vielfach ventilirte Frage, ob zu den Anordnungen und Befehlen
der Obrigkeit, gegen welche man nach §. 77. (87.) nicht zum Unge-
horſam auffordern und nach §. 79. (89.) keinen aktiven Widerſtand
üben dürfe, nicht nur die geſetzlichen, ſondern auch die ungeſetzlichen
gehören. Der Antragſteller ging davon aus, daß dieſe Frage nicht
abſolut zu Gunſten der individuellen oder politiſchen Freiheit zu bejahen,
aber ebenſowenig zu Gunſten der Ordnung abſolut zu verneinen ſei;
der kriminalrechtliche Schutz gegen Widerſtand gebühre der Autorität
der Behörde auch dann, wenn ſie materiell Ungeſetzliches verordne, es
gebühre der Behörde aber nicht mehr, wenn ſie ſich außerhalb der
Grenzen ihres geſetzlichen Wirkungskreiſes, ihrer Amtskompetenz begebe,
und auf einem ihr geſetzlich entzogenen Gebiete Anordnungen treffe,
indem ſie dann nicht mehr als Vertreterin der Staatsregierung, ſondern
nur als eine uſurpirte Gewalt auftrete, welcher zu gehorchen niemand
verpflichtet ſei.“
„Auf dieſe Begründung geſtützt, wurde zunächſt zu §. 77. (87.)
beantragt, in Uebereinſtimmung mit der Preßverordnung vom 30. Juni 1849.
(§. 16.), aus welcher der Paragraph entnommen iſt, von „Anordnungen
der zuſtändigen Obrigkeit“ ſtatt von „Anordnungen der Obrigkeit“ zu
ſprechen, und ferner das erſte Aliena des §. 79. (89.) in folgender
Weiſe zu faſſen:
Wer bei Vollſtreckung der Geſetze oder der von einer Verwal-
tungsbehörde innerhalb ihres Wirkungskreiſes erlaſſenen Befehle
und Verordnungen, oder der Urtheile und Verordnungen der
Gerichte, den zu dieſer Vollſtreckung geſetzlich berufenen Beamten
während der Vornahme einer Amtshandlung u. ſ. w.
Gegen beide Anträge gemeinſchaftlich wurde in der Kommiſſion
angeführt, daß auch bei inkompetenter Weiſe erlaſſenen Befehlen einer
Obrigkeit der geſetzliche Weg der Beſchwerde der ausreichende und einzig
zuläſſige ſei; daß die Geſtattung des aktiven Widerſtandes gegen Be-
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/266>, abgerufen am 28.11.2024.
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