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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzeln. Verbr. u. Verg. Tit. IV. Verbr. u. Verg. i. Bezieh. etc.
gen verschiedener Art unter Strafe gestellt, welche gegen die verfassungs-
mäßige Thätigkeit der Kammern oder einzelner Mitglieder derselben ge-
richtet sind, oder andere Staatsangehörige in der Ausübung ihrer staats-
bürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen hindern, oder von
Staatsangehörigen bei der Ausübung des Wahl- oder Stimmrechts be-
gangen werden. Die Vorschriften dieses Titels lassen sich also in zwie-
facher Weise eintheilen. Man kann unterscheiden, ob sie sich auf die
Thätigkeit der Kammern und der Kammermitglieder, oder auf die Aus-
übung des Wahlrechts beziehen; man kann den Theilungsgrund aber
auch darin suchen, ob sie Handlungen betreffen, welche gegen die Aus-
übung staatsbürgerlicher Rechte durch Andere gerichtet sind, oder einen
Mißbrauch bei der Ausübung dieser Rechte durch den Thäter selbst dar-
stellen. Nach der ersten Eintheilung würden die §§. 82. und 83., und
die §§. 84-86., nach der zweiten die §§. 82-84., und die §§. 85.
und 86. zusammen zu fassen sein. Bei der folgenden Darstellung ist
die zuerst bezeichnete Eintheilung zum Grunde gelegt worden.

A. Handlungen gegen eine der beiden Kammern oder gegen ein
Mitglied einer der beiden Kammern. Hier werden folgende Fälle un-
terschieden:

I. Jemand unternimmt es, eine der beiden Kammern gewaltsam
aus einander zu sprengen, oder zur Fassung oder Unterlassung von Be-
schlüssen zu zwingen, oder Mitglieder aus derselben gewaltsam zu ent-
fernen (§. 82.).

1) Die Handlung, welche hier unter Strafe gestellt ist, wird als
ein "Unternehmen" bezeichnet, was deutlich auf das
allerdings ver-
wandte Verbrechen des Hochverraths (§. 61. 62.) hinweist. Es liegt
in dieser Bezeichnung ausgesprochen, daß es auf den Erfolg des ver-
brecherischen Vorhabens nicht ankommen soll, sondern daß auch der Ver-
such schon unter den Thatbestand des Verbrechens fällt. Weiter darf
man aber nicht gehen, und die anderen singulären Bestimmungen über
den Versuch bei dem Hochverrath, namentlich soweit sie die Strafbarkeit
der bloßen Vorbereitungen betreffen, kommen hier nicht zur Anwendung.
Das würde die analoge Ausdehnung eines Strafgesetzes sein, wie sie
nach §. 2. nicht gerechtfertigt werden kann.
2) Die Strafe eines solchen Unternehmens ist Zuchthaus von zehn
bis zu zwanzig Jahren.

II. Jemand verhindert ein Mitglied einer der beiden Kammern
durch Gewalt oder durch Bedrohung mit der Verübung eines Verbre-
chens oder Vergehens gegen dasselbe, sich an den Ort der Versammlung
zu begeben oder zu stimmen (§. 83.).

1) Unter dem Ort der Versammlung ist hier das Sitzungslokal

Th. II. V. d. einzeln. Verbr. u. Verg. Tit. IV. Verbr. u. Verg. i. Bezieh. ꝛc.
gen verſchiedener Art unter Strafe geſtellt, welche gegen die verfaſſungs-
mäßige Thätigkeit der Kammern oder einzelner Mitglieder derſelben ge-
richtet ſind, oder andere Staatsangehörige in der Ausübung ihrer ſtaats-
bürgerlichen Rechte zu wählen oder zu ſtimmen hindern, oder von
Staatsangehörigen bei der Ausübung des Wahl- oder Stimmrechts be-
gangen werden. Die Vorſchriften dieſes Titels laſſen ſich alſo in zwie-
facher Weiſe eintheilen. Man kann unterſcheiden, ob ſie ſich auf die
Thätigkeit der Kammern und der Kammermitglieder, oder auf die Aus-
übung des Wahlrechts beziehen; man kann den Theilungsgrund aber
auch darin ſuchen, ob ſie Handlungen betreffen, welche gegen die Aus-
übung ſtaatsbürgerlicher Rechte durch Andere gerichtet ſind, oder einen
Mißbrauch bei der Ausübung dieſer Rechte durch den Thäter ſelbſt dar-
ſtellen. Nach der erſten Eintheilung würden die §§. 82. und 83., und
die §§. 84-86., nach der zweiten die §§. 82-84., und die §§. 85.
und 86. zuſammen zu faſſen ſein. Bei der folgenden Darſtellung iſt
die zuerſt bezeichnete Eintheilung zum Grunde gelegt worden.

A. Handlungen gegen eine der beiden Kammern oder gegen ein
Mitglied einer der beiden Kammern. Hier werden folgende Fälle un-
terſchieden:

I. Jemand unternimmt es, eine der beiden Kammern gewaltſam
aus einander zu ſprengen, oder zur Faſſung oder Unterlaſſung von Be-
ſchlüſſen zu zwingen, oder Mitglieder aus derſelben gewaltſam zu ent-
fernen (§. 82.).

1) Die Handlung, welche hier unter Strafe geſtellt iſt, wird als
ein „Unternehmen“ bezeichnet, was deutlich auf das
allerdings ver-
wandte Verbrechen des Hochverraths (§. 61. 62.) hinweiſt. Es liegt
in dieſer Bezeichnung ausgeſprochen, daß es auf den Erfolg des ver-
brecheriſchen Vorhabens nicht ankommen ſoll, ſondern daß auch der Ver-
ſuch ſchon unter den Thatbeſtand des Verbrechens fällt. Weiter darf
man aber nicht gehen, und die anderen ſingulären Beſtimmungen über
den Verſuch bei dem Hochverrath, namentlich ſoweit ſie die Strafbarkeit
der bloßen Vorbereitungen betreffen, kommen hier nicht zur Anwendung.
Das würde die analoge Ausdehnung eines Strafgeſetzes ſein, wie ſie
nach §. 2. nicht gerechtfertigt werden kann.
2) Die Strafe eines ſolchen Unternehmens iſt Zuchthaus von zehn
bis zu zwanzig Jahren.

II. Jemand verhindert ein Mitglied einer der beiden Kammern
durch Gewalt oder durch Bedrohung mit der Verübung eines Verbre-
chens oder Vergehens gegen daſſelbe, ſich an den Ort der Verſammlung
zu begeben oder zu ſtimmen (§. 83.).

1) Unter dem Ort der Verſammlung iſt hier das Sitzungslokal

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[248/0258] Th. II. V. d. einzeln. Verbr. u. Verg. Tit. IV. Verbr. u. Verg. i. Bezieh. ꝛc. gen verſchiedener Art unter Strafe geſtellt, welche gegen die verfaſſungs- mäßige Thätigkeit der Kammern oder einzelner Mitglieder derſelben ge- richtet ſind, oder andere Staatsangehörige in der Ausübung ihrer ſtaats- bürgerlichen Rechte zu wählen oder zu ſtimmen hindern, oder von Staatsangehörigen bei der Ausübung des Wahl- oder Stimmrechts be- gangen werden. Die Vorſchriften dieſes Titels laſſen ſich alſo in zwie- facher Weiſe eintheilen. Man kann unterſcheiden, ob ſie ſich auf die Thätigkeit der Kammern und der Kammermitglieder, oder auf die Aus- übung des Wahlrechts beziehen; man kann den Theilungsgrund aber auch darin ſuchen, ob ſie Handlungen betreffen, welche gegen die Aus- übung ſtaatsbürgerlicher Rechte durch Andere gerichtet ſind, oder einen Mißbrauch bei der Ausübung dieſer Rechte durch den Thäter ſelbſt dar- ſtellen. Nach der erſten Eintheilung würden die §§. 82. und 83., und die §§. 84-86., nach der zweiten die §§. 82-84., und die §§. 85. und 86. zuſammen zu faſſen ſein. Bei der folgenden Darſtellung iſt die zuerſt bezeichnete Eintheilung zum Grunde gelegt worden. A. Handlungen gegen eine der beiden Kammern oder gegen ein Mitglied einer der beiden Kammern. Hier werden folgende Fälle un- terſchieden: I. Jemand unternimmt es, eine der beiden Kammern gewaltſam aus einander zu ſprengen, oder zur Faſſung oder Unterlaſſung von Be- ſchlüſſen zu zwingen, oder Mitglieder aus derſelben gewaltſam zu ent- fernen (§. 82.). 1) Die Handlung, welche hier unter Strafe geſtellt iſt, wird als ein „Unternehmen“ bezeichnet, was deutlich auf das allerdings ver- wandte Verbrechen des Hochverraths (§. 61. 62.) hinweiſt. Es liegt in dieſer Bezeichnung ausgeſprochen, daß es auf den Erfolg des ver- brecheriſchen Vorhabens nicht ankommen ſoll, ſondern daß auch der Ver- ſuch ſchon unter den Thatbeſtand des Verbrechens fällt. Weiter darf man aber nicht gehen, und die anderen ſingulären Beſtimmungen über den Verſuch bei dem Hochverrath, namentlich ſoweit ſie die Strafbarkeit der bloßen Vorbereitungen betreffen, kommen hier nicht zur Anwendung. Das würde die analoge Ausdehnung eines Strafgeſetzes ſein, wie ſie nach §. 2. nicht gerechtfertigt werden kann. 2) Die Strafe eines ſolchen Unternehmens iſt Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. II. Jemand verhindert ein Mitglied einer der beiden Kammern durch Gewalt oder durch Bedrohung mit der Verübung eines Verbre- chens oder Vergehens gegen daſſelbe, ſich an den Ort der Verſammlung zu begeben oder zu ſtimmen (§. 83.). 1) Unter dem Ort der Verſammlung iſt hier das Sitzungslokal

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/258>, abgerufen am 09.05.2024.