unzweideutig in dem Gesetzbuch selbst ausgesprochen ist. Will man es aber aus dessen einzelnen Vorschriften herleiten, so muß es doch auch allgemein zutreffend sein. -- Nach dem Strafgesetzbuch liegt in folgen- den Fällen ein Hochverrath vor:
I. Das Unternehmen zielt darauf ab, den König zu tödten, ge- fangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen. Es sind dieß Alles Handlungen, welche gegen den Souverain als den Träger der höchsten Staatsgewalt gerichtet sind, und einen Bruch der ihm schuldigen Treue enthalten. Wenn die Persön- lichkeit des Souverains in der Absicht ihn zu beleidigen angegriffen wird, nicht also ein Bruch der Treue, sondern eine Verletzung der ihm schuldigen Ehrfurcht statt findet, so liegt nicht das Verbrechen des Hoch- verraths, sondern das der Majestätsbeleidigung vor. Zu diesem letzteren Verbrechen werden selbst Thätlichkeiten gegen die Person des Königs gezählt, wobei jedoch vorausgesetzt werden muß, daß sie nicht in der Absicht begangen worden sind, als Mittel bei der Ausführung des vor- her näher bezeichneten hochverrätherischen Unternehmens zu dienen. Un- ter dieser Voraussetzung fällt daher die Verwundung des Königs, in der Absicht ihn zu beschädigen, nicht unter die Vorschrift des §. 61., sondern unter die des §. 74., und hat neben der Todesstrafe nicht den Verlust der bürgerlichen Ehre zur Folge. m)
Dieser Unterschied zwischen Hochverrath gegen die Person des Kö- nigs und Majestätsbeleidigung bringt es auch mit sich, daß bei dem ersteren Verbrechen der Mitglieder des Königlichen Hauses keine Erwäh- nung geschieht. Dagegen würde es ganz folgerichtig sein, wenn im Fall einer Regentschaft Angriffe gegen den Regenten als Hochverrath bestraft würden. In der Staatsraths-Kommission ist dieß auch zur Sprache gekommen; indessen wurde eine solche Bestimmung nicht für er- forderlich erachtet, da für den Fall der Regentschaft doch immer beson- dere Anordnungen getroffen werden müßten, welche dann auch die hier vorliegende Frage mit entscheiden würden. n)
II. Das Unternehmen zielt darauf ab, die Thronfolge oder die Staatsverfassung gewaltsam zu ändern. Die Bedeutung des Ausdrucks "gewaltsam" namentlich im Gegensatz zu "eigenmächtig" ist schon oben erörtert worden; es ist die Revolution, um die es sich hier handelt, die aber, was nicht zu übersehen, nicht bloß von unten, sondern auch von oben her durch Angriffe gegen die Verfassung betrieben werden kann. Welche einzelne Handlungen und inwiefern namentlich auch Mißbrauch
m)Bericht der Kommission der ersten Kammer zu §. 61.
n)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 6.
§§. 61. 62. Der vollendete Hochverrath.
unzweideutig in dem Geſetzbuch ſelbſt ausgeſprochen iſt. Will man es aber aus deſſen einzelnen Vorſchriften herleiten, ſo muß es doch auch allgemein zutreffend ſein. — Nach dem Strafgeſetzbuch liegt in folgen- den Fällen ein Hochverrath vor:
I. Das Unternehmen zielt darauf ab, den König zu tödten, ge- fangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen. Es ſind dieß Alles Handlungen, welche gegen den Souverain als den Träger der höchſten Staatsgewalt gerichtet ſind, und einen Bruch der ihm ſchuldigen Treue enthalten. Wenn die Perſön- lichkeit des Souverains in der Abſicht ihn zu beleidigen angegriffen wird, nicht alſo ein Bruch der Treue, ſondern eine Verletzung der ihm ſchuldigen Ehrfurcht ſtatt findet, ſo liegt nicht das Verbrechen des Hoch- verraths, ſondern das der Majeſtätsbeleidigung vor. Zu dieſem letzteren Verbrechen werden ſelbſt Thätlichkeiten gegen die Perſon des Königs gezählt, wobei jedoch vorausgeſetzt werden muß, daß ſie nicht in der Abſicht begangen worden ſind, als Mittel bei der Ausführung des vor- her näher bezeichneten hochverrätheriſchen Unternehmens zu dienen. Un- ter dieſer Vorausſetzung fällt daher die Verwundung des Königs, in der Abſicht ihn zu beſchädigen, nicht unter die Vorſchrift des §. 61., ſondern unter die des §. 74., und hat neben der Todesſtrafe nicht den Verluſt der bürgerlichen Ehre zur Folge. m)
Dieſer Unterſchied zwiſchen Hochverrath gegen die Perſon des Kö- nigs und Majeſtätsbeleidigung bringt es auch mit ſich, daß bei dem erſteren Verbrechen der Mitglieder des Königlichen Hauſes keine Erwäh- nung geſchieht. Dagegen würde es ganz folgerichtig ſein, wenn im Fall einer Regentſchaft Angriffe gegen den Regenten als Hochverrath beſtraft würden. In der Staatsraths-Kommiſſion iſt dieß auch zur Sprache gekommen; indeſſen wurde eine ſolche Beſtimmung nicht für er- forderlich erachtet, da für den Fall der Regentſchaft doch immer beſon- dere Anordnungen getroffen werden müßten, welche dann auch die hier vorliegende Frage mit entſcheiden würden. n)
II. Das Unternehmen zielt darauf ab, die Thronfolge oder die Staatsverfaſſung gewaltſam zu ändern. Die Bedeutung des Ausdrucks „gewaltſam“ namentlich im Gegenſatz zu „eigenmächtig“ iſt ſchon oben erörtert worden; es iſt die Revolution, um die es ſich hier handelt, die aber, was nicht zu überſehen, nicht bloß von unten, ſondern auch von oben her durch Angriffe gegen die Verfaſſung betrieben werden kann. Welche einzelne Handlungen und inwiefern namentlich auch Mißbrauch
m)Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 61.
n)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 6.
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§§. 61. 62. Der vollendete Hochverrath.
unzweideutig in dem Geſetzbuch ſelbſt ausgeſprochen iſt. Will man es
aber aus deſſen einzelnen Vorſchriften herleiten, ſo muß es doch auch
allgemein zutreffend ſein. — Nach dem Strafgeſetzbuch liegt in folgen-
den Fällen ein Hochverrath vor:
I. Das Unternehmen zielt darauf ab, den König zu tödten, ge-
fangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung
unfähig zu machen. Es ſind dieß Alles Handlungen, welche gegen den
Souverain als den Träger der höchſten Staatsgewalt gerichtet ſind, und
einen Bruch der ihm ſchuldigen Treue enthalten. Wenn die Perſön-
lichkeit des Souverains in der Abſicht ihn zu beleidigen angegriffen
wird, nicht alſo ein Bruch der Treue, ſondern eine Verletzung der ihm
ſchuldigen Ehrfurcht ſtatt findet, ſo liegt nicht das Verbrechen des Hoch-
verraths, ſondern das der Majeſtätsbeleidigung vor. Zu dieſem letzteren
Verbrechen werden ſelbſt Thätlichkeiten gegen die Perſon des Königs
gezählt, wobei jedoch vorausgeſetzt werden muß, daß ſie nicht in der
Abſicht begangen worden ſind, als Mittel bei der Ausführung des vor-
her näher bezeichneten hochverrätheriſchen Unternehmens zu dienen. Un-
ter dieſer Vorausſetzung fällt daher die Verwundung des Königs, in
der Abſicht ihn zu beſchädigen, nicht unter die Vorſchrift des §. 61.,
ſondern unter die des §. 74., und hat neben der Todesſtrafe nicht den
Verluſt der bürgerlichen Ehre zur Folge. m)
Dieſer Unterſchied zwiſchen Hochverrath gegen die Perſon des Kö-
nigs und Majeſtätsbeleidigung bringt es auch mit ſich, daß bei dem
erſteren Verbrechen der Mitglieder des Königlichen Hauſes keine Erwäh-
nung geſchieht. Dagegen würde es ganz folgerichtig ſein, wenn im
Fall einer Regentſchaft Angriffe gegen den Regenten als Hochverrath
beſtraft würden. In der Staatsraths-Kommiſſion iſt dieß auch zur
Sprache gekommen; indeſſen wurde eine ſolche Beſtimmung nicht für er-
forderlich erachtet, da für den Fall der Regentſchaft doch immer beſon-
dere Anordnungen getroffen werden müßten, welche dann auch die hier
vorliegende Frage mit entſcheiden würden. n)
II. Das Unternehmen zielt darauf ab, die Thronfolge oder die
Staatsverfaſſung gewaltſam zu ändern. Die Bedeutung des Ausdrucks
„gewaltſam“ namentlich im Gegenſatz zu „eigenmächtig“ iſt ſchon oben
erörtert worden; es iſt die Revolution, um die es ſich hier handelt, die
aber, was nicht zu überſehen, nicht bloß von unten, ſondern auch von
oben her durch Angriffe gegen die Verfaſſung betrieben werden kann.
Welche einzelne Handlungen und inwiefern namentlich auch Mißbrauch
m) Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 61.
n) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 6.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/233>, abgerufen am 22.11.2024.
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