Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem Preu- ßischen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden ist, dasselbe Verbrechen oder Vergehen, sei es mit oder ohne erschwerende Umstände, begeht, befindet sich im Rückfalle.
Insofern das Gesetz keine besondere Rückfallsstrafen bestimmt, kann wegen Rückfalls die Strafe über das gesetzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch nicht mehr, als um die Hälfte des höchsten gesetzlichen Strafmaaßes.
Die Dauer der Gefängnißstrafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah- ren übersteigen.
Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht sind, darf die Dauer von zwanzig Jahren selbst im Rückfall nicht überschritten werden.
§. 59.
Der Rückfall ist auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren oder späteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre- chen oder Vergehen, oder den Versuch eines Verbrechens oder Vergehens darstellt.
§. 60.
Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn seit dem Zeit- punkte, in welchem die Freiheitsstrafe oder Geldbuße des zuletzt begangenen früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder erlassen worden ist, zehn Jahre verflossen sind.
Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte sich der Gesetzgeber in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwischen den verschiedenen hier zur Anwendung gebrachten Systemen nur nach Gründen der Zweck- mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche Behandlung der Sache noch immer Raum übrig blieb.
Für die Bestrafung des Rückfalls sind nämlich folgende Rechts- grundsätze maaßgebend geworden:
1) Nach dem Code penal, welcher jedoch gerade in Beziehung auf die Rückfallsstrafen durch das Gesetz vom 28. Apr. 1832. we- sentlich verändert worden ist, hat die Thatsache, daß ein Ange- schuldigter schon früher wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurtheilt worden, auf seine gegenwärtige Bestrafung einen sehr bedeutenden Einfluß. Ohne Rücksicht darauf, von welcher Art das frühere Verbrechen oder Vergehen war, soll der Rückfall stets eine erhebliche Straferhöhung nach sich ziehen. t)
t)Code penal Art. 56-58. Die Lehre vom Rückfall ist eine der verwickelt- sten und schwierigsten des Französischen Strafrechts; vgl. Chauveau et Helie Faustin, Theorie du Code penal I. chap. IX.
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§§. 58. 59. 60. Vom Rückfall.
§. 58.
Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem Preu- ßiſchen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden iſt, daſſelbe Verbrechen oder Vergehen, ſei es mit oder ohne erſchwerende Umſtände, begeht, befindet ſich im Rückfalle.
Inſofern das Geſetz keine beſondere Rückfallsſtrafen beſtimmt, kann wegen Rückfalls die Strafe über das geſetzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch nicht mehr, als um die Hälfte des höchſten geſetzlichen Strafmaaßes.
Die Dauer der Gefängnißſtrafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah- ren überſteigen.
Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheitsſtrafe bedroht ſind, darf die Dauer von zwanzig Jahren ſelbſt im Rückfall nicht überſchritten werden.
§. 59.
Der Rückfall iſt auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren oder ſpäteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre- chen oder Vergehen, oder den Verſuch eines Verbrechens oder Vergehens darſtellt.
§. 60.
Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn ſeit dem Zeit- punkte, in welchem die Freiheitsſtrafe oder Geldbuße des zuletzt begangenen früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder erlaſſen worden iſt, zehn Jahre verfloſſen ſind.
Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte ſich der Geſetzgeber in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwiſchen den verſchiedenen hier zur Anwendung gebrachten Syſtemen nur nach Gründen der Zweck- mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche Behandlung der Sache noch immer Raum übrig blieb.
Für die Beſtrafung des Rückfalls ſind nämlich folgende Rechts- grundſätze maaßgebend geworden:
1) Nach dem Code pénal, welcher jedoch gerade in Beziehung auf die Rückfallsſtrafen durch das Geſetz vom 28. Apr. 1832. we- ſentlich verändert worden iſt, hat die Thatſache, daß ein Ange- ſchuldigter ſchon früher wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurtheilt worden, auf ſeine gegenwärtige Beſtrafung einen ſehr bedeutenden Einfluß. Ohne Rückſicht darauf, von welcher Art das frühere Verbrechen oder Vergehen war, ſoll der Rückfall ſtets eine erhebliche Straferhöhung nach ſich ziehen. t)
t)Code pénal Art. 56-58. Die Lehre vom Rückfall iſt eine der verwickelt- ſten und ſchwierigſten des Franzöſiſchen Strafrechts; vgl. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie du Code pénal I. chap. IX.
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§§. 58. 59. 60. Vom Rückfall.
§. 58.
Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem Preu-
ßiſchen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden iſt, daſſelbe Verbrechen
oder Vergehen, ſei es mit oder ohne erſchwerende Umſtände, begeht, befindet
ſich im Rückfalle.
Inſofern das Geſetz keine beſondere Rückfallsſtrafen beſtimmt, kann wegen
Rückfalls die Strafe über das geſetzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch
nicht mehr, als um die Hälfte des höchſten geſetzlichen Strafmaaßes.
Die Dauer der Gefängnißſtrafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah-
ren überſteigen.
Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheitsſtrafe bedroht ſind, darf die
Dauer von zwanzig Jahren ſelbſt im Rückfall nicht überſchritten werden.
§. 59.
Der Rückfall iſt auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren
oder ſpäteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre-
chen oder Vergehen, oder den Verſuch eines Verbrechens oder Vergehens
darſtellt.
§. 60.
Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn ſeit dem Zeit-
punkte, in welchem die Freiheitsſtrafe oder Geldbuße des zuletzt begangenen
früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder erlaſſen worden iſt, zehn
Jahre verfloſſen ſind.
Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte ſich der Geſetzgeber
in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwiſchen den verſchiedenen hier
zur Anwendung gebrachten Syſtemen nur nach Gründen der Zweck-
mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche Behandlung
der Sache noch immer Raum übrig blieb.
Für die Beſtrafung des Rückfalls ſind nämlich folgende Rechts-
grundſätze maaßgebend geworden:
1) Nach dem Code pénal, welcher jedoch gerade in Beziehung auf
die Rückfallsſtrafen durch das Geſetz vom 28. Apr. 1832. we-
ſentlich verändert worden iſt, hat die Thatſache, daß ein Ange-
ſchuldigter ſchon früher wegen eines Verbrechens oder Vergehens
verurtheilt worden, auf ſeine gegenwärtige Beſtrafung einen ſehr
bedeutenden Einfluß. Ohne Rückſicht darauf, von welcher Art
das frühere Verbrechen oder Vergehen war, ſoll der Rückfall ſtets
eine erhebliche Straferhöhung nach ſich ziehen. t)
t) Code pénal Art. 56-58. Die Lehre vom Rückfall iſt eine der verwickelt-
ſten und ſchwierigſten des Franzöſiſchen Strafrechts; vgl. Chauveau et Hélie
Faustin, Théorie du Code pénal I. chap. IX.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/221>, abgerufen am 16.02.2025.
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