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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung etc. Tit. IV. Ausschließung oder Milderung d. Strafe.
Grunde liegt, so ist die Nachahmung derselben, sobald damit eine be-
stimmte technische Bedeutung verbunden sein soll, doch nicht zu empfeh-
len. Wie wenig zutreffend sie ist, ergiebt sich schon daraus, daß das
jugendliche Alter, je nachdem ein Unterscheidungsvermögen angenommen
wird oder nicht, bald zu der Einen, bald zu der andern Kategorie zu
rechnen ist; aber auch die Folgen dieser Eintheilung für die Rechts-
anwendung sind nicht unbedenklich, sobald man ihr ein Gewicht beilegt,
welches über den bestimmten Ausspruch des Gesetzes hinaus wirksam
sein soll. Die Folgerungen aus dieser Eintheilung führen zu der An-
nahme einer verminderten Zurechnungsfähigkeit, bei deren Anerkennung,
wie später gezeigt werden soll, mit großer Vorsicht zu verfahren ist.

Die einzelnen Gegenstände nun, welche in diesem Titel abgehandelt
sind, werden bei den einzelnen Paragraphen zur Erwägung kommen.
Zunächst ist bei §. 40. von der Unzurechnungsfähigkeit zu handeln.



Die Beantwortung der Frage, ob jemand eines Verbrechens oder
Vergehens sich schuldig gemacht hat, hängt zunächst davon ab, ob der
gesetzliche Thatbestand vollständig vorliegt, und namentlich ob die mit
Strafe bedrohte Handlung vorsätzlich oder beziehungsweise aus Fahr-
lässigkeit verübt worden ist. Bevor aber noch davon die Rede sein kann,
ob die rechtswidrige Willensbestimmung, wie das Gesetz sie bei der
Strafandrohung voraussetzt, vorhanden gewesen ist oder nicht, muß es
feststehen, daß überhaupt eine freie Willensbestimmung von Seiten des
Thäters da war; denn wenn diese fehlt, wenn er nur eine unfreiwillige
Thätigkeit nach außen hin entwickelt hat, so liegt gar keine Handlung
im eigentlichen Sinne vor und also auch keine strafbare Handlung. Die
Unfreiwilligkeit schließt jede Zurechnung aus. So gut nun das Gesetz-
buch sich davon entbunden hat, über Vorsatz und Fahrlässigkeit allge-
meine Regeln aufzustellen, so gut hätte es von der Unzurechnungsfä-
higkeit schweigen können, womit denn recht wohl vereinbar gewesen
wäre, daß über einzelne Gründe, welche die Strafe ausschließen, z. B.
über die Zurechnungslosigkeit wegen Nothwehr, über jugendliches Alter,
Verjährung, Bestimmungen gegeben wurden, welche nur das positive
Recht zur Geltung bringen kann. Auf diese Art der Behandlung weist
auch die noch geltende Verordnung vom 3. Jan. 1849. (G.-S. S. 32.)
hin, indem sie verfügt:

§. 103. "Wegen der Thatsachen, welche die Verhängung einer
Strafe ausschließen oder die Anwendung einer milderen Strafe
nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift begründen, ist geeigneten
Falles eine besondere Frage zu stellen."


Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
Grunde liegt, ſo iſt die Nachahmung derſelben, ſobald damit eine be-
ſtimmte techniſche Bedeutung verbunden ſein ſoll, doch nicht zu empfeh-
len. Wie wenig zutreffend ſie iſt, ergiebt ſich ſchon daraus, daß das
jugendliche Alter, je nachdem ein Unterſcheidungsvermögen angenommen
wird oder nicht, bald zu der Einen, bald zu der andern Kategorie zu
rechnen iſt; aber auch die Folgen dieſer Eintheilung für die Rechts-
anwendung ſind nicht unbedenklich, ſobald man ihr ein Gewicht beilegt,
welches über den beſtimmten Ausſpruch des Geſetzes hinaus wirkſam
ſein ſoll. Die Folgerungen aus dieſer Eintheilung führen zu der An-
nahme einer verminderten Zurechnungsfähigkeit, bei deren Anerkennung,
wie ſpäter gezeigt werden ſoll, mit großer Vorſicht zu verfahren iſt.

Die einzelnen Gegenſtände nun, welche in dieſem Titel abgehandelt
ſind, werden bei den einzelnen Paragraphen zur Erwägung kommen.
Zunächſt iſt bei §. 40. von der Unzurechnungsfähigkeit zu handeln.



Die Beantwortung der Frage, ob jemand eines Verbrechens oder
Vergehens ſich ſchuldig gemacht hat, hängt zunächſt davon ab, ob der
geſetzliche Thatbeſtand vollſtändig vorliegt, und namentlich ob die mit
Strafe bedrohte Handlung vorſätzlich oder beziehungsweiſe aus Fahr-
läſſigkeit verübt worden iſt. Bevor aber noch davon die Rede ſein kann,
ob die rechtswidrige Willensbeſtimmung, wie das Geſetz ſie bei der
Strafandrohung vorausſetzt, vorhanden geweſen iſt oder nicht, muß es
feſtſtehen, daß überhaupt eine freie Willensbeſtimmung von Seiten des
Thäters da war; denn wenn dieſe fehlt, wenn er nur eine unfreiwillige
Thätigkeit nach außen hin entwickelt hat, ſo liegt gar keine Handlung
im eigentlichen Sinne vor und alſo auch keine ſtrafbare Handlung. Die
Unfreiwilligkeit ſchließt jede Zurechnung aus. So gut nun das Geſetz-
buch ſich davon entbunden hat, über Vorſatz und Fahrläſſigkeit allge-
meine Regeln aufzuſtellen, ſo gut hätte es von der Unzurechnungsfä-
higkeit ſchweigen können, womit denn recht wohl vereinbar geweſen
wäre, daß über einzelne Gründe, welche die Strafe ausſchließen, z. B.
über die Zurechnungsloſigkeit wegen Nothwehr, über jugendliches Alter,
Verjährung, Beſtimmungen gegeben wurden, welche nur das poſitive
Recht zur Geltung bringen kann. Auf dieſe Art der Behandlung weiſt
auch die noch geltende Verordnung vom 3. Jan. 1849. (G.-S. S. 32.)
hin, indem ſie verfügt:

§. 103. „Wegen der Thatſachen, welche die Verhängung einer
Strafe ausſchließen oder die Anwendung einer milderen Strafe
nach ausdrücklicher geſetzlicher Vorſchrift begründen, iſt geeigneten
Falles eine beſondere Frage zu ſtellen.“


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[176/0186] Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe. Grunde liegt, ſo iſt die Nachahmung derſelben, ſobald damit eine be- ſtimmte techniſche Bedeutung verbunden ſein ſoll, doch nicht zu empfeh- len. Wie wenig zutreffend ſie iſt, ergiebt ſich ſchon daraus, daß das jugendliche Alter, je nachdem ein Unterſcheidungsvermögen angenommen wird oder nicht, bald zu der Einen, bald zu der andern Kategorie zu rechnen iſt; aber auch die Folgen dieſer Eintheilung für die Rechts- anwendung ſind nicht unbedenklich, ſobald man ihr ein Gewicht beilegt, welches über den beſtimmten Ausſpruch des Geſetzes hinaus wirkſam ſein ſoll. Die Folgerungen aus dieſer Eintheilung führen zu der An- nahme einer verminderten Zurechnungsfähigkeit, bei deren Anerkennung, wie ſpäter gezeigt werden ſoll, mit großer Vorſicht zu verfahren iſt. Die einzelnen Gegenſtände nun, welche in dieſem Titel abgehandelt ſind, werden bei den einzelnen Paragraphen zur Erwägung kommen. Zunächſt iſt bei §. 40. von der Unzurechnungsfähigkeit zu handeln. Die Beantwortung der Frage, ob jemand eines Verbrechens oder Vergehens ſich ſchuldig gemacht hat, hängt zunächſt davon ab, ob der geſetzliche Thatbeſtand vollſtändig vorliegt, und namentlich ob die mit Strafe bedrohte Handlung vorſätzlich oder beziehungsweiſe aus Fahr- läſſigkeit verübt worden iſt. Bevor aber noch davon die Rede ſein kann, ob die rechtswidrige Willensbeſtimmung, wie das Geſetz ſie bei der Strafandrohung vorausſetzt, vorhanden geweſen iſt oder nicht, muß es feſtſtehen, daß überhaupt eine freie Willensbeſtimmung von Seiten des Thäters da war; denn wenn dieſe fehlt, wenn er nur eine unfreiwillige Thätigkeit nach außen hin entwickelt hat, ſo liegt gar keine Handlung im eigentlichen Sinne vor und alſo auch keine ſtrafbare Handlung. Die Unfreiwilligkeit ſchließt jede Zurechnung aus. So gut nun das Geſetz- buch ſich davon entbunden hat, über Vorſatz und Fahrläſſigkeit allge- meine Regeln aufzuſtellen, ſo gut hätte es von der Unzurechnungsfä- higkeit ſchweigen können, womit denn recht wohl vereinbar geweſen wäre, daß über einzelne Gründe, welche die Strafe ausſchließen, z. B. über die Zurechnungsloſigkeit wegen Nothwehr, über jugendliches Alter, Verjährung, Beſtimmungen gegeben wurden, welche nur das poſitive Recht zur Geltung bringen kann. Auf dieſe Art der Behandlung weiſt auch die noch geltende Verordnung vom 3. Jan. 1849. (G.-S. S. 32.) hin, indem ſie verfügt: §. 103. „Wegen der Thatſachen, welche die Verhängung einer Strafe ausſchließen oder die Anwendung einer milderen Strafe nach ausdrücklicher geſetzlicher Vorſchrift begründen, iſt geeigneten Falles eine beſondere Frage zu ſtellen.“

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/186>, abgerufen am 24.11.2024.