Th. I. Bestraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
Umstände, wie sie am Schluß des Paragraphen hervorgehoben worden, anders als bei der Heruntersetzung der absoluten Strafen im Fall der nicht wesentlichen Beihülfe gelten zu lassen. Es würde das ja auch die Folge haben, daß bei allen Vergehen, deren niedrigstes Strafmaaß geringer, als zweijähriges Gefängniß ist, das Vorhandensein mildernder Umstände gar nicht beachtet werden könnte, ja streng genommen eine Straferhöhung zur Folge haben müßte.
Auf der andern Seite ist es nicht in Abrede zu stellen, daß die Wortfassung des Paragraphen die Auslegung zuläßt, daß bei der nicht wesentlichen Beihülfe, ohne Rücksicht auf die Strafgesetze über die ein- zelnen Verbrechen und Vergehen, mildernde Umstände stets sollen in Betracht gezogen werden. Auch muß zugegeben werden, daß die Aus- legung der Worte in dem Sinne, welchen die Kommission der zweiten Kammer damit verbunden hat, gleichfalls zu nicht geringen Uebelständen führt. Es ist nämlich inkonsequent, wenn nur bei den schwersten Ver- brechen die nicht wesentliche Theilnahme besonders milde bestraft werden soll. Hier wird einmal die absolute Strafe ermäßigt, und dann soll die zeitige Zuchthausstrafe wegen mildernder Umstände wieder in Ge- fängniß verwandelt werden können. Letzteres könnte doch auch für die Fälle gelten, wo die gesetzliche Strafe nur zeitiges Zuchthaus ist; und warum soll im Fall der nicht wesentlichen Beihülfe nicht auch bei Ver- gehen eine Berücksichtigung mildernder Umstände eintreten? -- Ein Bei- spiel möge dieß deutlich machen. Der Landesverrath wird bald mit der Todesstrafe, bald mit zeitiger Zuchthausstrafe bedroht. Fälle der ersteren Art sind §. 69., Fälle der zweiten Art §. 71. aufgeführt; auf mildernde Umstände wird weder das Eine noch das andere Mal Rücksicht genom- men. Wer nun einem Landesverräther der schlimmsten Art, der mit dem Tode bestraft werden soll, eine nicht wesentliche Beihülfe leistet, der kann wegen mildernder Umstände zu einer zeitigen Gefängnißstrafe verurtheilt werden. Ist aber die Beihülfe unter ganz gleichen Verhält- nissen einem minder strafbaren Verbrecher derselben Art geleistet worden, so ist die niedrigste Strafe des Theilnehmers fünfjähriges Zuchthaus. Aehnliche Fälle können vorkommen bei der Vergiftung (§. 197.), der Brandstiftung (§. 285.), der Ueberschwemmung (§. 290. 291.).
Diesen Gründen, welche gegen die Fassung des Gesetzbuchs sprechen, lassen sich freilich andere für dieselbe entgegenstellen. Es kommen dabei folgende Gesichtspunkte in Betracht. o)
o) Ich benutze bei dieser Ausführung hauptsächlich eine briefliche Mittheilung, welche ich hierüber von einem mit der Oekonomie des Strafgesetzbuchs vorzugsweise vertrauten Manne empfangen habe. Meine Bedenken sind dadurch freilich nicht ganz gehoben.
Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
Umſtände, wie ſie am Schluß des Paragraphen hervorgehoben worden, anders als bei der Herunterſetzung der abſoluten Strafen im Fall der nicht weſentlichen Beihülfe gelten zu laſſen. Es würde das ja auch die Folge haben, daß bei allen Vergehen, deren niedrigſtes Strafmaaß geringer, als zweijähriges Gefängniß iſt, das Vorhandenſein mildernder Umſtände gar nicht beachtet werden könnte, ja ſtreng genommen eine Straferhöhung zur Folge haben müßte.
Auf der andern Seite iſt es nicht in Abrede zu ſtellen, daß die Wortfaſſung des Paragraphen die Auslegung zuläßt, daß bei der nicht weſentlichen Beihülfe, ohne Rückſicht auf die Strafgeſetze über die ein- zelnen Verbrechen und Vergehen, mildernde Umſtände ſtets ſollen in Betracht gezogen werden. Auch muß zugegeben werden, daß die Aus- legung der Worte in dem Sinne, welchen die Kommiſſion der zweiten Kammer damit verbunden hat, gleichfalls zu nicht geringen Uebelſtänden führt. Es iſt nämlich inkonſequent, wenn nur bei den ſchwerſten Ver- brechen die nicht weſentliche Theilnahme beſonders milde beſtraft werden ſoll. Hier wird einmal die abſolute Strafe ermäßigt, und dann ſoll die zeitige Zuchthausſtrafe wegen mildernder Umſtände wieder in Ge- fängniß verwandelt werden können. Letzteres könnte doch auch für die Fälle gelten, wo die geſetzliche Strafe nur zeitiges Zuchthaus iſt; und warum ſoll im Fall der nicht weſentlichen Beihülfe nicht auch bei Ver- gehen eine Berückſichtigung mildernder Umſtände eintreten? — Ein Bei- ſpiel möge dieß deutlich machen. Der Landesverrath wird bald mit der Todesſtrafe, bald mit zeitiger Zuchthausſtrafe bedroht. Fälle der erſteren Art ſind §. 69., Fälle der zweiten Art §. 71. aufgeführt; auf mildernde Umſtände wird weder das Eine noch das andere Mal Rückſicht genom- men. Wer nun einem Landesverräther der ſchlimmſten Art, der mit dem Tode beſtraft werden ſoll, eine nicht weſentliche Beihülfe leiſtet, der kann wegen mildernder Umſtände zu einer zeitigen Gefängnißſtrafe verurtheilt werden. Iſt aber die Beihülfe unter ganz gleichen Verhält- niſſen einem minder ſtrafbaren Verbrecher derſelben Art geleiſtet worden, ſo iſt die niedrigſte Strafe des Theilnehmers fünfjähriges Zuchthaus. Aehnliche Fälle können vorkommen bei der Vergiftung (§. 197.), der Brandſtiftung (§. 285.), der Ueberſchwemmung (§. 290. 291.).
Dieſen Gründen, welche gegen die Faſſung des Geſetzbuchs ſprechen, laſſen ſich freilich andere für dieſelbe entgegenſtellen. Es kommen dabei folgende Geſichtspunkte in Betracht. o)
o) Ich benutze bei dieſer Ausführung hauptſächlich eine briefliche Mittheilung, welche ich hierüber von einem mit der Oekonomie des Strafgeſetzbuchs vorzugsweiſe vertrauten Manne empfangen habe. Meine Bedenken ſind dadurch freilich nicht ganz gehoben.
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Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
Umſtände, wie ſie am Schluß des Paragraphen hervorgehoben worden,
anders als bei der Herunterſetzung der abſoluten Strafen im Fall der
nicht weſentlichen Beihülfe gelten zu laſſen. Es würde das ja auch
die Folge haben, daß bei allen Vergehen, deren niedrigſtes Strafmaaß
geringer, als zweijähriges Gefängniß iſt, das Vorhandenſein mildernder
Umſtände gar nicht beachtet werden könnte, ja ſtreng genommen eine
Straferhöhung zur Folge haben müßte.
Auf der andern Seite iſt es nicht in Abrede zu ſtellen, daß die
Wortfaſſung des Paragraphen die Auslegung zuläßt, daß bei der nicht
weſentlichen Beihülfe, ohne Rückſicht auf die Strafgeſetze über die ein-
zelnen Verbrechen und Vergehen, mildernde Umſtände ſtets ſollen in
Betracht gezogen werden. Auch muß zugegeben werden, daß die Aus-
legung der Worte in dem Sinne, welchen die Kommiſſion der zweiten
Kammer damit verbunden hat, gleichfalls zu nicht geringen Uebelſtänden
führt. Es iſt nämlich inkonſequent, wenn nur bei den ſchwerſten Ver-
brechen die nicht weſentliche Theilnahme beſonders milde beſtraft werden
ſoll. Hier wird einmal die abſolute Strafe ermäßigt, und dann ſoll
die zeitige Zuchthausſtrafe wegen mildernder Umſtände wieder in Ge-
fängniß verwandelt werden können. Letzteres könnte doch auch für die
Fälle gelten, wo die geſetzliche Strafe nur zeitiges Zuchthaus iſt; und
warum ſoll im Fall der nicht weſentlichen Beihülfe nicht auch bei Ver-
gehen eine Berückſichtigung mildernder Umſtände eintreten? — Ein Bei-
ſpiel möge dieß deutlich machen. Der Landesverrath wird bald mit der
Todesſtrafe, bald mit zeitiger Zuchthausſtrafe bedroht. Fälle der erſteren
Art ſind §. 69., Fälle der zweiten Art §. 71. aufgeführt; auf mildernde
Umſtände wird weder das Eine noch das andere Mal Rückſicht genom-
men. Wer nun einem Landesverräther der ſchlimmſten Art, der mit
dem Tode beſtraft werden ſoll, eine nicht weſentliche Beihülfe leiſtet,
der kann wegen mildernder Umſtände zu einer zeitigen Gefängnißſtrafe
verurtheilt werden. Iſt aber die Beihülfe unter ganz gleichen Verhält-
niſſen einem minder ſtrafbaren Verbrecher derſelben Art geleiſtet worden,
ſo iſt die niedrigſte Strafe des Theilnehmers fünfjähriges Zuchthaus.
Aehnliche Fälle können vorkommen bei der Vergiftung (§. 197.), der
Brandſtiftung (§. 285.), der Ueberſchwemmung (§. 290. 291.).
Dieſen Gründen, welche gegen die Faſſung des Geſetzbuchs ſprechen,
laſſen ſich freilich andere für dieſelbe entgegenſtellen. Es kommen dabei
folgende Geſichtspunkte in Betracht. o)
o) Ich benutze bei dieſer Ausführung hauptſächlich eine briefliche Mittheilung,
welche ich hierüber von einem mit der Oekonomie des Strafgeſetzbuchs vorzugsweiſe
vertrauten Manne empfangen habe. Meine Bedenken ſind dadurch freilich nicht ganz
gehoben.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/174>, abgerufen am 16.07.2024.
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