§§. 21. 22. Zeitige Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte.
bei dem einfachen Diebstahl und der Unterschlagung geschehen ist. Auf diese Auffassung weist auch die Bestimmung hin, welche in zwei Fällen die Ehrenstrafe nur dann vorschreibt, wenn der Handlung gewinnsüchtige Absicht zum Grunde lag (§. 106. 137.) Denn wenn dieß Motiv auch nicht immer und nicht allein den Ausschlag geben kann (einigen Ver- gehen liegt ja ihrer Natur nach die gewinnsüchtige Absicht stets zum Grunde, bei anderen kommt sie kaum jemals vor, oder erscheint doch nicht schlimmer als das Motiv der Rache u. s. w.); so ist es doch bei der Würdigung mancher Vergehen von Einfluß, und zeigt jedenfalls, wie der Gesetzgeber im einzelnen Fall sich die Qualifikation der straf- baren Handlung gedacht hat, um die zeitige Entziehung der Ehrenrechte für begründet zu halten. -- Auf die einzelnen Strafbestimmungen wird später bei der besonderen Erörterung der einzelnen Vergehen näher ein- gegangen werden.
In der Kommission der zweiten Kammer fehlte es übrigens nicht an Stimmen, welche es als einen Uebelstand hervorhoben, daß dem richterlichen Ermessen bei der fakultativen Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte ein zu weiter Spielraum gelassen werde, und daß diese Ne- benstrafe zu bedeutend sei, um dazu zu dienen, für dasselbe Vergehen die Handlungen nach dem Grade der Verschuldung mit einer verschiedenen Strafe zu treffen. Wenn diese Ansicht auch nicht allgemein durchdrang, so hat die Kommission doch in jedem einzelnen Fall genau geprüft, ob die Hinzufügung der Strafe begründet erscheine, und darnach ihre Ent- scheidung nicht immer in Uebereinstimmung mit der Regierungsvorlage getroffen. Gestrichen hat sie die Ehrenstrafe namentlich bei der Ver- leumdung, hinzugefügt bei der falschen Versicherung an Eidesstatt und bei der Zerstörung oder Verletzung befriedeter Sachen. t)
III. Die Wirkung der Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit besteht für den Verurtheilten in der Unfähigkeit, während der im Urtheile bestimmten Zeit die in §. 12. erwähnten Rechte auszuüben. Die Strafe unterscheidet sich also von dem Verlust der bürgerlichen Ehre im Allgemeinen nicht durch den Umfang ihrer Wir- kung, sondern nur durch die Dauer derselben.
1) Der Verlust der bürgerlichen Ehre als Folge der Verurtheilung in die Zuchthausstrafe umfaßt stets sämmtliche, im §. 12. aufgezählten Rechte, und nur im Fall des §. 63. und 64. gehen bloß die politischen Rechte verloren. Dasselbe gilt für die zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte; auch sie erstreckt sich auf sämmtliche in
t)Bericht der Kommission der zweiten Kammer, zu §. 117. (129.) §. 145. (156.) §. 256. (282.)
§§. 21. 22. Zeitige Unterſagung der bürgerlichen Ehrenrechte.
bei dem einfachen Diebſtahl und der Unterſchlagung geſchehen iſt. Auf dieſe Auffaſſung weiſt auch die Beſtimmung hin, welche in zwei Fällen die Ehrenſtrafe nur dann vorſchreibt, wenn der Handlung gewinnſüchtige Abſicht zum Grunde lag (§. 106. 137.) Denn wenn dieß Motiv auch nicht immer und nicht allein den Ausſchlag geben kann (einigen Ver- gehen liegt ja ihrer Natur nach die gewinnſüchtige Abſicht ſtets zum Grunde, bei anderen kommt ſie kaum jemals vor, oder erſcheint doch nicht ſchlimmer als das Motiv der Rache u. ſ. w.); ſo iſt es doch bei der Würdigung mancher Vergehen von Einfluß, und zeigt jedenfalls, wie der Geſetzgeber im einzelnen Fall ſich die Qualifikation der ſtraf- baren Handlung gedacht hat, um die zeitige Entziehung der Ehrenrechte für begründet zu halten. — Auf die einzelnen Strafbeſtimmungen wird ſpäter bei der beſonderen Erörterung der einzelnen Vergehen näher ein- gegangen werden.
In der Kommiſſion der zweiten Kammer fehlte es übrigens nicht an Stimmen, welche es als einen Uebelſtand hervorhoben, daß dem richterlichen Ermeſſen bei der fakultativen Unterſagung der bürgerlichen Ehrenrechte ein zu weiter Spielraum gelaſſen werde, und daß dieſe Ne- benſtrafe zu bedeutend ſei, um dazu zu dienen, für daſſelbe Vergehen die Handlungen nach dem Grade der Verſchuldung mit einer verſchiedenen Strafe zu treffen. Wenn dieſe Anſicht auch nicht allgemein durchdrang, ſo hat die Kommiſſion doch in jedem einzelnen Fall genau geprüft, ob die Hinzufügung der Strafe begründet erſcheine, und darnach ihre Ent- ſcheidung nicht immer in Uebereinſtimmung mit der Regierungsvorlage getroffen. Geſtrichen hat ſie die Ehrenſtrafe namentlich bei der Ver- leumdung, hinzugefügt bei der falſchen Verſicherung an Eidesſtatt und bei der Zerſtörung oder Verletzung befriedeter Sachen. t)
III. Die Wirkung der Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit beſteht für den Verurtheilten in der Unfähigkeit, während der im Urtheile beſtimmten Zeit die in §. 12. erwähnten Rechte auszuüben. Die Strafe unterſcheidet ſich alſo von dem Verluſt der bürgerlichen Ehre im Allgemeinen nicht durch den Umfang ihrer Wir- kung, ſondern nur durch die Dauer derſelben.
1) Der Verluſt der bürgerlichen Ehre als Folge der Verurtheilung in die Zuchthausſtrafe umfaßt ſtets ſämmtliche, im §. 12. aufgezählten Rechte, und nur im Fall des §. 63. und 64. gehen bloß die politiſchen Rechte verloren. Daſſelbe gilt für die zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte; auch ſie erſtreckt ſich auf ſämmtliche in
t)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer, zu §. 117. (129.) §. 145. (156.) §. 256. (282.)
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§§. 21. 22. Zeitige Unterſagung der bürgerlichen Ehrenrechte.
bei dem einfachen Diebſtahl und der Unterſchlagung geſchehen iſt. Auf
dieſe Auffaſſung weiſt auch die Beſtimmung hin, welche in zwei Fällen
die Ehrenſtrafe nur dann vorſchreibt, wenn der Handlung gewinnſüchtige
Abſicht zum Grunde lag (§. 106. 137.) Denn wenn dieß Motiv auch
nicht immer und nicht allein den Ausſchlag geben kann (einigen Ver-
gehen liegt ja ihrer Natur nach die gewinnſüchtige Abſicht ſtets zum
Grunde, bei anderen kommt ſie kaum jemals vor, oder erſcheint doch
nicht ſchlimmer als das Motiv der Rache u. ſ. w.); ſo iſt es doch bei
der Würdigung mancher Vergehen von Einfluß, und zeigt jedenfalls,
wie der Geſetzgeber im einzelnen Fall ſich die Qualifikation der ſtraf-
baren Handlung gedacht hat, um die zeitige Entziehung der Ehrenrechte
für begründet zu halten. — Auf die einzelnen Strafbeſtimmungen wird
ſpäter bei der beſonderen Erörterung der einzelnen Vergehen näher ein-
gegangen werden.
In der Kommiſſion der zweiten Kammer fehlte es übrigens nicht
an Stimmen, welche es als einen Uebelſtand hervorhoben, daß dem
richterlichen Ermeſſen bei der fakultativen Unterſagung der bürgerlichen
Ehrenrechte ein zu weiter Spielraum gelaſſen werde, und daß dieſe Ne-
benſtrafe zu bedeutend ſei, um dazu zu dienen, für daſſelbe Vergehen die
Handlungen nach dem Grade der Verſchuldung mit einer verſchiedenen
Strafe zu treffen. Wenn dieſe Anſicht auch nicht allgemein durchdrang,
ſo hat die Kommiſſion doch in jedem einzelnen Fall genau geprüft, ob
die Hinzufügung der Strafe begründet erſcheine, und darnach ihre Ent-
ſcheidung nicht immer in Uebereinſtimmung mit der Regierungsvorlage
getroffen. Geſtrichen hat ſie die Ehrenſtrafe namentlich bei der Ver-
leumdung, hinzugefügt bei der falſchen Verſicherung an Eidesſtatt und
bei der Zerſtörung oder Verletzung befriedeter Sachen. t)
III. Die Wirkung der Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen
Ehrenrechte auf Zeit beſteht für den Verurtheilten in der Unfähigkeit,
während der im Urtheile beſtimmten Zeit die in §. 12. erwähnten Rechte
auszuüben. Die Strafe unterſcheidet ſich alſo von dem Verluſt der
bürgerlichen Ehre im Allgemeinen nicht durch den Umfang ihrer Wir-
kung, ſondern nur durch die Dauer derſelben.
1) Der Verluſt der bürgerlichen Ehre als Folge der Verurtheilung
in die Zuchthausſtrafe umfaßt ſtets ſämmtliche, im §. 12. aufgezählten
Rechte, und nur im Fall des §. 63. und 64. gehen bloß die politiſchen
Rechte verloren. Daſſelbe gilt für die zeitige Unterſagung der Ausübung
der bürgerlichen Ehrenrechte; auch ſie erſtreckt ſich auf ſämmtliche in
t) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer, zu §. 117. (129.)
§. 145. (156.) §. 256. (282.)
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/137>, abgerufen am 16.07.2024.
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