III. Es treten stets sämmtliche Wirkungen des Verlustes ein, in- soweit sie überhaupt bei dem Verurtheilten zur Anwendung kommen können, was denn auch, wie sich von selbst versteht, für die Weiber gilt. Sonst findet eine Theilung der Ehrenrechte nach ihrer verschiedenen Be- schaffenheit nicht statt; eine Ausnahme davon kommt nur hinsichtlich der eigentlich politischen Rechte bei dem Hochverrathe vor (§. 63. 64.). -- Ueber den Verlust der Pensionen und Gnadengehalte s. unten §. 23.
IV. Insofern im Mittelalter die Theilnahme an gewissen Kor- porationen der wichtigste Ausfluß politischer Berechtigung war, mußte es von besonderer Wichtigkeit sein, daß der Ehrlose nicht als Genosse in solchen Vereinen geduldet wurde. Es war ihm aber nicht allein der Eintritt versagt, sondern wenn Jemand später ehrlos geworden war, erfolgte seine Ausschließung. Die Vorfrage aber, ob jemand ehrlos sei, ward nicht immer von einem gerichtlichen Erkenntniß abhängig gemacht, sondern auch auf die Entscheidung der Genossen gestellt. Dabei wurde denn nicht immer auf die Verübung bestimmter Verbrechen gesehen; auch ein Treubruch, eine verächtliche Lebensart, eine unehrliche Hand- thierung genügte, um jemanden als des guten Leumundes baar, als bescholten oder auch als anrüchig aus der Korporation zu entfernen.
Von diesen Einrichtungen finden sich auch im späteren Rechte noch Spuren. Bei der reinen Privatassociation entscheiden hierüber die Sta- tuten, so daß über deren richtige Auslegung im Falle des verletzten Privatrechts die Civilgerichte zu entscheiden haben. Anders verhält es sich mit den politischen Korporationen und solchen, welche ihren Mit- gliedern die Ausübung gewisser bürgerlicher Rechte sichern, wie früher bei den Zünften und jetzt noch in gewisser Weise bei den kaufmännischen Korporationen. Die Städteordnung von 1808. (§. 39.) bestimmte noch, daß jeder, der sich durch niederträchtige Handlungen verächtlich gemacht oder wegen eines Verbrechens Kriminalstrafe erlitten hat, durch einen Beschluß der Stadtverordneten des Bürgerrechts verlustig erklärt werden kann. Das Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin giebt sogar den Aeltesten das Recht, nach ihrem Ermessen "zur Erhaltung der Ehre und des unbescholtenen Rufs der Korporation im Publiko und auf aus- wärtigen Handelsplätzen" die Ausstoßung zu verhängen. b)
Es ist bekannt, wie zur Zeit der provinzialständischen Verfassung sich an diese Einrichtungen die weitere Ausbildung des vagen Begriffs der Bescholtenheit ansetzte, welcher neben dem Rechtsgebiet der Ehren- strafen herlief, und die Frage, ob ein Preuße der politischen Rechte
b)Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin v. 2. März 1820. (Gesetzs. S. 46 ff.) §. 71. 72.
§. 12. Verluſt der bürgerlichen Ehre.
III. Es treten ſtets ſämmtliche Wirkungen des Verluſtes ein, in- ſoweit ſie überhaupt bei dem Verurtheilten zur Anwendung kommen können, was denn auch, wie ſich von ſelbſt verſteht, für die Weiber gilt. Sonſt findet eine Theilung der Ehrenrechte nach ihrer verſchiedenen Be- ſchaffenheit nicht ſtatt; eine Ausnahme davon kommt nur hinſichtlich der eigentlich politiſchen Rechte bei dem Hochverrathe vor (§. 63. 64.). — Ueber den Verluſt der Penſionen und Gnadengehalte ſ. unten §. 23.
IV. Inſofern im Mittelalter die Theilnahme an gewiſſen Kor- porationen der wichtigſte Ausfluß politiſcher Berechtigung war, mußte es von beſonderer Wichtigkeit ſein, daß der Ehrloſe nicht als Genoſſe in ſolchen Vereinen geduldet wurde. Es war ihm aber nicht allein der Eintritt verſagt, ſondern wenn Jemand ſpäter ehrlos geworden war, erfolgte ſeine Ausſchließung. Die Vorfrage aber, ob jemand ehrlos ſei, ward nicht immer von einem gerichtlichen Erkenntniß abhängig gemacht, ſondern auch auf die Entſcheidung der Genoſſen geſtellt. Dabei wurde denn nicht immer auf die Verübung beſtimmter Verbrechen geſehen; auch ein Treubruch, eine verächtliche Lebensart, eine unehrliche Hand- thierung genügte, um jemanden als des guten Leumundes baar, als beſcholten oder auch als anrüchig aus der Korporation zu entfernen.
Von dieſen Einrichtungen finden ſich auch im ſpäteren Rechte noch Spuren. Bei der reinen Privataſſociation entſcheiden hierüber die Sta- tuten, ſo daß über deren richtige Auslegung im Falle des verletzten Privatrechts die Civilgerichte zu entſcheiden haben. Anders verhält es ſich mit den politiſchen Korporationen und ſolchen, welche ihren Mit- gliedern die Ausübung gewiſſer bürgerlicher Rechte ſichern, wie früher bei den Zünften und jetzt noch in gewiſſer Weiſe bei den kaufmänniſchen Korporationen. Die Städteordnung von 1808. (§. 39.) beſtimmte noch, daß jeder, der ſich durch niederträchtige Handlungen verächtlich gemacht oder wegen eines Verbrechens Kriminalſtrafe erlitten hat, durch einen Beſchluß der Stadtverordneten des Bürgerrechts verluſtig erklärt werden kann. Das Statut für die Kaufmannſchaft zu Berlin giebt ſogar den Aelteſten das Recht, nach ihrem Ermeſſen „zur Erhaltung der Ehre und des unbeſcholtenen Rufs der Korporation im Publiko und auf aus- wärtigen Handelsplätzen“ die Ausſtoßung zu verhängen. b)
Es iſt bekannt, wie zur Zeit der provinzialſtändiſchen Verfaſſung ſich an dieſe Einrichtungen die weitere Ausbildung des vagen Begriffs der Beſcholtenheit anſetzte, welcher neben dem Rechtsgebiet der Ehren- ſtrafen herlief, und die Frage, ob ein Preuße der politiſchen Rechte
b)Statut für die Kaufmannſchaft zu Berlin v. 2. März 1820. (Geſetzſ. S. 46 ff.) §. 71. 72.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0121"n="111"/><fwplace="top"type="header">§. 12. Verluſt der bürgerlichen Ehre.</fw><lb/><p>III. Es treten ſtets ſämmtliche Wirkungen des Verluſtes ein, in-<lb/>ſoweit ſie überhaupt bei dem Verurtheilten zur Anwendung kommen<lb/>
können, was denn auch, wie ſich von ſelbſt verſteht, für die Weiber gilt.<lb/>
Sonſt findet eine Theilung der Ehrenrechte nach ihrer verſchiedenen Be-<lb/>ſchaffenheit nicht ſtatt; eine Ausnahme davon kommt nur hinſichtlich<lb/>
der eigentlich politiſchen Rechte bei dem Hochverrathe vor (§. 63. 64.). —<lb/>
Ueber den Verluſt der Penſionen und Gnadengehalte ſ. unten §. 23.</p><lb/><p>IV. Inſofern im Mittelalter die Theilnahme an gewiſſen Kor-<lb/>
porationen der wichtigſte Ausfluß politiſcher Berechtigung war, mußte es<lb/>
von beſonderer Wichtigkeit ſein, daß der Ehrloſe nicht als Genoſſe in<lb/>ſolchen Vereinen geduldet wurde. Es war ihm aber nicht allein der<lb/>
Eintritt verſagt, ſondern wenn Jemand ſpäter ehrlos geworden war,<lb/>
erfolgte ſeine Ausſchließung. Die Vorfrage aber, ob jemand ehrlos ſei,<lb/>
ward nicht immer von einem gerichtlichen Erkenntniß abhängig gemacht,<lb/>ſondern auch auf die Entſcheidung der Genoſſen geſtellt. Dabei wurde<lb/>
denn nicht immer auf die Verübung beſtimmter Verbrechen geſehen;<lb/>
auch ein Treubruch, eine verächtliche Lebensart, eine unehrliche Hand-<lb/>
thierung genügte, um jemanden als des guten Leumundes baar, als<lb/>
beſcholten oder auch als anrüchig aus der Korporation zu entfernen.</p><lb/><p>Von dieſen Einrichtungen finden ſich auch im ſpäteren Rechte noch<lb/>
Spuren. Bei der reinen Privataſſociation entſcheiden hierüber die Sta-<lb/>
tuten, ſo daß über deren richtige Auslegung im Falle des verletzten<lb/>
Privatrechts die Civilgerichte zu entſcheiden haben. Anders verhält es<lb/>ſich mit den politiſchen Korporationen und ſolchen, welche ihren Mit-<lb/>
gliedern die Ausübung gewiſſer bürgerlicher Rechte ſichern, wie früher<lb/>
bei den Zünften und jetzt noch in gewiſſer Weiſe bei den kaufmänniſchen<lb/>
Korporationen. Die Städteordnung von 1808. (§. 39.) beſtimmte noch,<lb/>
daß jeder, der ſich durch niederträchtige Handlungen verächtlich gemacht<lb/>
oder wegen eines Verbrechens Kriminalſtrafe erlitten hat, durch einen<lb/>
Beſchluß der Stadtverordneten des Bürgerrechts verluſtig erklärt werden<lb/>
kann. Das Statut für die Kaufmannſchaft zu Berlin giebt ſogar den<lb/>
Aelteſten das Recht, nach ihrem Ermeſſen „zur Erhaltung der Ehre und<lb/>
des unbeſcholtenen Rufs der Korporation im Publiko und auf aus-<lb/>
wärtigen Handelsplätzen“ die Ausſtoßung zu verhängen. <noteplace="foot"n="b)"><hirendition="#g">Statut für die Kaufmannſchaft zu Berlin</hi> v. 2. <hirendition="#g">März</hi> 1820. (Geſetzſ.<lb/>
S. 46 ff.) §. 71. 72.</note></p><lb/><p>Es iſt bekannt, wie zur Zeit der provinzialſtändiſchen Verfaſſung<lb/>ſich an dieſe Einrichtungen die weitere Ausbildung des vagen Begriffs<lb/>
der <hirendition="#g">Beſcholtenheit</hi> anſetzte, welcher neben dem Rechtsgebiet der Ehren-<lb/>ſtrafen herlief, und die Frage, ob ein Preuße der politiſchen Rechte<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[111/0121]
§. 12. Verluſt der bürgerlichen Ehre.
III. Es treten ſtets ſämmtliche Wirkungen des Verluſtes ein, in-
ſoweit ſie überhaupt bei dem Verurtheilten zur Anwendung kommen
können, was denn auch, wie ſich von ſelbſt verſteht, für die Weiber gilt.
Sonſt findet eine Theilung der Ehrenrechte nach ihrer verſchiedenen Be-
ſchaffenheit nicht ſtatt; eine Ausnahme davon kommt nur hinſichtlich
der eigentlich politiſchen Rechte bei dem Hochverrathe vor (§. 63. 64.). —
Ueber den Verluſt der Penſionen und Gnadengehalte ſ. unten §. 23.
IV. Inſofern im Mittelalter die Theilnahme an gewiſſen Kor-
porationen der wichtigſte Ausfluß politiſcher Berechtigung war, mußte es
von beſonderer Wichtigkeit ſein, daß der Ehrloſe nicht als Genoſſe in
ſolchen Vereinen geduldet wurde. Es war ihm aber nicht allein der
Eintritt verſagt, ſondern wenn Jemand ſpäter ehrlos geworden war,
erfolgte ſeine Ausſchließung. Die Vorfrage aber, ob jemand ehrlos ſei,
ward nicht immer von einem gerichtlichen Erkenntniß abhängig gemacht,
ſondern auch auf die Entſcheidung der Genoſſen geſtellt. Dabei wurde
denn nicht immer auf die Verübung beſtimmter Verbrechen geſehen;
auch ein Treubruch, eine verächtliche Lebensart, eine unehrliche Hand-
thierung genügte, um jemanden als des guten Leumundes baar, als
beſcholten oder auch als anrüchig aus der Korporation zu entfernen.
Von dieſen Einrichtungen finden ſich auch im ſpäteren Rechte noch
Spuren. Bei der reinen Privataſſociation entſcheiden hierüber die Sta-
tuten, ſo daß über deren richtige Auslegung im Falle des verletzten
Privatrechts die Civilgerichte zu entſcheiden haben. Anders verhält es
ſich mit den politiſchen Korporationen und ſolchen, welche ihren Mit-
gliedern die Ausübung gewiſſer bürgerlicher Rechte ſichern, wie früher
bei den Zünften und jetzt noch in gewiſſer Weiſe bei den kaufmänniſchen
Korporationen. Die Städteordnung von 1808. (§. 39.) beſtimmte noch,
daß jeder, der ſich durch niederträchtige Handlungen verächtlich gemacht
oder wegen eines Verbrechens Kriminalſtrafe erlitten hat, durch einen
Beſchluß der Stadtverordneten des Bürgerrechts verluſtig erklärt werden
kann. Das Statut für die Kaufmannſchaft zu Berlin giebt ſogar den
Aelteſten das Recht, nach ihrem Ermeſſen „zur Erhaltung der Ehre und
des unbeſcholtenen Rufs der Korporation im Publiko und auf aus-
wärtigen Handelsplätzen“ die Ausſtoßung zu verhängen. b)
Es iſt bekannt, wie zur Zeit der provinzialſtändiſchen Verfaſſung
ſich an dieſe Einrichtungen die weitere Ausbildung des vagen Begriffs
der Beſcholtenheit anſetzte, welcher neben dem Rechtsgebiet der Ehren-
ſtrafen herlief, und die Frage, ob ein Preuße der politiſchen Rechte
b) Statut für die Kaufmannſchaft zu Berlin v. 2. März 1820. (Geſetzſ.
S. 46 ff.) §. 71. 72.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/121>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.