Th. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
b. bei dem Landesverrath, wenn eine fremde Regierung zum Kriege gegen Preußen veranlaßt worden ist, §. 67.;
c. bei dem Morde, wenn derselbe an leiblichen Eltern oder Großeltern oder an dem Ehegatten verübt ist, §. 175.
2) wenn festgestellt wird, daß das mit der Todesstrafe bedrohte Verbrechen unter besonders erschwerenden Umständen begangen worden ist. Es wird also nach den Vorschriften des Gesetzes darüber eine Frage an die Geschwornen zu stellen sein. x)
In der Kommission der zweiten Kammer wollte man diese Hinzu- fügung des Verlustes der bürgerlichen Ehre zur Todesstrafe nicht als eine eigentliche Schärfung ansehen, und vermied daher den Ausdruck, was insofern richtig, als die Erschwerung nicht in einer Qualifikation der Hauptstrafe besteht. Aber gegen die ganze Verbindung lassen sich gewichtige Bedenken erheben. Mit dem Tode, der höchsten Strafe, wird auch die schwerste Schuld auf Erden gesühnt; auch hier wieder Abstu- fungen eintreten zu lassen, geht über die Aufgabe der strafenden Gerech- tigkeit. Soll aber dennoch eine Erschwerung hinzugefügt werden, dann muß sie im Sinne der früheren Gesetzgebung auf die Hauptstrafe sich unmittelbar beziehen, um das Schimpfliche und Entehrende unmittelbar zur Anschauung des Volkes zu bringen, und die Familie des Verurtheil- ten nicht statt seiner selbst zu treffen. -- Die Aberkennung der bürger- lichen Ehre hat hier eigentlich keinen Sinn; denn wenn darin, wie spä- ter gezeigt werden soll, der Verlust bestimmter staatsbürgerlicher und bürgerlicher Rechte liegt, so kann für den, welcher dem Tode verfallen ist, kaum eine Bedeutung darin gefunden werden. Wenn dieß unter Umständen, bei der Flucht des Verbrechers, der Begnadigung sich anders verhält, so kann die zufällige Wirkung einer Strafbestimmung ihre Auf- stellung im Allgemeinen nicht rechtfertigen. -- Die Kommission trat die- sen Gründen jedoch nicht bei, indem namentlich darauf Gewicht gelegt wurde, daß doch auch von dem Tage des rechtskräftigen Urtheils an bis zur Hinrichtung der Ehrenstrafe nicht alle Wirkung abzusprechen sei. y) -- Bei der Entscheidung der Frage, ob zu der Todesstrafe der Verlust der bürgerlichen Ehre noch hinzutreten soll, wird im einzelnen Fall nicht der allgemeine Begriff der Ehrlosigkeit, Niederträchtigkeit u. s. w. den Ausschlag geben können, sondern es kommt darauf an, ob das bestimmte Verbrechen: dieser Mord, diese Brandstiftung unter besonders erschwerenden Umständen begangen worden ist.
x)Einführungsgesetz vom 14. April 1851. Art. XXIV.
y)Kommissionsbericht der zweiten Kammer zu §. 7. Vergl. auch Verhandlungen des vereinigten ständ. Ausschusses II. S. 571. ff.
Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
b. bei dem Landesverrath, wenn eine fremde Regierung zum Kriege gegen Preußen veranlaßt worden iſt, §. 67.;
c. bei dem Morde, wenn derſelbe an leiblichen Eltern oder Großeltern oder an dem Ehegatten verübt iſt, §. 175.
2) wenn feſtgeſtellt wird, daß das mit der Todesſtrafe bedrohte Verbrechen unter beſonders erſchwerenden Umſtänden begangen worden iſt. Es wird alſo nach den Vorſchriften des Geſetzes darüber eine Frage an die Geſchwornen zu ſtellen ſein. x)
In der Kommiſſion der zweiten Kammer wollte man dieſe Hinzu- fügung des Verluſtes der bürgerlichen Ehre zur Todesſtrafe nicht als eine eigentliche Schärfung anſehen, und vermied daher den Ausdruck, was inſofern richtig, als die Erſchwerung nicht in einer Qualifikation der Hauptſtrafe beſteht. Aber gegen die ganze Verbindung laſſen ſich gewichtige Bedenken erheben. Mit dem Tode, der höchſten Strafe, wird auch die ſchwerſte Schuld auf Erden geſühnt; auch hier wieder Abſtu- fungen eintreten zu laſſen, geht über die Aufgabe der ſtrafenden Gerech- tigkeit. Soll aber dennoch eine Erſchwerung hinzugefügt werden, dann muß ſie im Sinne der früheren Geſetzgebung auf die Hauptſtrafe ſich unmittelbar beziehen, um das Schimpfliche und Entehrende unmittelbar zur Anſchauung des Volkes zu bringen, und die Familie des Verurtheil- ten nicht ſtatt ſeiner ſelbſt zu treffen. — Die Aberkennung der bürger- lichen Ehre hat hier eigentlich keinen Sinn; denn wenn darin, wie ſpä- ter gezeigt werden ſoll, der Verluſt beſtimmter ſtaatsbürgerlicher und bürgerlicher Rechte liegt, ſo kann für den, welcher dem Tode verfallen iſt, kaum eine Bedeutung darin gefunden werden. Wenn dieß unter Umſtänden, bei der Flucht des Verbrechers, der Begnadigung ſich anders verhält, ſo kann die zufällige Wirkung einer Strafbeſtimmung ihre Auf- ſtellung im Allgemeinen nicht rechtfertigen. — Die Kommiſſion trat die- ſen Gründen jedoch nicht bei, indem namentlich darauf Gewicht gelegt wurde, daß doch auch von dem Tage des rechtskräftigen Urtheils an bis zur Hinrichtung der Ehrenſtrafe nicht alle Wirkung abzuſprechen ſei. y) — Bei der Entſcheidung der Frage, ob zu der Todesſtrafe der Verluſt der bürgerlichen Ehre noch hinzutreten ſoll, wird im einzelnen Fall nicht der allgemeine Begriff der Ehrloſigkeit, Niederträchtigkeit u. ſ. w. den Ausſchlag geben können, ſondern es kommt darauf an, ob das beſtimmte Verbrechen: dieſer Mord, dieſe Brandſtiftung unter beſonders erſchwerenden Umſtänden begangen worden iſt.
x)Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XXIV.
y)Kommiſſionsbericht der zweiten Kammer zu §. 7. Vergl. auch Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes II. S. 571. ff.
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b. bei dem Landesverrath, wenn eine fremde Regierung
zum Kriege gegen Preußen veranlaßt worden iſt, §. 67.;
c. bei dem Morde, wenn derſelbe an leiblichen Eltern oder
Großeltern oder an dem Ehegatten verübt iſt, §. 175.
2) wenn feſtgeſtellt wird, daß das mit der Todesſtrafe bedrohte
Verbrechen unter beſonders erſchwerenden Umſtänden begangen
worden iſt. Es wird alſo nach den Vorſchriften des Geſetzes
darüber eine Frage an die Geſchwornen zu ſtellen ſein. x)
In der Kommiſſion der zweiten Kammer wollte man dieſe Hinzu-
fügung des Verluſtes der bürgerlichen Ehre zur Todesſtrafe nicht als
eine eigentliche Schärfung anſehen, und vermied daher den Ausdruck,
was inſofern richtig, als die Erſchwerung nicht in einer Qualifikation
der Hauptſtrafe beſteht. Aber gegen die ganze Verbindung laſſen ſich
gewichtige Bedenken erheben. Mit dem Tode, der höchſten Strafe, wird
auch die ſchwerſte Schuld auf Erden geſühnt; auch hier wieder Abſtu-
fungen eintreten zu laſſen, geht über die Aufgabe der ſtrafenden Gerech-
tigkeit. Soll aber dennoch eine Erſchwerung hinzugefügt werden, dann
muß ſie im Sinne der früheren Geſetzgebung auf die Hauptſtrafe ſich
unmittelbar beziehen, um das Schimpfliche und Entehrende unmittelbar
zur Anſchauung des Volkes zu bringen, und die Familie des Verurtheil-
ten nicht ſtatt ſeiner ſelbſt zu treffen. — Die Aberkennung der bürger-
lichen Ehre hat hier eigentlich keinen Sinn; denn wenn darin, wie ſpä-
ter gezeigt werden ſoll, der Verluſt beſtimmter ſtaatsbürgerlicher und
bürgerlicher Rechte liegt, ſo kann für den, welcher dem Tode verfallen
iſt, kaum eine Bedeutung darin gefunden werden. Wenn dieß unter
Umſtänden, bei der Flucht des Verbrechers, der Begnadigung ſich anders
verhält, ſo kann die zufällige Wirkung einer Strafbeſtimmung ihre Auf-
ſtellung im Allgemeinen nicht rechtfertigen. — Die Kommiſſion trat die-
ſen Gründen jedoch nicht bei, indem namentlich darauf Gewicht gelegt
wurde, daß doch auch von dem Tage des rechtskräftigen Urtheils an
bis zur Hinrichtung der Ehrenſtrafe nicht alle Wirkung abzuſprechen
ſei. y) — Bei der Entſcheidung der Frage, ob zu der Todesſtrafe der
Verluſt der bürgerlichen Ehre noch hinzutreten ſoll, wird im einzelnen
Fall nicht der allgemeine Begriff der Ehrloſigkeit, Niederträchtigkeit
u. ſ. w. den Ausſchlag geben können, ſondern es kommt darauf an, ob
das beſtimmte Verbrechen: dieſer Mord, dieſe Brandſtiftung unter
beſonders erſchwerenden Umſtänden begangen worden iſt.
x) Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XXIV.
y) Kommiſſionsbericht der zweiten Kammer zu §. 7. Vergl. auch
Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes II. S. 571. ff.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/104>, abgerufen am 27.11.2024.
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