Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

mache mir einen Spaß und sehe, was Ihr schreibt! -- Aber der Vater hatte ihr Spiel bemerkt, er faßte ohne Umstände in ihr Brusttuch, nahm die Haare heraus und sagte ernsthaft: Was sollen die Possen? -- Mariechen entriß ihm das Haar mit der Bewegung, mit welcher die Glucke sich wendet, um auf den verfolgenden Hund zu stürzen; doch sobald sie es wieder hatte, ward sie zahm und geschmeidig, kroch aus einem Winkel der Stube in einen andern und ließ sich von dem Bäcker jagen. Wenn ich Euch nun so gern habe, sagte sie lachend, daß ich Euern Busch Haare behalten will! -- Der Bäcker schmunzelte und trieb sich mit ihr herum, bis er's müde ward, dann faßte er sie, ließ sie mit einem derben Kusse fahren und sagte: Fort, du kleine Kröte! -- Ach, was Euer Bart sticht, geht doch, rief Mariechen, den will ich nicht! Sie hatte sich losgemacht, und der Vater, der in der Regel voll Rücksichten gegen den wohlhabenden Schwiegersohn zu sein pflegte, ermahnte fast ärgerlich zur Fortsetzung des Geschäfts und wies den verwöhnten Liebling aus der Stube.

Mariechen ließ sich's nicht zweimal sagen; sie schoß wie ein Blitz davon und sprang um die Ecke des Zaunes. Erst nach einer halben Stunde kam sie wieder. Wo bleibt denn die Dirne? rief die Mutter, machst du heut lauter Narrenstreiche? -- I, rief das verzogene Mädchen, Ihr wolltet mich ja nicht in der Stube leiden, da habe ich mit Nachbar Hansens Kindern Ver-

mache mir einen Spaß und sehe, was Ihr schreibt! — Aber der Vater hatte ihr Spiel bemerkt, er faßte ohne Umstände in ihr Brusttuch, nahm die Haare heraus und sagte ernsthaft: Was sollen die Possen? — Mariechen entriß ihm das Haar mit der Bewegung, mit welcher die Glucke sich wendet, um auf den verfolgenden Hund zu stürzen; doch sobald sie es wieder hatte, ward sie zahm und geschmeidig, kroch aus einem Winkel der Stube in einen andern und ließ sich von dem Bäcker jagen. Wenn ich Euch nun so gern habe, sagte sie lachend, daß ich Euern Busch Haare behalten will! — Der Bäcker schmunzelte und trieb sich mit ihr herum, bis er's müde ward, dann faßte er sie, ließ sie mit einem derben Kusse fahren und sagte: Fort, du kleine Kröte! — Ach, was Euer Bart sticht, geht doch, rief Mariechen, den will ich nicht! Sie hatte sich losgemacht, und der Vater, der in der Regel voll Rücksichten gegen den wohlhabenden Schwiegersohn zu sein pflegte, ermahnte fast ärgerlich zur Fortsetzung des Geschäfts und wies den verwöhnten Liebling aus der Stube.

Mariechen ließ sich's nicht zweimal sagen; sie schoß wie ein Blitz davon und sprang um die Ecke des Zaunes. Erst nach einer halben Stunde kam sie wieder. Wo bleibt denn die Dirne? rief die Mutter, machst du heut lauter Narrenstreiche? — I, rief das verzogene Mädchen, Ihr wolltet mich ja nicht in der Stube leiden, da habe ich mit Nachbar Hansens Kindern Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067"/>
mache mir einen Spaß und sehe, was Ihr schreibt! &#x2014; Aber der Vater hatte ihr Spiel bemerkt, er faßte ohne Umstände in ihr Brusttuch, nahm die Haare heraus und sagte ernsthaft: Was sollen die Possen? &#x2014; Mariechen entriß ihm das Haar mit der Bewegung, mit welcher die Glucke sich wendet, um auf den verfolgenden Hund zu stürzen; doch sobald sie es wieder hatte, ward sie zahm und geschmeidig, kroch aus einem Winkel der Stube in einen andern und ließ sich von dem Bäcker jagen. Wenn ich Euch nun so gern habe, sagte sie lachend, daß ich Euern Busch Haare behalten will! &#x2014; Der Bäcker schmunzelte und trieb sich mit ihr herum, bis er's müde ward, dann faßte er sie, ließ sie mit einem derben Kusse fahren und sagte: Fort, du kleine Kröte! &#x2014; Ach, was Euer Bart sticht, geht doch, rief Mariechen, den will ich nicht! Sie hatte sich losgemacht, und der Vater, der in der Regel voll Rücksichten gegen den wohlhabenden Schwiegersohn zu sein pflegte, ermahnte fast ärgerlich zur Fortsetzung des Geschäfts und wies den verwöhnten Liebling aus der Stube.</p><lb/>
        <p>Mariechen ließ sich's nicht zweimal sagen; sie schoß wie ein Blitz davon und sprang                um die Ecke des Zaunes. Erst nach einer halben Stunde kam sie wieder. Wo bleibt denn                die Dirne? rief die Mutter, machst du heut lauter Narrenstreiche? &#x2014; I, rief das                verzogene Mädchen, Ihr wolltet mich ja nicht in der Stube leiden, da habe ich mit                Nachbar Hansens Kindern Ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] mache mir einen Spaß und sehe, was Ihr schreibt! — Aber der Vater hatte ihr Spiel bemerkt, er faßte ohne Umstände in ihr Brusttuch, nahm die Haare heraus und sagte ernsthaft: Was sollen die Possen? — Mariechen entriß ihm das Haar mit der Bewegung, mit welcher die Glucke sich wendet, um auf den verfolgenden Hund zu stürzen; doch sobald sie es wieder hatte, ward sie zahm und geschmeidig, kroch aus einem Winkel der Stube in einen andern und ließ sich von dem Bäcker jagen. Wenn ich Euch nun so gern habe, sagte sie lachend, daß ich Euern Busch Haare behalten will! — Der Bäcker schmunzelte und trieb sich mit ihr herum, bis er's müde ward, dann faßte er sie, ließ sie mit einem derben Kusse fahren und sagte: Fort, du kleine Kröte! — Ach, was Euer Bart sticht, geht doch, rief Mariechen, den will ich nicht! Sie hatte sich losgemacht, und der Vater, der in der Regel voll Rücksichten gegen den wohlhabenden Schwiegersohn zu sein pflegte, ermahnte fast ärgerlich zur Fortsetzung des Geschäfts und wies den verwöhnten Liebling aus der Stube. Mariechen ließ sich's nicht zweimal sagen; sie schoß wie ein Blitz davon und sprang um die Ecke des Zaunes. Erst nach einer halben Stunde kam sie wieder. Wo bleibt denn die Dirne? rief die Mutter, machst du heut lauter Narrenstreiche? — I, rief das verzogene Mädchen, Ihr wolltet mich ja nicht in der Stube leiden, da habe ich mit Nachbar Hansens Kindern Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/67
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/67>, abgerufen am 22.11.2024.