Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Er drehte den Rücken und wollte gehen, Gertrud stand verlassen. Lieschen trat ihm in den Weg. Lieber Herr Baumann, sagte sie sanft, Gott hat Ihnen eine gute Frau gegeben, eine bessere, als Sie verlieren; soll ich sie nicht bitten, daß sie mit Ihnen geht? -- Gertrud traten die Thränen in die Augen, sie schlug sie nieder, es zu verbergen, Baumann stand wie angewurzelt, er schämte sich seiner Rohheit; Lieschen wartete nicht auf seine Antwort, sie nahm seine Hand und zog ihn zu Gertrud. Gertrud, fragte sie, willst du geschieden sein? Gertrud schwieg.

Baumann's Galle fing an zu weichen, er dachte an den Hergang des Tages, an Gertrudens Liebenswürdigkeit; er sah sie erröthend und mit niedergeschlagenen Augen dastehen, und plötzlich verwandelte sich sein Aerger in eine ausschweifende Lustigkeit. Gertrud, sagte er, meine liebe Frau, ich glaube, der Himmel hat Alles wohl gemacht! Er breitete die Arme aus.

Gertrud blickte zu ihm auf, sie wollte schelmisch aussehen, wie heute Nachmittags, aber die Thränen, die sie unterdrückt, drangen gewaltsam aus ihren Augen und rannen über ihre Wangen. Juchhei! rief der Bäcker und warf seinen Hut in die Luft, dann fiel er seiner Frau um den Hals, die ihn gewähren ließ.

Hand in Hand gingen die Paare dem Wagen zu, der ihrer vor dem Wirthshaus harrte. Der Pfarrer aber kehrte zu seiner Frau zurück und sagte, sich aufs Kanapee werfend: Das war ein heißer Tag, das war

Er drehte den Rücken und wollte gehen, Gertrud stand verlassen. Lieschen trat ihm in den Weg. Lieber Herr Baumann, sagte sie sanft, Gott hat Ihnen eine gute Frau gegeben, eine bessere, als Sie verlieren; soll ich sie nicht bitten, daß sie mit Ihnen geht? — Gertrud traten die Thränen in die Augen, sie schlug sie nieder, es zu verbergen, Baumann stand wie angewurzelt, er schämte sich seiner Rohheit; Lieschen wartete nicht auf seine Antwort, sie nahm seine Hand und zog ihn zu Gertrud. Gertrud, fragte sie, willst du geschieden sein? Gertrud schwieg.

Baumann's Galle fing an zu weichen, er dachte an den Hergang des Tages, an Gertrudens Liebenswürdigkeit; er sah sie erröthend und mit niedergeschlagenen Augen dastehen, und plötzlich verwandelte sich sein Aerger in eine ausschweifende Lustigkeit. Gertrud, sagte er, meine liebe Frau, ich glaube, der Himmel hat Alles wohl gemacht! Er breitete die Arme aus.

Gertrud blickte zu ihm auf, sie wollte schelmisch aussehen, wie heute Nachmittags, aber die Thränen, die sie unterdrückt, drangen gewaltsam aus ihren Augen und rannen über ihre Wangen. Juchhei! rief der Bäcker und warf seinen Hut in die Luft, dann fiel er seiner Frau um den Hals, die ihn gewähren ließ.

Hand in Hand gingen die Paare dem Wagen zu, der ihrer vor dem Wirthshaus harrte. Der Pfarrer aber kehrte zu seiner Frau zurück und sagte, sich aufs Kanapee werfend: Das war ein heißer Tag, das war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0115"/>
        <p>Er drehte den Rücken und wollte gehen, Gertrud stand verlassen. Lieschen trat ihm in                den Weg. Lieber Herr Baumann, sagte sie sanft, Gott hat Ihnen eine gute Frau gegeben,                eine bessere, als Sie verlieren; soll ich sie nicht bitten, daß sie mit Ihnen geht? &#x2014;                Gertrud traten die Thränen in die Augen, sie schlug sie nieder, es zu verbergen,                Baumann stand wie angewurzelt, er schämte sich seiner Rohheit; Lieschen wartete nicht                auf seine Antwort, sie nahm seine Hand und zog ihn zu Gertrud. Gertrud, fragte sie,                willst du geschieden sein? Gertrud schwieg.</p><lb/>
        <p>Baumann's Galle fing an zu weichen, er dachte an den Hergang des Tages, an Gertrudens                Liebenswürdigkeit; er sah sie erröthend und mit niedergeschlagenen Augen dastehen,                und plötzlich verwandelte sich sein Aerger in eine ausschweifende Lustigkeit.                Gertrud, sagte er, meine liebe Frau, ich glaube, der Himmel hat Alles wohl gemacht!                Er breitete die Arme aus.</p><lb/>
        <p>Gertrud blickte zu ihm auf, sie wollte schelmisch aussehen, wie heute Nachmittags,                aber die Thränen, die sie unterdrückt, drangen gewaltsam aus ihren Augen und rannen                über ihre Wangen. Juchhei! rief der Bäcker und warf seinen Hut in die Luft, dann fiel                er seiner Frau um den Hals, die ihn gewähren ließ.</p><lb/>
        <p>Hand in Hand gingen die Paare dem Wagen zu, der ihrer vor dem Wirthshaus harrte. Der                Pfarrer aber kehrte zu seiner Frau zurück und sagte, sich aufs Kanapee werfend: Das                war ein heißer Tag, das war<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] Er drehte den Rücken und wollte gehen, Gertrud stand verlassen. Lieschen trat ihm in den Weg. Lieber Herr Baumann, sagte sie sanft, Gott hat Ihnen eine gute Frau gegeben, eine bessere, als Sie verlieren; soll ich sie nicht bitten, daß sie mit Ihnen geht? — Gertrud traten die Thränen in die Augen, sie schlug sie nieder, es zu verbergen, Baumann stand wie angewurzelt, er schämte sich seiner Rohheit; Lieschen wartete nicht auf seine Antwort, sie nahm seine Hand und zog ihn zu Gertrud. Gertrud, fragte sie, willst du geschieden sein? Gertrud schwieg. Baumann's Galle fing an zu weichen, er dachte an den Hergang des Tages, an Gertrudens Liebenswürdigkeit; er sah sie erröthend und mit niedergeschlagenen Augen dastehen, und plötzlich verwandelte sich sein Aerger in eine ausschweifende Lustigkeit. Gertrud, sagte er, meine liebe Frau, ich glaube, der Himmel hat Alles wohl gemacht! Er breitete die Arme aus. Gertrud blickte zu ihm auf, sie wollte schelmisch aussehen, wie heute Nachmittags, aber die Thränen, die sie unterdrückt, drangen gewaltsam aus ihren Augen und rannen über ihre Wangen. Juchhei! rief der Bäcker und warf seinen Hut in die Luft, dann fiel er seiner Frau um den Hals, die ihn gewähren ließ. Hand in Hand gingen die Paare dem Wagen zu, der ihrer vor dem Wirthshaus harrte. Der Pfarrer aber kehrte zu seiner Frau zurück und sagte, sich aufs Kanapee werfend: Das war ein heißer Tag, das war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/115
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/115>, abgerufen am 23.11.2024.