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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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so daß er vor allem
Alle Tage fand sich immer bey mir was neues,
so daß ich in kurtzem um alle Freyheit kam, und
nicht mehr das geringste zu ändern das Hertze
hatte, wolte ich mich nicht in Angst und Ban-
gigkeit stürtzen. Wenn ich nun folgends etwas
neues geschenckt bekam, oder etwas gekaufft hatte,
so war neue Noth, was ich ihm vor eine Stelle
geben, und wie ichs legen, setzen, und hencken
wolte, so daß ich auch einst, da zwey Disputatio-
nes
auf einmahl einlieffen, und weil ich nicht ei-
nes werden konte, welche ich zuerst, oder zum an-
dern auf den gewöhnlichen Disputations-Stoß
legen solte, mein Haupt in die gröste Hitze ge-
rieth, bis ich endlich die Resolution ergriff, und
eine davon wegschenckte. Ob von zweyen Bier-
Krügen einer da, der andere dorten, einer oben,
der andere unten an stehe: ob man ein Licht eher,
oder später aufn Licht-Knecht stecke: ob man ei-
nen Schlaf-Rock des Abends beym Ausziehen
auf diese, oder andere Weise auf den Stuhl
werffe, und hundert andere Dinge mehr, sind
Sachen, worüber kein Mensch lange Bedencken
hat, vielweniger in Streit mit sich geräth; und
doch ward mir alles in lauter Gesetze verwandelt.
Die Ziffern, womit ich etwas notirte, und auf-
schrieb, habe ich wohl 5. bis 6. mahl ändern müs-
sen, bis sie mir schön und sauber genug heraus
kamen. Beym Schlafengehen konte ich endlich

keinen

ſo daß er vor allem
Alle Tage fand ſich immer bey mir was neues,
ſo daß ich in kurtzem um alle Freyheit kam, und
nicht mehr das geringſte zu aͤndern das Hertze
hatte, wolte ich mich nicht in Angſt und Ban-
gigkeit ſtuͤrtzen. Wenn ich nun folgends etwas
neues geſchenckt bekam, oder etwas gekaufft hatte,
ſo war neue Noth, was ich ihm vor eine Stelle
geben, und wie ichs legen, ſetzen, und hencken
wolte, ſo daß ich auch einſt, da zwey Diſputatio-
nes
auf einmahl einlieffen, und weil ich nicht ei-
nes werden konte, welche ich zuerſt, oder zum an-
dern auf den gewoͤhnlichen Diſputations-Stoß
legen ſolte, mein Haupt in die groͤſte Hitze ge-
rieth, bis ich endlich die Reſolution ergriff, und
eine davon wegſchenckte. Ob von zweyen Bier-
Kruͤgen einer da, der andere dorten, einer oben,
der andere unten an ſtehe: ob man ein Licht eher,
oder ſpaͤter aufn Licht-Knecht ſtecke: ob man ei-
nen Schlaf-Rock des Abends beym Ausziehen
auf dieſe, oder andere Weiſe auf den Stuhl
werffe, und hundert andere Dinge mehr, ſind
Sachen, woruͤber kein Menſch lange Bedencken
hat, vielweniger in Streit mit ſich geraͤth; und
doch ward mir alles in lauter Geſetze verwandelt.
Die Ziffern, womit ich etwas notirte, und auf-
ſchrieb, habe ich wohl 5. bis 6. mahl aͤndern muͤſ-
ſen, bis ſie mir ſchoͤn und ſauber genug heraus
kamen. Beym Schlafengehen konte ich endlich

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[744/0790] ſo daß er vor allem Alle Tage fand ſich immer bey mir was neues, ſo daß ich in kurtzem um alle Freyheit kam, und nicht mehr das geringſte zu aͤndern das Hertze hatte, wolte ich mich nicht in Angſt und Ban- gigkeit ſtuͤrtzen. Wenn ich nun folgends etwas neues geſchenckt bekam, oder etwas gekaufft hatte, ſo war neue Noth, was ich ihm vor eine Stelle geben, und wie ichs legen, ſetzen, und hencken wolte, ſo daß ich auch einſt, da zwey Diſputatio- nes auf einmahl einlieffen, und weil ich nicht ei- nes werden konte, welche ich zuerſt, oder zum an- dern auf den gewoͤhnlichen Diſputations-Stoß legen ſolte, mein Haupt in die groͤſte Hitze ge- rieth, bis ich endlich die Reſolution ergriff, und eine davon wegſchenckte. Ob von zweyen Bier- Kruͤgen einer da, der andere dorten, einer oben, der andere unten an ſtehe: ob man ein Licht eher, oder ſpaͤter aufn Licht-Knecht ſtecke: ob man ei- nen Schlaf-Rock des Abends beym Ausziehen auf dieſe, oder andere Weiſe auf den Stuhl werffe, und hundert andere Dinge mehr, ſind Sachen, woruͤber kein Menſch lange Bedencken hat, vielweniger in Streit mit ſich geraͤth; und doch ward mir alles in lauter Geſetze verwandelt. Die Ziffern, womit ich etwas notirte, und auf- ſchrieb, habe ich wohl 5. bis 6. mahl aͤndern muͤſ- ſen, bis ſie mir ſchoͤn und ſauber genug heraus kamen. Beym Schlafengehen konte ich endlich keinen

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/790>, abgerufen am 28.11.2024.