Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

bethauert den Mangel
und kunte wegen Vermischung seines Tempera-
menti Melancholico Cholerici,
welches ihm eine
starcke und lebhaffte Imagination verursachte,
überall Miracul finden, aus kleinen Dingen lau-
ter Wunder GOttes machen, und als ein anderer
Plinius das Merveilleux auf die höchste Staffel
treiben. Und bey allem diesem war er offters in
seinen Predigten nicht nur sinn- sondern auch geist-
reich; und, weil viel von GOtt in ihm war, so ist
mir absonderlich bey solchen Casual-Predigten sein
Wort öffters durch Marck und Bein gedrungen.

Jn vielen andern Orten ist kaum ein
Schatten von solchen Solennitäten und Freu-
den-Bezeugungen, und dergleichen Casual-Pre-
digten, welche in andern Städten bey hohen Ver-
mählungen, Geburten und Siegen über die Feinde
gehalten werden, zu spühren. Ereignen sich ja
dergleichen Gelegenheiten, so plötzen sie die Stücke
auf einer Burg, oder auf einem Schloß-Thurm
dreymal hinter einander schnell los: in Haupt-
Kirchen singt man zur Noth noch das Te Deum
laudamus,
und wohl gar zuweilen so unvermuthet,
daß die meisten Zuhörer nicht wissen, was es be-
deutet. Wenn es hoch kommt, so läst ein und
anderer Prediger etwan einen Paragraphum in
seiner Predigt von derjenigen Sache, so gesche-
hen, und um welcher willen die Stücke gelöset
werden, mit einfliessen. Und das ist alles. Jch

halte,
C

bethauert den Mangel
und kunte wegen Vermiſchung ſeines Tempera-
menti Melancholico Cholerici,
welches ihm eine
ſtarcke und lebhaffte Imagination verurſachte,
uͤberall Miracul finden, aus kleinen Dingen lau-
ter Wunder GOttes machen, und als ein anderer
Plinius das Merveilleux auf die hoͤchſte Staffel
treiben. Und bey allem dieſem war er offters in
ſeinen Predigten nicht nur ſinn- ſondern auch geiſt-
reich; und, weil viel von GOtt in ihm war, ſo iſt
mir abſonderlich bey ſolchen Caſual-Predigten ſein
Wort oͤffters durch Marck und Bein gedrungen.

Jn vielen andern Orten iſt kaum ein
Schatten von ſolchen Solennitaͤten und Freu-
den-Bezeugungen, und dergleichen Caſual-Pre-
digten, welche in andern Staͤdten bey hohen Ver-
maͤhlungen, Geburten und Siegen uͤber die Feinde
gehalten werden, zu ſpuͤhren. Ereignen ſich ja
dergleichen Gelegenheiten, ſo ploͤtzen ſie die Stuͤcke
auf einer Burg, oder auf einem Schloß-Thurm
dreymal hinter einander ſchnell los: in Haupt-
Kirchen ſingt man zur Noth noch das Te Deum
laudamus,
und wohl gar zuweilen ſo unvermuthet,
daß die meiſten Zuhoͤrer nicht wiſſen, was es be-
deutet. Wenn es hoch kommt, ſo laͤſt ein und
anderer Prediger etwan einen Paragraphum in
ſeiner Predigt von derjenigen Sache, ſo geſche-
hen, und um welcher willen die Stuͤcke geloͤſet
werden, mit einflieſſen. Und das iſt alles. Jch

halte,
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bethauert den Mangel</hi></fw><lb/>
und kunte wegen Vermi&#x017F;chung &#x017F;eines <hi rendition="#aq">Tempera-<lb/>
menti Melancholico Cholerici,</hi> welches ihm eine<lb/>
&#x017F;tarcke und lebhaffte <hi rendition="#aq">Imagination</hi> verur&#x017F;achte,<lb/>
u&#x0364;berall <hi rendition="#aq">Miracul</hi> finden, aus kleinen Dingen lau-<lb/>
ter Wunder GOttes machen, und als ein anderer<lb/><hi rendition="#aq">Plinius</hi> das <hi rendition="#aq">Merveilleux</hi> auf die ho&#x0364;ch&#x017F;te Staffel<lb/>
treiben. Und bey allem die&#x017F;em war er offters in<lb/>
&#x017F;einen Predigten nicht nur &#x017F;inn- &#x017F;ondern auch gei&#x017F;t-<lb/>
reich; und, weil viel von GOtt in ihm war, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
mir ab&#x017F;onderlich bey &#x017F;olchen <hi rendition="#aq">Ca&#x017F;ual-</hi>Predigten &#x017F;ein<lb/>
Wort o&#x0364;ffters durch Marck und Bein gedrungen.</p><lb/>
        <p>Jn vielen andern Orten i&#x017F;t kaum ein<lb/>
Schatten von &#x017F;olchen <hi rendition="#aq">Solennit</hi>a&#x0364;ten und Freu-<lb/>
den-Bezeugungen, und dergleichen <hi rendition="#aq">Ca&#x017F;ual-</hi>Pre-<lb/>
digten, welche in andern Sta&#x0364;dten bey hohen Ver-<lb/>
ma&#x0364;hlungen, Geburten und Siegen u&#x0364;ber die Feinde<lb/>
gehalten werden, zu &#x017F;pu&#x0364;hren. Ereignen &#x017F;ich ja<lb/>
dergleichen Gelegenheiten, &#x017F;o plo&#x0364;tzen &#x017F;ie die Stu&#x0364;cke<lb/>
auf einer Burg, oder auf einem Schloß-Thurm<lb/>
dreymal hinter einander &#x017F;chnell los: in Haupt-<lb/>
Kirchen &#x017F;ingt man zur Noth noch das <hi rendition="#aq">Te Deum<lb/>
laudamus,</hi> und wohl gar zuweilen &#x017F;o unvermuthet,<lb/>
daß die mei&#x017F;ten Zuho&#x0364;rer nicht wi&#x017F;&#x017F;en, was es be-<lb/>
deutet. Wenn es hoch kommt, &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;t ein und<lb/>
anderer Prediger etwan einen <hi rendition="#aq">Paragraphum</hi> in<lb/>
&#x017F;einer Predigt von derjenigen Sache, &#x017F;o ge&#x017F;che-<lb/>
hen, und um welcher willen die Stu&#x0364;cke gelo&#x0364;&#x017F;et<lb/>
werden, mit einflie&#x017F;&#x017F;en. Und das i&#x017F;t alles. Jch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">halte,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0079] bethauert den Mangel und kunte wegen Vermiſchung ſeines Tempera- menti Melancholico Cholerici, welches ihm eine ſtarcke und lebhaffte Imagination verurſachte, uͤberall Miracul finden, aus kleinen Dingen lau- ter Wunder GOttes machen, und als ein anderer Plinius das Merveilleux auf die hoͤchſte Staffel treiben. Und bey allem dieſem war er offters in ſeinen Predigten nicht nur ſinn- ſondern auch geiſt- reich; und, weil viel von GOtt in ihm war, ſo iſt mir abſonderlich bey ſolchen Caſual-Predigten ſein Wort oͤffters durch Marck und Bein gedrungen. Jn vielen andern Orten iſt kaum ein Schatten von ſolchen Solennitaͤten und Freu- den-Bezeugungen, und dergleichen Caſual-Pre- digten, welche in andern Staͤdten bey hohen Ver- maͤhlungen, Geburten und Siegen uͤber die Feinde gehalten werden, zu ſpuͤhren. Ereignen ſich ja dergleichen Gelegenheiten, ſo ploͤtzen ſie die Stuͤcke auf einer Burg, oder auf einem Schloß-Thurm dreymal hinter einander ſchnell los: in Haupt- Kirchen ſingt man zur Noth noch das Te Deum laudamus, und wohl gar zuweilen ſo unvermuthet, daß die meiſten Zuhoͤrer nicht wiſſen, was es be- deutet. Wenn es hoch kommt, ſo laͤſt ein und anderer Prediger etwan einen Paragraphum in ſeiner Predigt von derjenigen Sache, ſo geſche- hen, und um welcher willen die Stuͤcke geloͤſet werden, mit einflieſſen. Und das iſt alles. Jch halte, C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/79
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/79>, abgerufen am 18.05.2024.