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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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einige andere Scrupel,
ich doch die erschrecklichste Hitze im Haupte bey
allen geringen Gelegenheiten, welche einige
Kräffte der Gedancken und der Lebens-Geister
erforderten. Weil ich bey einem halben Jahre
her in lauter Furcht gewandelt, so war mir das
Fürchten, Zittern, und Beben, wie gantz natür-
lich worden. Jch hatte der Sünden Größe
und Ubel dermaßen gefühlet, daß ich zu allem
schüchtern worden, in Meynung, daß es Sünde
wäre. Um ein leichtes fielen mir allerhand
Dinge ein, worinnen ich es vor diesem meynte
versehen, und nicht recht gewandelt zu haben;
oder worinnen ich ietzt nach meinem Erachten
noch nicht recht wandele; und siehe, da über-
fiel mich allemahl eine ungewöhnliche Hitze im
Haupt und Hertzen, daß mir brühe heiß wurde,
und ich wie in lauter Feuer gieng. Die eine
Woche kam mir dieses, die andere Woche, oder
in etlichen Wochen etwas anders ein; bis end-
lich mit mählichem mein Leib und Gemüthe in
einen bessern Zustand gesetzet wurde. Es bege-
gnet zwar manchmahl auch andern Menschen,
daß sie einen Gewissens-Scrupel bekommen,
ob das und jenes recht gewesen, was sie gethan;
oder vor GOtt zu entschuldigen sey, was sie
noch thun; sie überlegen aber solches mit kaltem
Geblüte, und wann sie befinden, daß es wider
GOttes Befehl sey, so unterlaßen sie, was sie

vor

einige andere Scrupel,
ich doch die erſchrecklichſte Hitze im Haupte bey
allen geringen Gelegenheiten, welche einige
Kraͤffte der Gedancken und der Lebens-Geiſter
erforderten. Weil ich bey einem halben Jahre
her in lauter Furcht gewandelt, ſo war mir das
Fuͤrchten, Zittern, und Beben, wie gantz natuͤr-
lich worden. Jch hatte der Suͤnden Groͤße
und Ubel dermaßen gefuͤhlet, daß ich zu allem
ſchuͤchtern worden, in Meynung, daß es Suͤnde
waͤre. Um ein leichtes fielen mir allerhand
Dinge ein, worinnen ich es vor dieſem meynte
verſehen, und nicht recht gewandelt zu haben;
oder worinnen ich ietzt nach meinem Erachten
noch nicht recht wandele; und ſiehe, da uͤber-
fiel mich allemahl eine ungewoͤhnliche Hitze im
Haupt und Hertzen, daß mir bruͤhe heiß wurde,
und ich wie in lauter Feuer gieng. Die eine
Woche kam mir dieſes, die andere Woche, oder
in etlichen Wochen etwas anders ein; bis end-
lich mit maͤhlichem mein Leib und Gemuͤthe in
einen beſſern Zuſtand geſetzet wurde. Es bege-
gnet zwar manchmahl auch andern Menſchen,
daß ſie einen Gewiſſens-Scrupel bekommen,
ob das und jenes recht geweſen, was ſie gethan;
oder vor GOtt zu entſchuldigen ſey, was ſie
noch thun; ſie uͤberlegen aber ſolches mit kaltem
Gebluͤte, und wann ſie befinden, daß es wider
GOttes Befehl ſey, ſo unterlaßen ſie, was ſie

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[724/0770] einige andere Scrupel, ich doch die erſchrecklichſte Hitze im Haupte bey allen geringen Gelegenheiten, welche einige Kraͤffte der Gedancken und der Lebens-Geiſter erforderten. Weil ich bey einem halben Jahre her in lauter Furcht gewandelt, ſo war mir das Fuͤrchten, Zittern, und Beben, wie gantz natuͤr- lich worden. Jch hatte der Suͤnden Groͤße und Ubel dermaßen gefuͤhlet, daß ich zu allem ſchuͤchtern worden, in Meynung, daß es Suͤnde waͤre. Um ein leichtes fielen mir allerhand Dinge ein, worinnen ich es vor dieſem meynte verſehen, und nicht recht gewandelt zu haben; oder worinnen ich ietzt nach meinem Erachten noch nicht recht wandele; und ſiehe, da uͤber- fiel mich allemahl eine ungewoͤhnliche Hitze im Haupt und Hertzen, daß mir bruͤhe heiß wurde, und ich wie in lauter Feuer gieng. Die eine Woche kam mir dieſes, die andere Woche, oder in etlichen Wochen etwas anders ein; bis end- lich mit maͤhlichem mein Leib und Gemuͤthe in einen beſſern Zuſtand geſetzet wurde. Es bege- gnet zwar manchmahl auch andern Menſchen, daß ſie einen Gewiſſens-Scrupel bekommen, ob das und jenes recht geweſen, was ſie gethan; oder vor GOtt zu entſchuldigen ſey, was ſie noch thun; ſie uͤberlegen aber ſolches mit kaltem Gebluͤte, und wann ſie befinden, daß es wider GOttes Befehl ſey, ſo unterlaßen ſie, was ſie vor

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/770>, abgerufen am 17.06.2024.