einem die Ohren gellen möchten. Hieraus konte ich nun mehr als zu viel abnehmen, auf was vor Gedancken man die Leute müße gebracht haben, und auch mercken, was wider mein Leben müste seyn eingegeben worden. Jch wuste zu Hause kaum mein Hertze zu stillen, daß ich nicht wider GOtt im Himmel murrete, da meine Kränckungen durch sein Verhängniß auf den höchsten Grad getrieben wurden. GOtt hatte mich in der Jugend durch oben beschriebenen un- glücklichen Fall zu einem elenden Menschen werden laßen, daß ich mein Lebtag an kein Hey- rathen gedencken dürffen; und nun solte ich noch in den Verdacht der Hurerey und des Ehebruchs gerathen. Das kam mir recht vor, als wie mit jenem, der sieben Jahr nicht in die Kirche gekom- men, und auf beyden Füßen gelähmet war, daß er nicht gehen kunte, und dem man Schuld gab, als ob er in der Kirchen Diebstahl begangen hätte.
Jch glaubte nun also, ich könte unmöglich lebendig bleiben, wo noch eine neue Inquisition wider mich vorgenommen, und ich im Fall noch einen Juristen anzunehmen, und Geld dran zu wenden, solte genöthiget werden. Jch fieng also an, sehr geneigt zu werden zu resigniren; denn ich dachte: besser, du bleibest beym Leben, und kanst noch Bücher schreiben, oder son-
sten
ſo ſein Leben betreffen,
einem die Ohren gellen moͤchten. Hieraus konte ich nun mehr als zu viel abnehmen, auf was vor Gedancken man die Leute muͤße gebracht haben, und auch mercken, was wider mein Leben muͤſte ſeyn eingegeben worden. Jch wuſte zu Hauſe kaum mein Hertze zu ſtillen, daß ich nicht wider GOtt im Himmel murrete, da meine Kraͤnckungen durch ſein Verhaͤngniß auf den hoͤchſten Grad getrieben wurden. GOtt hatte mich in der Jugend durch oben beſchriebenen un- gluͤcklichen Fall zu einem elenden Menſchen werden laßen, daß ich mein Lebtag an kein Hey- rathen gedencken duͤrffen; und nun ſolte ich noch in den Verdacht der Hurerey und des Ehebruchs gerathen. Das kam mir recht vor, als wie mit jenem, der ſieben Jahr nicht in die Kirche gekom- men, und auf beyden Fuͤßen gelaͤhmet war, daß er nicht gehen kunte, und dem man Schuld gab, als ob er in der Kirchen Diebſtahl begangen haͤtte.
Jch glaubte nun alſo, ich koͤnte unmoͤglich lebendig bleiben, wo noch eine neue Inquiſition wider mich vorgenommen, und ich im Fall noch einen Juriſten anzunehmen, und Geld dran zu wenden, ſolte genoͤthiget werden. Jch fieng alſo an, ſehr geneigt zu werden zu reſigniren; denn ich dachte: beſſer, du bleibeſt beym Leben, und kanſt noch Buͤcher ſchreiben, oder ſon-
ſten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0728"n="682"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">ſo ſein Leben betreffen,</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">einem die Ohren gellen moͤchten.</hi> Hieraus<lb/>
konte ich nun mehr als zu viel abnehmen, auf<lb/>
was vor Gedancken man die Leute muͤße gebracht<lb/>
haben, und auch mercken, was wider mein Leben<lb/>
muͤſte ſeyn eingegeben worden. Jch wuſte zu<lb/>
Hauſe kaum mein Hertze zu ſtillen, daß ich nicht<lb/>
wider GOtt im Himmel murrete, da meine<lb/>
Kraͤnckungen durch ſein Verhaͤngniß auf den<lb/>
hoͤchſten Grad getrieben wurden. GOtt hatte<lb/>
mich in der Jugend durch oben beſchriebenen un-<lb/>
gluͤcklichen Fall zu einem elenden Menſchen<lb/>
werden laßen, daß ich mein Lebtag an kein Hey-<lb/>
rathen gedencken duͤrffen; und nun ſolte ich noch<lb/>
in den Verdacht der Hurerey und des Ehebruchs<lb/>
gerathen. Das kam mir recht vor, als wie mit<lb/>
jenem, der ſieben Jahr nicht in die Kirche gekom-<lb/>
men, und auf beyden Fuͤßen gelaͤhmet war, daß<lb/>
er nicht gehen kunte, und dem man Schuld gab,<lb/>
als ob er in der Kirchen Diebſtahl begangen<lb/>
haͤtte.</p><lb/><p>Jch glaubte nun alſo, ich koͤnte unmoͤglich<lb/>
lebendig bleiben, wo noch eine neue <hirendition="#aq">Inquiſition</hi><lb/>
wider mich vorgenommen, und ich im Fall noch<lb/>
einen <hirendition="#aq">Juriſt</hi>en anzunehmen, und Geld dran zu<lb/>
wenden, ſolte genoͤthiget werden. Jch fieng alſo<lb/>
an, ſehr geneigt zu werden zu <hirendition="#aq">reſigni</hi>ren; denn<lb/>
ich dachte: <hirendition="#fr">beſſer, du bleibeſt beym Leben,<lb/>
und kanſt noch Buͤcher ſchreiben, oder ſon-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">ſten</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[682/0728]
ſo ſein Leben betreffen,
einem die Ohren gellen moͤchten. Hieraus
konte ich nun mehr als zu viel abnehmen, auf
was vor Gedancken man die Leute muͤße gebracht
haben, und auch mercken, was wider mein Leben
muͤſte ſeyn eingegeben worden. Jch wuſte zu
Hauſe kaum mein Hertze zu ſtillen, daß ich nicht
wider GOtt im Himmel murrete, da meine
Kraͤnckungen durch ſein Verhaͤngniß auf den
hoͤchſten Grad getrieben wurden. GOtt hatte
mich in der Jugend durch oben beſchriebenen un-
gluͤcklichen Fall zu einem elenden Menſchen
werden laßen, daß ich mein Lebtag an kein Hey-
rathen gedencken duͤrffen; und nun ſolte ich noch
in den Verdacht der Hurerey und des Ehebruchs
gerathen. Das kam mir recht vor, als wie mit
jenem, der ſieben Jahr nicht in die Kirche gekom-
men, und auf beyden Fuͤßen gelaͤhmet war, daß
er nicht gehen kunte, und dem man Schuld gab,
als ob er in der Kirchen Diebſtahl begangen
haͤtte.
Jch glaubte nun alſo, ich koͤnte unmoͤglich
lebendig bleiben, wo noch eine neue Inquiſition
wider mich vorgenommen, und ich im Fall noch
einen Juriſten anzunehmen, und Geld dran zu
wenden, ſolte genoͤthiget werden. Jch fieng alſo
an, ſehr geneigt zu werden zu reſigniren; denn
ich dachte: beſſer, du bleibeſt beym Leben,
und kanſt noch Buͤcher ſchreiben, oder ſon-
ſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/728>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.