selbst Hand an sich legen. Darbey hatte sie, wie oben gleichfalls schon gedacht, noch einen andern Zufall. Sie wurde mit einem Bilde und Idee im Gemüthe geplaget, als ob sie ihre Kinder mit Grimm und Furore anfiele, und sie erwürgete: und hatte doch keine Reitzung noch Lust dazu. HErr JEsus, rieff sie aus, ich liebe nichts so sehr auf Erden, als meine Kinder, sie haben mir nichts gethan, und es ist mir doch immer, als wenn ich sie anfiele und ermordete; so daß ich meine Hände kaum ent- halten kan. Sie bat auch, man möchte sie nicht alleine laßen, oder ihr die Hände binden, damit sie sich nicht an ihnen vergriffe. Die- ser Afsect war mir gar wohl bekannt, denn ich wuste davon aus der Erfahrung zu reden, und mag hier nicht wiederholen, was ich schon an einem andern Orte davon erzehlet habe. Das beste war, daß diese Mäurerin bey solchem Zu- stande ihres Verstandes nicht beraubet wurde; denn daferne solches geschehen wäre, so wolte ich wer weiß was wetten, daß sie die Kinder würde angefallen, und ohne Verstand nach dem Bilde gewürcket haben, was sie im Kopffe hatte, und das gethan, wovor sie die gröste Furcht und Abscheu hatte. Nun GOTT erbarmte sich endlich dieses Weibes, und halff durch leibliche und geistliche Artzney-Mittel, daß sie wieder
gesund
angefochtenen Weibe
ſelbſt Hand an ſich legen. Darbey hatte ſie, wie oben gleichfalls ſchon gedacht, noch einen andern Zufall. Sie wurde mit einem Bilde und Idée im Gemuͤthe geplaget, als ob ſie ihre Kinder mit Grimm und Furore anfiele, und ſie erwuͤrgete: und hatte doch keine Reitzung noch Luſt dazu. HErr JEſus, rieff ſie aus, ich liebe nichts ſo ſehr auf Erden, als meine Kinder, ſie haben mir nichts gethan, und es iſt mir doch immer, als wenn ich ſie anfiele und ermordete; ſo daß ich meine Haͤnde kaum ent- halten kan. Sie bat auch, man moͤchte ſie nicht alleine laßen, oder ihr die Haͤnde binden, damit ſie ſich nicht an ihnen vergriffe. Die- ſer Afſect war mir gar wohl bekannt, denn ich wuſte davon aus der Erfahrung zu reden, und mag hier nicht wiederholen, was ich ſchon an einem andern Orte davon erzehlet habe. Das beſte war, daß dieſe Maͤurerin bey ſolchem Zu- ſtande ihres Verſtandes nicht beraubet wurde; denn daferne ſolches geſchehen waͤre, ſo wolte ich wer weiß was wetten, daß ſie die Kinder wuͤrde angefallen, und ohne Verſtand nach dem Bilde gewuͤrcket haben, was ſie im Kopffe hatte, und das gethan, wovor ſie die groͤſte Furcht und Abſcheu hatte. Nun GOTT erbarmte ſich endlich dieſes Weibes, und halff durch leibliche und geiſtliche Artzney-Mittel, daß ſie wieder
geſund
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angefochtenen Weibe
ſelbſt Hand an ſich legen. Darbey hatte ſie,
wie oben gleichfalls ſchon gedacht, noch einen
andern Zufall. Sie wurde mit einem Bilde
und Idée im Gemuͤthe geplaget, als ob ſie ihre
Kinder mit Grimm und Furore anfiele, und
ſie erwuͤrgete: und hatte doch keine Reitzung
noch Luſt dazu. HErr JEſus, rieff ſie aus,
ich liebe nichts ſo ſehr auf Erden, als meine
Kinder, ſie haben mir nichts gethan, und es iſt
mir doch immer, als wenn ich ſie anfiele und
ermordete; ſo daß ich meine Haͤnde kaum ent-
halten kan. Sie bat auch, man moͤchte ſie
nicht alleine laßen, oder ihr die Haͤnde binden,
damit ſie ſich nicht an ihnen vergriffe. Die-
ſer Afſect war mir gar wohl bekannt, denn ich
wuſte davon aus der Erfahrung zu reden, und
mag hier nicht wiederholen, was ich ſchon an
einem andern Orte davon erzehlet habe. Das
beſte war, daß dieſe Maͤurerin bey ſolchem Zu-
ſtande ihres Verſtandes nicht beraubet wurde;
denn daferne ſolches geſchehen waͤre, ſo wolte
ich wer weiß was wetten, daß ſie die Kinder
wuͤrde angefallen, und ohne Verſtand nach dem
Bilde gewuͤrcket haben, was ſie im Kopffe hatte,
und das gethan, wovor ſie die groͤſte Furcht und
Abſcheu hatte. Nun GOTT erbarmte ſich
endlich dieſes Weibes, und halff durch leibliche
und geiſtliche Artzney-Mittel, daß ſie wieder
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/664>, abgerufen am 22.11.2024.
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