und elende Creaturen am Leibe und am Gemüthe werden, und vielen unordentlichen Affecten und Neigungen unterworffen sind. Zu solcher schwa- chen Leibes-Constitution mag auch ein großes beygetragen haben das starcke Nasen-Bluten, so ich, so viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge- habt, welches einst vom Morgen bis auf den Abend gewähret, so daß schier kein Leben mehr in mir gewesen. Jch besinne mich noch gantz ei- gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge, und insonderheit Küh- oder Pferde-Mist vor die Nase gehalten, um das Blut zu stillen, und das Leben zu retten.
Anno 1680. 83. §. 6.
Uberhaupt kan ich sehr weit zurücke dencken, so daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner ersten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck in das Gehirne müssen gemacht haben, und mein Gedächtniß sehr gut seyn muß, so ich von der Na- tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob es gestern geschehen wäre, daß man mich in einer Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin- dern nicht nur thut, wenn sie auf die Welt kom- men, sondern auch noch im ersten und andern Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner Heimath bey den Leuten gar gewöhnlich und be-
kannt,
B
Wird in ſeinem 6. Jahre
und elende Creaturen am Leibe und am Gemuͤthe werden, und vielen unordentlichen Affecten und Neigungen unterworffen ſind. Zu ſolcher ſchwa- chen Leibes-Conſtitution mag auch ein großes beygetragen haben das ſtarcke Naſen-Bluten, ſo ich, ſo viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge- habt, welches einſt vom Morgen bis auf den Abend gewaͤhret, ſo daß ſchier kein Leben mehr in mir geweſen. Jch beſinne mich noch gantz ei- gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge, und inſonderheit Kuͤh- oder Pferde-Miſt vor die Naſe gehalten, um das Blut zu ſtillen, und das Leben zu retten.
Anno 1680. 83. §. 6.
Uberhaupt kan ich ſehr weit zuruͤcke dencken, ſo daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner erſten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck in das Gehirne muͤſſen gemacht haben, und mein Gedaͤchtniß ſehr gut ſeyn muß, ſo ich von der Na- tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob es geſtern geſchehen waͤre, daß man mich in einer Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin- dern nicht nur thut, wenn ſie auf die Welt kom- men, ſondern auch noch im erſten und andern Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner Heimath bey den Leuten gar gewoͤhnlich und be-
kannt,
B
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0063"n="17"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Wird in ſeinem 6. Jahre</hi></fw><lb/>
und elende Creaturen am Leibe und am Gemuͤthe<lb/>
werden, und vielen unordentlichen <hirendition="#aq">Affect</hi>en und<lb/>
Neigungen unterworffen ſind. Zu ſolcher ſchwa-<lb/>
chen Leibes-<hirendition="#aq">Conſtitution</hi> mag auch ein großes<lb/>
beygetragen haben das ſtarcke Naſen-Bluten,<lb/>ſo ich, ſo viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge-<lb/>
habt, welches einſt vom Morgen bis auf den<lb/>
Abend gewaͤhret, ſo daß ſchier kein Leben mehr<lb/>
in mir geweſen. Jch beſinne mich noch gantz ei-<lb/>
gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge,<lb/>
und inſonderheit Kuͤh- oder Pferde-Miſt vor die<lb/>
Naſe gehalten, um das Blut zu ſtillen, und das<lb/>
Leben zu retten.</p></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#aq"><hirendition="#g">Anno</hi></hi> 1680. 83.<lb/>
§. 6.</head><lb/><p>Uberhaupt kan ich ſehr weit zuruͤcke dencken,<lb/>ſo daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner<lb/>
erſten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck<lb/>
in das Gehirne muͤſſen gemacht haben, und mein<lb/>
Gedaͤchtniß ſehr gut ſeyn muß, ſo ich von der Na-<lb/>
tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob<lb/>
es geſtern geſchehen waͤre, daß man mich in einer<lb/>
Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin-<lb/>
dern nicht nur thut, wenn ſie auf die Welt kom-<lb/>
men, ſondern auch noch im erſten und andern<lb/>
Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner<lb/>
Heimath bey den Leuten gar gewoͤhnlich und be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B</fw><fwplace="bottom"type="catch">kannt,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[17/0063]
Wird in ſeinem 6. Jahre
und elende Creaturen am Leibe und am Gemuͤthe
werden, und vielen unordentlichen Affecten und
Neigungen unterworffen ſind. Zu ſolcher ſchwa-
chen Leibes-Conſtitution mag auch ein großes
beygetragen haben das ſtarcke Naſen-Bluten,
ſo ich, ſo viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge-
habt, welches einſt vom Morgen bis auf den
Abend gewaͤhret, ſo daß ſchier kein Leben mehr
in mir geweſen. Jch beſinne mich noch gantz ei-
gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge,
und inſonderheit Kuͤh- oder Pferde-Miſt vor die
Naſe gehalten, um das Blut zu ſtillen, und das
Leben zu retten.
Anno 1680. 83.
§. 6.
Uberhaupt kan ich ſehr weit zuruͤcke dencken,
ſo daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner
erſten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck
in das Gehirne muͤſſen gemacht haben, und mein
Gedaͤchtniß ſehr gut ſeyn muß, ſo ich von der Na-
tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob
es geſtern geſchehen waͤre, daß man mich in einer
Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin-
dern nicht nur thut, wenn ſie auf die Welt kom-
men, ſondern auch noch im erſten und andern
Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner
Heimath bey den Leuten gar gewoͤhnlich und be-
kannt,
B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/63>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.