Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Wird in seinem 6. Jahre
und elende Creaturen am Leibe und am Gemüthe
werden, und vielen unordentlichen Affecten und
Neigungen unterworffen sind. Zu solcher schwa-
chen Leibes-Constitution mag auch ein großes
beygetragen haben das starcke Nasen-Bluten,
so ich, so viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge-
habt, welches einst vom Morgen bis auf den
Abend gewähret, so daß schier kein Leben mehr
in mir gewesen. Jch besinne mich noch gantz ei-
gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge,
und insonderheit Küh- oder Pferde-Mist vor die
Nase gehalten, um das Blut zu stillen, und das
Leben zu retten.

Anno 1680. 83.
§. 6.

Uberhaupt kan ich sehr weit zurücke dencken,
so daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner
ersten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck
in das Gehirne müssen gemacht haben, und mein
Gedächtniß sehr gut seyn muß, so ich von der Na-
tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob
es gestern geschehen wäre, daß man mich in einer
Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin-
dern nicht nur thut, wenn sie auf die Welt kom-
men, sondern auch noch im ersten und andern
Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner
Heimath bey den Leuten gar gewöhnlich und be-

kannt,
B

Wird in ſeinem 6. Jahre
und elende Creaturen am Leibe und am Gemuͤthe
werden, und vielen unordentlichen Affecten und
Neigungen unterworffen ſind. Zu ſolcher ſchwa-
chen Leibes-Conſtitution mag auch ein großes
beygetragen haben das ſtarcke Naſen-Bluten,
ſo ich, ſo viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge-
habt, welches einſt vom Morgen bis auf den
Abend gewaͤhret, ſo daß ſchier kein Leben mehr
in mir geweſen. Jch beſinne mich noch gantz ei-
gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge,
und inſonderheit Kuͤh- oder Pferde-Miſt vor die
Naſe gehalten, um das Blut zu ſtillen, und das
Leben zu retten.

Anno 1680. 83.
§. 6.

Uberhaupt kan ich ſehr weit zuruͤcke dencken,
ſo daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner
erſten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck
in das Gehirne muͤſſen gemacht haben, und mein
Gedaͤchtniß ſehr gut ſeyn muß, ſo ich von der Na-
tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob
es geſtern geſchehen waͤre, daß man mich in einer
Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin-
dern nicht nur thut, wenn ſie auf die Welt kom-
men, ſondern auch noch im erſten und andern
Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner
Heimath bey den Leuten gar gewoͤhnlich und be-

kannt,
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Wird in &#x017F;einem 6. Jahre</hi></fw><lb/>
und elende Creaturen am Leibe und am Gemu&#x0364;the<lb/>
werden, und vielen unordentlichen <hi rendition="#aq">Affect</hi>en und<lb/>
Neigungen unterworffen &#x017F;ind. Zu &#x017F;olcher &#x017F;chwa-<lb/>
chen Leibes-<hi rendition="#aq">Con&#x017F;titution</hi> mag auch ein großes<lb/>
beygetragen haben das &#x017F;tarcke Na&#x017F;en-Bluten,<lb/>
&#x017F;o ich, &#x017F;o viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge-<lb/>
habt, welches ein&#x017F;t vom Morgen bis auf den<lb/>
Abend gewa&#x0364;hret, &#x017F;o daß &#x017F;chier kein Leben mehr<lb/>
in mir gewe&#x017F;en. Jch be&#x017F;inne mich noch gantz ei-<lb/>
gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge,<lb/>
und in&#x017F;onderheit Ku&#x0364;h- oder Pferde-Mi&#x017F;t vor die<lb/>
Na&#x017F;e gehalten, um das Blut zu &#x017F;tillen, und das<lb/>
Leben zu retten.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Anno</hi></hi> 1680. 83.<lb/>
§. 6.</head><lb/>
        <p>Uberhaupt kan ich &#x017F;ehr weit zuru&#x0364;cke dencken,<lb/>
&#x017F;o daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner<lb/>
er&#x017F;ten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck<lb/>
in das Gehirne mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gemacht haben, und mein<lb/>
Geda&#x0364;chtniß &#x017F;ehr gut &#x017F;eyn muß, &#x017F;o ich von der Na-<lb/>
tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob<lb/>
es ge&#x017F;tern ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re, daß man mich in einer<lb/>
Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin-<lb/>
dern nicht nur thut, wenn &#x017F;ie auf die Welt kom-<lb/>
men, &#x017F;ondern auch noch im er&#x017F;ten und andern<lb/>
Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner<lb/>
Heimath bey den Leuten gar gewo&#x0364;hnlich und be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">kannt,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0063] Wird in ſeinem 6. Jahre und elende Creaturen am Leibe und am Gemuͤthe werden, und vielen unordentlichen Affecten und Neigungen unterworffen ſind. Zu ſolcher ſchwa- chen Leibes-Conſtitution mag auch ein großes beygetragen haben das ſtarcke Naſen-Bluten, ſo ich, ſo viel ich mich erinnere, im 5. Jahre ge- habt, welches einſt vom Morgen bis auf den Abend gewaͤhret, ſo daß ſchier kein Leben mehr in mir geweſen. Jch beſinne mich noch gantz ei- gen, wie man mir dazumal allerhand Dinge, und inſonderheit Kuͤh- oder Pferde-Miſt vor die Naſe gehalten, um das Blut zu ſtillen, und das Leben zu retten. Anno 1680. 83. §. 6. Uberhaupt kan ich ſehr weit zuruͤcke dencken, ſo daß die Dinge, die mir in den Jahren meiner erſten Kindheit begegnet, einen tieffen Eindruck in das Gehirne muͤſſen gemacht haben, und mein Gedaͤchtniß ſehr gut ſeyn muß, ſo ich von der Na- tur bekommen. Es gedencket mich noch, als ob es geſtern geſchehen waͤre, daß man mich in einer Mulde gebadet, welches man bey mir an den Kin- dern nicht nur thut, wenn ſie auf die Welt kom- men, ſondern auch noch im erſten und andern Jahre; dannenhero die Redens-Art in meiner Heimath bey den Leuten gar gewoͤhnlich und be- kannt, B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/63
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/63>, abgerufen am 25.11.2024.