Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

auf die Predigten,
Maaß der ordentlichen Wärme hat, ist schon
fähig mir dieses Ubel zu erregen. Große Kälte
im Winter, und große Hitze im Sommer ha-
ben allemahl mir diese Plage verursachet. Und
wie ich oben erwehnet, wenn ich nur höre von
Durchfällen, und der rothen Ruhr reden, so ist
meine Phantasie so ansteckend, und so starck, daß
ich denselben Tag wegen Oeffnung des Leibes
nicht bekümmert seyn darff. Jch fragte einst
einen Medicum, der des Abends mit mir einem
Verstorbenen das Geleite zu seiner Ruhestätte
gab, was doch die Ursache solcher Durchfälle, und
Leibes-Constitution wäre, welcher mir zur Ant-
wort gab: die Sensibilitas naturae, welche bey
mir so groß, wäre daran Ursache; welche dun-
ckele, und schlechte Ration aber mein philosophi-
scher, und zu Demonstrationibus a priori ge-
wöhnter Magen nicht wohl vertragen kunte.

Und nur dir zu zeigen, wie schwach meine
Natur schon Anno 1715. gewesen, so beredete mich
dazumahl ein gewisser Medicus, eine Laxation ein-
zunehmen. Jch sagte ihm, er solte mir es
ja nicht starck geben; denn ich hätte schon meine
ordentliche Laxier-Pillen, deren mäßige Wür-
ckung mir bekannt wären. Er meynte aber,
ich solte dafür nicht sorgen; denn es wäre so
schwach, daß es aufs höchste drey, oder viermahl
seine Würckung nur thun würde; und siehe, da

ich

auf die Predigten,
Maaß der ordentlichen Waͤrme hat, iſt ſchon
faͤhig mir dieſes Ubel zu erregen. Große Kaͤlte
im Winter, und große Hitze im Sommer ha-
ben allemahl mir dieſe Plage verurſachet. Und
wie ich oben erwehnet, wenn ich nur hoͤre von
Durchfaͤllen, und der rothen Ruhr reden, ſo iſt
meine Phantaſie ſo anſteckend, und ſo ſtarck, daß
ich denſelben Tag wegen Oeffnung des Leibes
nicht bekuͤmmert ſeyn darff. Jch fragte einſt
einen Medicum, der des Abends mit mir einem
Verſtorbenen das Geleite zu ſeiner Ruheſtaͤtte
gab, was doch die Urſache ſolcher Durchfaͤlle, und
Leibes-Conſtitution waͤre, welcher mir zur Ant-
wort gab: die Senſibilitas naturæ, welche bey
mir ſo groß, waͤre daran Urſache; welche dun-
ckele, und ſchlechte Ration aber mein philoſophi-
ſcher, und zu Demonſtrationibus a priori ge-
woͤhnter Magen nicht wohl vertragen kunte.

Und nur dir zu zeigen, wie ſchwach meine
Natur ſchon Anno 1715. geweſen, ſo beredete mich
dazumahl ein gewiſſer Medicus, eine Laxation ein-
zunehmen. Jch ſagte ihm, er ſolte mir es
ja nicht ſtarck geben; denn ich haͤtte ſchon meine
ordentliche Laxier-Pillen, deren maͤßige Wuͤr-
ckung mir bekannt waͤren. Er meynte aber,
ich ſolte dafuͤr nicht ſorgen; denn es waͤre ſo
ſchwach, daß es aufs hoͤchſte drey, oder viermahl
ſeine Wuͤrckung nur thun wuͤrde; und ſiehe, da

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0620" n="574"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">auf die Predigten,</hi></fw><lb/>
Maaß der ordentlichen Wa&#x0364;rme hat, i&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
fa&#x0364;hig mir die&#x017F;es Ubel zu erregen. Große Ka&#x0364;lte<lb/>
im Winter, und große Hitze im Sommer ha-<lb/>
ben allemahl mir die&#x017F;e Plage verur&#x017F;achet. Und<lb/>
wie ich oben erwehnet, wenn ich nur ho&#x0364;re von<lb/>
Durchfa&#x0364;llen, und der rothen Ruhr reden, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
meine <hi rendition="#aq">Phanta&#x017F;ie</hi> &#x017F;o an&#x017F;teckend, und &#x017F;o &#x017F;tarck, daß<lb/>
ich den&#x017F;elben Tag wegen Oeffnung des Leibes<lb/>
nicht beku&#x0364;mmert &#x017F;eyn darff. Jch fragte ein&#x017F;t<lb/>
einen <hi rendition="#aq">Medicum,</hi> der des Abends mit mir einem<lb/>
Ver&#x017F;torbenen das Geleite zu &#x017F;einer Ruhe&#x017F;ta&#x0364;tte<lb/>
gab, was doch die Ur&#x017F;ache &#x017F;olcher Durchfa&#x0364;lle, und<lb/>
Leibes-<hi rendition="#aq">Con&#x017F;titution</hi> wa&#x0364;re, welcher mir zur Ant-<lb/>
wort gab: die <hi rendition="#aq">Sen&#x017F;ibilitas naturæ,</hi> welche bey<lb/>
mir &#x017F;o groß, wa&#x0364;re daran Ur&#x017F;ache; welche dun-<lb/>
ckele, und &#x017F;chlechte <hi rendition="#aq">Ration</hi> aber mein <hi rendition="#aq">philo&#x017F;ophi-</hi><lb/>
&#x017F;cher, und zu <hi rendition="#aq">Demon&#x017F;trationibus a priori</hi> ge-<lb/>
wo&#x0364;hnter Magen nicht wohl vertragen kunte.</p><lb/>
        <p>Und nur dir zu zeigen, wie &#x017F;chwach meine<lb/>
Natur &#x017F;chon <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1715. gewe&#x017F;en, &#x017F;o beredete mich<lb/>
dazumahl ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Medicus,</hi> eine <hi rendition="#aq">Laxation</hi> ein-<lb/>
zunehmen. Jch &#x017F;agte ihm, er &#x017F;olte mir es<lb/>
ja nicht &#x017F;tarck geben; denn ich ha&#x0364;tte &#x017F;chon meine<lb/>
ordentliche <hi rendition="#aq">Laxier-</hi>Pillen, deren ma&#x0364;ßige Wu&#x0364;r-<lb/>
ckung mir bekannt wa&#x0364;ren. Er meynte aber,<lb/>
ich &#x017F;olte dafu&#x0364;r nicht &#x017F;orgen; denn es wa&#x0364;re &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwach, daß es aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te drey, oder viermahl<lb/>
&#x017F;eine Wu&#x0364;rckung nur thun wu&#x0364;rde; und &#x017F;iehe, da<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[574/0620] auf die Predigten, Maaß der ordentlichen Waͤrme hat, iſt ſchon faͤhig mir dieſes Ubel zu erregen. Große Kaͤlte im Winter, und große Hitze im Sommer ha- ben allemahl mir dieſe Plage verurſachet. Und wie ich oben erwehnet, wenn ich nur hoͤre von Durchfaͤllen, und der rothen Ruhr reden, ſo iſt meine Phantaſie ſo anſteckend, und ſo ſtarck, daß ich denſelben Tag wegen Oeffnung des Leibes nicht bekuͤmmert ſeyn darff. Jch fragte einſt einen Medicum, der des Abends mit mir einem Verſtorbenen das Geleite zu ſeiner Ruheſtaͤtte gab, was doch die Urſache ſolcher Durchfaͤlle, und Leibes-Conſtitution waͤre, welcher mir zur Ant- wort gab: die Senſibilitas naturæ, welche bey mir ſo groß, waͤre daran Urſache; welche dun- ckele, und ſchlechte Ration aber mein philoſophi- ſcher, und zu Demonſtrationibus a priori ge- woͤhnter Magen nicht wohl vertragen kunte. Und nur dir zu zeigen, wie ſchwach meine Natur ſchon Anno 1715. geweſen, ſo beredete mich dazumahl ein gewiſſer Medicus, eine Laxation ein- zunehmen. Jch ſagte ihm, er ſolte mir es ja nicht ſtarck geben; denn ich haͤtte ſchon meine ordentliche Laxier-Pillen, deren maͤßige Wuͤr- ckung mir bekannt waͤren. Er meynte aber, ich ſolte dafuͤr nicht ſorgen; denn es waͤre ſo ſchwach, daß es aufs hoͤchſte drey, oder viermahl ſeine Wuͤrckung nur thun wuͤrde; und ſiehe, da ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/620
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/620>, abgerufen am 05.12.2024.