das erste innerliche große Haupt-Stücke aller Hei- ligkeit, und Gottseligkeit wären, weil solche Stücke ohne darauf folgenden geänderten und gebesserten Verstandund Willen nicht können concipiret und verstanden werden, und daß also in Wahrheit das gröste und erste Stücke der Gottseligkeit und Heilig- keit vor der Rechtfertigung vorher gienge, und der constans voluntas pie vivendi, oder gottselig zu leben so gut schon als eine Gottseligkeit zu achten, als etwan constans voluntas suum cuique tri- buendi, und der beständige Wille einem ieden das seinige zu geben, eine Gerechtigkeit gegen den Nächsten zu nennen, wenn gleich die Aus- übung und Wercke der Gerechtigkeit erst hernach folgten: daß GOtt gerecht sey, nach Johan- nis Zeugniß, wenn er Sünde vergiebt, weil er solche der Busse und dem Glauben verheissen, und daß folgentlich die Stücke, die der Heilige Geist vor der Rechtfertigung würcket, ein meritum de congruo, und ein Verdienst in gelindem Ver- stande könne genennet werden, wenn ein Verdienst mehr nicht ist, als eine freye That, welcher man ei- nen Lohn zu geben verheissen, und wenn die Worte: Vermöge der Gerechtigkeit,seu ex justitia nur so viel heissen sollen, als ex promis- sione, oder weil es GOtt zugesaget. Das waren NB. damahls meine Gedancken, wie ich
solche
unter vielen Religions-Scrupeln,
das erſte innerliche große Haupt-Stuͤcke aller Hei- ligkeit, und Gottſeligkeit waͤren, weil ſolche Stuͤcke ohne darauf folgenden geaͤnderten und gebeſſerten Verſtandund Willen nicht koͤnnen concipiret und verſtanden werden, und daß alſo in Wahrheit das groͤſte und erſte Stuͤcke der Gottſeligkeit und Heilig- keit vor der Rechtfertigung vorher gienge, und der conſtans voluntas pie vivendi, oder gottſelig zu leben ſo gut ſchon als eine Gottſeligkeit zu achten, als etwan conſtans voluntas ſuum cuique tri- buendi, und der beſtaͤndige Wille einem ieden das ſeinige zu geben, eine Gerechtigkeit gegen den Naͤchſten zu nennen, wenn gleich die Aus- uͤbung und Wercke der Gerechtigkeit erſt hernach folgten: daß GOtt gerecht ſey, nach Johan- nis Zeugniß, wenn er Suͤnde vergiebt, weil er ſolche der Buſſe und dem Glauben verheiſſen, und daß folgentlich die Stuͤcke, die der Heilige Geiſt vor der Rechtfertigung wuͤrcket, ein meritum de congruo, und ein Verdienſt in gelindem Ver- ſtande koͤnne genennet werden, wenn ein Verdienſt mehr nicht iſt, als eine freye That, welcher man ei- nen Lohn zu geben verheiſſen, und wenn die Worte: Vermoͤge der Gerechtigkeit,ſeu ex juſtitia nur ſo viel heiſſen ſollen, als ex promis- ſione, oder weil es GOtt zugeſaget. Das waren NB. damahls meine Gedancken, wie ich
ſolche
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0554"n="508"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">unter vielen Religions-Scrupeln,</hi></fw><lb/>
das erſte innerliche große Haupt-Stuͤcke aller Hei-<lb/>
ligkeit, und Gottſeligkeit waͤren, weil ſolche Stuͤcke<lb/>
ohne darauf folgenden geaͤnderten und gebeſſerten<lb/>
Verſtandund Willen nicht koͤnnen <hirendition="#aq">concipi</hi>ret und<lb/>
verſtanden werden, und daß alſo in Wahrheit das<lb/>
groͤſte und erſte Stuͤcke der Gottſeligkeit und Heilig-<lb/>
keit vor der Rechtfertigung vorher gienge, und der<lb/><hirendition="#aq">conſtans voluntas pie vivendi,</hi> oder gottſelig zu<lb/>
leben ſo gut ſchon als eine Gottſeligkeit zu achten,<lb/>
als etwan <hirendition="#aq">conſtans voluntas ſuum cuique tri-<lb/>
buendi,</hi> und der beſtaͤndige Wille einem ieden<lb/>
das ſeinige zu geben, eine Gerechtigkeit gegen<lb/>
den Naͤchſten zu nennen, wenn gleich die Aus-<lb/>
uͤbung und Wercke der Gerechtigkeit erſt hernach<lb/>
folgten: daß GOtt gerecht ſey, nach <hirendition="#aq">Johan-<lb/>
nis</hi> Zeugniß, wenn er Suͤnde vergiebt, weil er<lb/>ſolche der Buſſe und dem Glauben verheiſſen, und<lb/>
daß folgentlich die Stuͤcke, die der Heilige Geiſt<lb/>
vor der Rechtfertigung wuͤrcket, ein <hirendition="#aq">meritum<lb/>
de congruo,</hi> und ein Verdienſt in gelindem Ver-<lb/>ſtande koͤnne genennet werden, wenn ein Verdienſt<lb/>
mehr nicht iſt, als eine freye That, welcher man ei-<lb/>
nen Lohn zu geben verheiſſen, und wenn die<lb/>
Worte: <hirendition="#fr">Vermoͤge der Gerechtigkeit,</hi><hirendition="#aq">ſeu ex<lb/>
juſtitia</hi> nur ſo viel heiſſen ſollen, als <hirendition="#aq">ex promis-<lb/>ſione,</hi> oder weil es GOtt zugeſaget. Das<lb/>
waren <hirendition="#aq">NB.</hi> damahls meine Gedancken, wie ich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſolche</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[508/0554]
unter vielen Religions-Scrupeln,
das erſte innerliche große Haupt-Stuͤcke aller Hei-
ligkeit, und Gottſeligkeit waͤren, weil ſolche Stuͤcke
ohne darauf folgenden geaͤnderten und gebeſſerten
Verſtandund Willen nicht koͤnnen concipiret und
verſtanden werden, und daß alſo in Wahrheit das
groͤſte und erſte Stuͤcke der Gottſeligkeit und Heilig-
keit vor der Rechtfertigung vorher gienge, und der
conſtans voluntas pie vivendi, oder gottſelig zu
leben ſo gut ſchon als eine Gottſeligkeit zu achten,
als etwan conſtans voluntas ſuum cuique tri-
buendi, und der beſtaͤndige Wille einem ieden
das ſeinige zu geben, eine Gerechtigkeit gegen
den Naͤchſten zu nennen, wenn gleich die Aus-
uͤbung und Wercke der Gerechtigkeit erſt hernach
folgten: daß GOtt gerecht ſey, nach Johan-
nis Zeugniß, wenn er Suͤnde vergiebt, weil er
ſolche der Buſſe und dem Glauben verheiſſen, und
daß folgentlich die Stuͤcke, die der Heilige Geiſt
vor der Rechtfertigung wuͤrcket, ein meritum
de congruo, und ein Verdienſt in gelindem Ver-
ſtande koͤnne genennet werden, wenn ein Verdienſt
mehr nicht iſt, als eine freye That, welcher man ei-
nen Lohn zu geben verheiſſen, und wenn die
Worte: Vermoͤge der Gerechtigkeit, ſeu ex
juſtitia nur ſo viel heiſſen ſollen, als ex promis-
ſione, oder weil es GOtt zugeſaget. Das
waren NB. damahls meine Gedancken, wie ich
ſolche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/554>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.