Brief kaum bestellt, so schickte D. Günther zu mir, und zohe die Vocation herfür, die er bey sich hatte, und welche sie ihm zugeschickt, mir einzuhändigen. Er redete groß, und mit sol- cher Autorität, als wenn lauter besondere Provi- denzen und Schickungen GOttes hier vorhanden wären, als noch irgends iemahls gewesen. Aber man fängt einen nicht leicht zweymahl; i gat- tucci hanno aperti gli occhi, dacht ich. Anno 1707. hatte er durch seine Simulation und Dissi- mulation bey mir alles erhalten, was er gesu- chet: also war ietzt seine Verstellung gantz vergebens, so daß ich unmöglich eine Göttliche Vocation da zu seyn glauben konte, wo man nur getrachtet hatte, sich einen vom Halse zu schaffen, damit einem andern der Weg zur Be- förderung dadurch möchte geöffnet werden. Jch ließ ihn ziemlich hart an, und wolte wissen, warum er so viel Leute wider mich aufgebracht, ohne mir ein einziges Wort zu sagen, und mich erst zu fragen, ob ich eine Schul-Stelle an- nehmen wolte. Jch hätte mein Tage zu ei- nem Schul-Manne keine Lust gehabt, besäße auch die Conduite und Qualitäten nicht, die zu einem Schul-Rectore erfordert würden. Und das war wahr. Hatte ich schon so viel Philosophie studiret, als vor Gymnasiasten ge- nug ist: und war ich schon auch in humanio-
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ihn zu bewegen ſuchten,
Brief kaum beſtellt, ſo ſchickte D. Guͤnther zu mir, und zohe die Vocation herfuͤr, die er bey ſich hatte, und welche ſie ihm zugeſchickt, mir einzuhaͤndigen. Er redete groß, und mit ſol- cher Autoritaͤt, als wenn lauter beſondere Provi- denzen und Schickungen GOttes hier vorhanden waͤren, als noch irgends iemahls geweſen. Aber man faͤngt einen nicht leicht zweymahl; i gat- tucci hanno aperti gli occhi, dacht ich. Anno 1707. hatte er durch ſeine Simulation und Diſſi- mulation bey mir alles erhalten, was er geſu- chet: alſo war ietzt ſeine Verſtellung gantz vergebens, ſo daß ich unmoͤglich eine Goͤttliche Vocation da zu ſeyn glauben konte, wo man nur getrachtet hatte, ſich einen vom Halſe zu ſchaffen, damit einem andern der Weg zur Be- foͤrderung dadurch moͤchte geoͤffnet werden. Jch ließ ihn ziemlich hart an, und wolte wiſſen, warum er ſo viel Leute wider mich aufgebracht, ohne mir ein einziges Wort zu ſagen, und mich erſt zu fragen, ob ich eine Schul-Stelle an- nehmen wolte. Jch haͤtte mein Tage zu ei- nem Schul-Manne keine Luſt gehabt, beſaͤße auch die Conduite und Qualitaͤten nicht, die zu einem Schul-Rectore erfordert wuͤrden. Und das war wahr. Hatte ich ſchon ſo viel Philoſophie ſtudiret, als vor Gymnaſiaſten ge- nug iſt: und war ich ſchon auch in humanio-
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ihn zu bewegen ſuchten,
Brief kaum beſtellt, ſo ſchickte D. Guͤnther zu
mir, und zohe die Vocation herfuͤr, die er bey
ſich hatte, und welche ſie ihm zugeſchickt, mir
einzuhaͤndigen. Er redete groß, und mit ſol-
cher Autoritaͤt, als wenn lauter beſondere Provi-
denzen und Schickungen GOttes hier vorhanden
waͤren, als noch irgends iemahls geweſen. Aber
man faͤngt einen nicht leicht zweymahl; i gat-
tucci hanno aperti gli occhi, dacht ich. Anno
1707. hatte er durch ſeine Simulation und Diſſi-
mulation bey mir alles erhalten, was er geſu-
chet: alſo war ietzt ſeine Verſtellung gantz
vergebens, ſo daß ich unmoͤglich eine Goͤttliche
Vocation da zu ſeyn glauben konte, wo man
nur getrachtet hatte, ſich einen vom Halſe zu
ſchaffen, damit einem andern der Weg zur Be-
foͤrderung dadurch moͤchte geoͤffnet werden.
Jch ließ ihn ziemlich hart an, und wolte wiſſen,
warum er ſo viel Leute wider mich aufgebracht,
ohne mir ein einziges Wort zu ſagen, und mich
erſt zu fragen, ob ich eine Schul-Stelle an-
nehmen wolte. Jch haͤtte mein Tage zu ei-
nem Schul-Manne keine Luſt gehabt, beſaͤße
auch die Conduite und Qualitaͤten nicht, die
zu einem Schul-Rectore erfordert wuͤrden.
Und das war wahr. Hatte ich ſchon ſo viel
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/547>, abgerufen am 22.11.2024.
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