seine Stimme in den zerschellten Brüchen des Lutherischen Zions, als eine Posaune, erschal- len laßen.
Der Herr Inspector Neumann wurde durch den Tod seines Sohnes auf das empfind- lichste gerühret. Er hatte alle seine Hoff- nung auf ihn gesetzet; denn nach seinem Ab- sehen solte er einst das Lexicon Hebraicum, das er selbst, nemlich der Vater, angefangen, und in welchem er den Ebräischen Buchstaben vim significandi hieroglyphicam gab, und aus der Figur der Buchstaben den Verstand er- zwingen wolte, fortsetzen, und solten nicht nur D. Loescher, und Zierold, sondern alle Theo- logische Welt nach seiner Methode die Hebräi- schen Wörter analysiren, und die Schrifft er- klären. Man sagt, er habe nach der Zeit in alle Stamm-Bücher geschrieben: O va- nitas vanitatum, & omnia vanitas! Doch es begegnete ihm, was ihm viel in Breßlau pro- phezeyet hatten, mich dadurch aufzurichten, bey den Bewegungen, die er wider mich vor diesem erregte, alß ich zu Hause, und von de- nen die gantze Stadt voll war. Er hat auch einen Sohn, sprach der Rector Hancke zu mir; wer weiß, wie es demselben in der Fremde gehet, wenn er anderer Leute Kinder drücket, und macht, daß sie ihr Vaterland auf
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und D. Neumann in Wittenberg,
ſeine Stimme in den zerſchellten Bruͤchen des Lutheriſchen Zions, als eine Poſaune, erſchal- len laßen.
Der Herr Inſpector Neumann wurde durch den Tod ſeines Sohnes auf das empfind- lichſte geruͤhret. Er hatte alle ſeine Hoff- nung auf ihn geſetzet; denn nach ſeinem Ab- ſehen ſolte er einſt das Lexicon Hebraicum, das er ſelbſt, nemlich der Vater, angefangen, und in welchem er den Ebraͤiſchen Buchſtaben vim ſignificandi hieroglyphicam gab, und aus der Figur der Buchſtaben den Verſtand er- zwingen wolte, fortſetzen, und ſolten nicht nur D. Lœſcher, und Zierold, ſondern alle Theo- logiſche Welt nach ſeiner Methode die Hebraͤi- ſchen Woͤrter analyſiren, und die Schrifft er- klaͤren. Man ſagt, er habe nach der Zeit in alle Stamm-Buͤcher geſchrieben: O va- nitas vanitatum, & omnia vanitas! Doch es begegnete ihm, was ihm viel in Breßlau pro- phezeyet hatten, mich dadurch aufzurichten, bey den Bewegungen, die er wider mich vor dieſem erregte, alß ich zu Hauſe, und von de- nen die gantze Stadt voll war. Er hat auch einen Sohn, ſprach der Rector Hancke zu mir; wer weiß, wie es demſelben in der Fremde gehet, wenn er anderer Leute Kinder druͤcket, und macht, daß ſie ihr Vaterland auf
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und D. Neumann in Wittenberg,
ſeine Stimme in den zerſchellten Bruͤchen des
Lutheriſchen Zions, als eine Poſaune, erſchal-
len laßen.
Der Herr Inſpector Neumann wurde
durch den Tod ſeines Sohnes auf das empfind-
lichſte geruͤhret. Er hatte alle ſeine Hoff-
nung auf ihn geſetzet; denn nach ſeinem Ab-
ſehen ſolte er einſt das Lexicon Hebraicum,
das er ſelbſt, nemlich der Vater, angefangen,
und in welchem er den Ebraͤiſchen Buchſtaben
vim ſignificandi hieroglyphicam gab, und aus
der Figur der Buchſtaben den Verſtand er-
zwingen wolte, fortſetzen, und ſolten nicht nur
D. Lœſcher, und Zierold, ſondern alle Theo-
logiſche Welt nach ſeiner Methode die Hebraͤi-
ſchen Woͤrter analyſiren, und die Schrifft er-
klaͤren. Man ſagt, er habe nach der Zeit
in alle Stamm-Buͤcher geſchrieben: O va-
nitas vanitatum, & omnia vanitas! Doch es
begegnete ihm, was ihm viel in Breßlau pro-
phezeyet hatten, mich dadurch aufzurichten,
bey den Bewegungen, die er wider mich vor
dieſem erregte, alß ich zu Hauſe, und von de-
nen die gantze Stadt voll war. Er hat auch
einen Sohn, ſprach der Rector Hancke zu
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/503>, abgerufen am 22.11.2024.
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