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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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so in Sechs-Wochen stirbet:
mir es gefallen, weil seine Kunst so probat seyn
solte. Allein, wie er gerne manchmahl einen
Tummel sich soff, noch der Gewohnheit solcher
Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein
böse Gewissen haben, und sich solche gerne ver-
treiben wollen; so hatte er just zu allem Un-
glück dazumahl ein wenig zu viel zu sich genom-
men, alß sie ihn zu meiner Schwester holeten.
Er legte selbst Hand an, und verwaltete das Amt
einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange-
hen wolte, so brauchte er Gewalt, und that et-
was, so daß man den Sohn, den meine Schwe-
ster zur Welt brachte, wohl hätte Perez heissen
mögen. Die Laesion war so groß, die er ge-
macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende
der 6. Wochen sterben muste. Das Kind
war von ungewöhnlicher Größe, und Stärcke,
und mochte meine Schwester wohl den Fehler be-
gangen haben, den manchmahl andere schwan-
gere Weiber auch begehen; die, um sich zu
stärcken, ihnen allzu gütlich thun, und das Kind
zu sehr in Mutter-Leibe mästen. Es war sonst
ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt,
aber doch schwer, und langsam dazu zu bringen.
Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da sie alleine zu
Hause, kommt ein besoffener Kerl, und will
Ein Schock Kraut-Köpffe kauffen. Sie merckt
nicht, daß er truncken; und, da er ihr die besten

Kraut-
D d 2

ſo in Sechs-Wochen ſtirbet:
mir es gefallen, weil ſeine Kunſt ſo probat ſeyn
ſolte. Allein, wie er gerne manchmahl einen
Tummel ſich ſoff, noch der Gewohnheit ſolcher
Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein
boͤſe Gewiſſen haben, und ſich ſolche gerne ver-
treiben wollen; ſo hatte er juſt zu allem Un-
gluͤck dazumahl ein wenig zu viel zu ſich genom-
men, alß ſie ihn zu meiner Schweſter holeten.
Er legte ſelbſt Hand an, und verwaltete das Amt
einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange-
hen wolte, ſo brauchte er Gewalt, und that et-
was, ſo daß man den Sohn, den meine Schwe-
ſter zur Welt brachte, wohl haͤtte Perez heiſſen
moͤgen. Die Læſion war ſo groß, die er ge-
macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende
der 6. Wochen ſterben muſte. Das Kind
war von ungewoͤhnlicher Groͤße, und Staͤrcke,
und mochte meine Schweſter wohl den Fehler be-
gangen haben, den manchmahl andere ſchwan-
gere Weiber auch begehen; die, um ſich zu
ſtaͤrcken, ihnen allzu guͤtlich thun, und das Kind
zu ſehr in Mutter-Leibe maͤſten. Es war ſonſt
ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt,
aber doch ſchwer, und langſam dazu zu bringen.
Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da ſie alleine zu
Hauſe, kommt ein beſoffener Kerl, und will
Ein Schock Kraut-Koͤpffe kauffen. Sie merckt
nicht, daß er truncken; und, da er ihr die beſten

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[419/0465] ſo in Sechs-Wochen ſtirbet: mir es gefallen, weil ſeine Kunſt ſo probat ſeyn ſolte. Allein, wie er gerne manchmahl einen Tummel ſich ſoff, noch der Gewohnheit ſolcher Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein boͤſe Gewiſſen haben, und ſich ſolche gerne ver- treiben wollen; ſo hatte er juſt zu allem Un- gluͤck dazumahl ein wenig zu viel zu ſich genom- men, alß ſie ihn zu meiner Schweſter holeten. Er legte ſelbſt Hand an, und verwaltete das Amt einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange- hen wolte, ſo brauchte er Gewalt, und that et- was, ſo daß man den Sohn, den meine Schwe- ſter zur Welt brachte, wohl haͤtte Perez heiſſen moͤgen. Die Læſion war ſo groß, die er ge- macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende der 6. Wochen ſterben muſte. Das Kind war von ungewoͤhnlicher Groͤße, und Staͤrcke, und mochte meine Schweſter wohl den Fehler be- gangen haben, den manchmahl andere ſchwan- gere Weiber auch begehen; die, um ſich zu ſtaͤrcken, ihnen allzu guͤtlich thun, und das Kind zu ſehr in Mutter-Leibe maͤſten. Es war ſonſt ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt, aber doch ſchwer, und langſam dazu zu bringen. Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da ſie alleine zu Hauſe, kommt ein beſoffener Kerl, und will Ein Schock Kraut-Koͤpffe kauffen. Sie merckt nicht, daß er truncken; und, da er ihr die beſten Kraut- D d 2

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/465>, abgerufen am 22.11.2024.