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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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zuweilen thun,
solchen Sachen ein verständiger Mann ist, sagte
mir gleich, daß ich zu viel Schleim im Leibe
hätte, und müste ich purgiren, wenn ich des
Ubels wolte los werden. Jch that es, und
siehe, was geschah? Da ich des Morgens kaum
6. bis 7. mahl zu Stuhle gegangen, ie öffterer
ich gieng, ie besser und ohne Anstoß kunte ich im
Buche fortlesen, so daß ich darzu starck genug
wurde. Wenn man das Wort Zorn nur höret,
so kan man schon an alle Dinge gedencken, so
mit dem Zorne verknüpfft sind, und wie einem
alsdenn im Leibe wird, wenn man zornig ist. Jch
habe in einem andern Tractate bereits geschrieben,
und erzehlet, daß ich einst wegen solches Gallich-
ten Schleimes im Leibe so schwach gewesen, so
daß ich mich auf der Cantzel hüten müssen, ohne
Noth das Wort Zorn, Zanck, Teufel, und an-
dere schreckliche Wörter in den Mund zu neh-
men, weil wegen Schwäche der Nerven und
des Toni mir im Leibe gleich übel, und wegen
der gewürckten kleinen Convulsionen und Spas-
mulorum
so seltsam wurde, daß ich meynte, ich
müste umfallen, daß ich auch auf der Cantzel mich
zu setzen genöthiget wurde. Jch war froh, daß
mir einst mein Nachbar, wie man mir sagte,
meinen Hund, der seine Frau incommodirte,
hatte wegfangen lassen; denn ich hätte ihn ohnedem
nicht länger behalten können. Denn wenn ich ihn

auch
T 3

zuweilen thun,
ſolchen Sachen ein verſtaͤndiger Mann iſt, ſagte
mir gleich, daß ich zu viel Schleim im Leibe
haͤtte, und muͤſte ich purgiren, wenn ich des
Ubels wolte los werden. Jch that es, und
ſiehe, was geſchah? Da ich des Morgens kaum
6. bis 7. mahl zu Stuhle gegangen, ie oͤffterer
ich gieng, ie beſſer und ohne Anſtoß kunte ich im
Buche fortleſen, ſo daß ich darzu ſtarck genug
wurde. Wenn man das Wort Zorn nur hoͤret,
ſo kan man ſchon an alle Dinge gedencken, ſo
mit dem Zorne verknuͤpfft ſind, und wie einem
alsdenn im Leibe wird, wenn man zornig iſt. Jch
habe in einem andern Tractate bereits geſchrieben,
und erzehlet, daß ich einſt wegen ſolches Gallich-
ten Schleimes im Leibe ſo ſchwach geweſen, ſo
daß ich mich auf der Cantzel huͤten muͤſſen, ohne
Noth das Wort Zorn, Zanck, Teufel, und an-
dere ſchreckliche Woͤrter in den Mund zu neh-
men, weil wegen Schwaͤche der Nerven und
des Toni mir im Leibe gleich uͤbel, und wegen
der gewuͤrckten kleinen Convulſionen und Spas-
mulorum
ſo ſeltſam wurde, daß ich meynte, ich
muͤſte umfallen, daß ich auch auf der Cantzel mich
zu ſetzen genoͤthiget wurde. Jch war froh, daß
mir einſt mein Nachbar, wie man mir ſagte,
meinen Hund, der ſeine Frau incommodirte,
hatte wegfangen laſſen; denn ich haͤtte ihn ohnedem
nicht laͤnger behalten koͤnnen. Denn wenn ich ihn

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T 3
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[293/0339] zuweilen thun, ſolchen Sachen ein verſtaͤndiger Mann iſt, ſagte mir gleich, daß ich zu viel Schleim im Leibe haͤtte, und muͤſte ich purgiren, wenn ich des Ubels wolte los werden. Jch that es, und ſiehe, was geſchah? Da ich des Morgens kaum 6. bis 7. mahl zu Stuhle gegangen, ie oͤffterer ich gieng, ie beſſer und ohne Anſtoß kunte ich im Buche fortleſen, ſo daß ich darzu ſtarck genug wurde. Wenn man das Wort Zorn nur hoͤret, ſo kan man ſchon an alle Dinge gedencken, ſo mit dem Zorne verknuͤpfft ſind, und wie einem alsdenn im Leibe wird, wenn man zornig iſt. Jch habe in einem andern Tractate bereits geſchrieben, und erzehlet, daß ich einſt wegen ſolches Gallich- ten Schleimes im Leibe ſo ſchwach geweſen, ſo daß ich mich auf der Cantzel huͤten muͤſſen, ohne Noth das Wort Zorn, Zanck, Teufel, und an- dere ſchreckliche Woͤrter in den Mund zu neh- men, weil wegen Schwaͤche der Nerven und des Toni mir im Leibe gleich uͤbel, und wegen der gewuͤrckten kleinen Convulſionen und Spas- mulorum ſo ſeltſam wurde, daß ich meynte, ich muͤſte umfallen, daß ich auch auf der Cantzel mich zu ſetzen genoͤthiget wurde. Jch war froh, daß mir einſt mein Nachbar, wie man mir ſagte, meinen Hund, der ſeine Frau incommodirte, hatte wegfangen laſſen; denn ich haͤtte ihn ohnedem nicht laͤnger behalten koͤnnen. Denn wenn ich ihn auch T 3

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/339>, abgerufen am 17.06.2024.