übele Beschaffenheit des Leibes bey vielen Jah- ren her feste gesetzet, und gleichsam zur Natur, und natürlichen Constitution geworden, so ent- stehen bey ihm wegen der genauen Connexion, so das Gehirne und die Gedancken in den Leib, und der Leib zurücke in das Gehirne und in die Seele hat, allerhand Affecten, wenn gleich keine Ubel, und keine Objecta, noch Urtheile des Verstandes von solchen Ubeln vorhanden, so die Affecten sonst erregen. Das heist, mich deut- licher zu erklären, der menschliche Leib, und dessen Gefäße, Galle, Magen, Miltz haben alsdenn eine solche kränckliche Beschaffenheit, so daß bey dem Menschen Zorn, Furcht, Angst, Auffahren, Zittern, Beben, Traurigkeit, Aengstlichkeit und Sorgfältigkeit entstehen, wenn gleich kein Objectum noch Ubel vorhanden, das ihn zum Zorn reitzet, und die Furcht erwecket; ja wenn er auch gleich sich mit den Gedancken kein abwesend Ubel, als zukünfftig oder gegen- wärtig vorstellet, noch dasselbe vor das seinige er- kennet.
Diejenigen Weltweisen erschöpffen die Sache nicht, welche von dem Ursprunge der Affecten sagen, daß sie aus den unterschiedenen Urthei- len des Verstandes, die der Mensch de bono vel malo ad se pertinente fället, herkommen. Denn ich will nicht gedencken, daß die Affecten
auch
T
einige aber doch
uͤbele Beſchaffenheit des Leibes bey vielen Jah- ren her feſte geſetzet, und gleichſam zur Natur, und natuͤrlichen Conſtitution geworden, ſo ent- ſtehen bey ihm wegen der genauen Connexion, ſo das Gehirne und die Gedancken in den Leib, und der Leib zuruͤcke in das Gehirne und in die Seele hat, allerhand Affecten, wenn gleich keine Ubel, und keine Objecta, noch Urtheile des Verſtandes von ſolchen Ubeln vorhanden, ſo die Affecten ſonſt erregen. Das heiſt, mich deut- licher zu erklaͤren, der menſchliche Leib, und deſſen Gefaͤße, Galle, Magen, Miltz haben alsdenn eine ſolche kraͤnckliche Beſchaffenheit, ſo daß bey dem Menſchen Zorn, Furcht, Angſt, Auffahren, Zittern, Beben, Traurigkeit, Aengſtlichkeit und Sorgfaͤltigkeit entſtehen, wenn gleich kein Objectum noch Ubel vorhanden, das ihn zum Zorn reitzet, und die Furcht erwecket; ja wenn er auch gleich ſich mit den Gedancken kein abweſend Ubel, als zukuͤnfftig oder gegen- waͤrtig vorſtellet, noch daſſelbe vor das ſeinige er- kennet.
Diejenigen Weltweiſen erſchoͤpffen die Sache nicht, welche von dem Urſprunge der Affecten ſagen, daß ſie aus den unterſchiedenen Urthei- len des Verſtandes, die der Menſch de bono vel malo ad ſe pertinente faͤllet, herkommen. Denn ich will nicht gedencken, daß die Affecten
auch
T
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0335"n="289"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">einige aber doch</hi></fw><lb/>
uͤbele Beſchaffenheit des Leibes bey vielen Jah-<lb/>
ren her feſte geſetzet, und gleichſam zur Natur,<lb/>
und natuͤrlichen <hirendition="#aq">Conſtitution</hi> geworden, ſo ent-<lb/>ſtehen bey ihm wegen der genauen <hirendition="#aq">Connexion,</hi><lb/>ſo das Gehirne und die Gedancken in den Leib,<lb/>
und der Leib zuruͤcke in das Gehirne und in die<lb/>
Seele hat, allerhand <hirendition="#aq">Affect</hi>en, wenn gleich keine<lb/><hirendition="#fr">Ubel,</hi> und keine <hirendition="#aq">Objecta,</hi> noch Urtheile des<lb/>
Verſtandes von ſolchen Ubeln vorhanden, ſo die<lb/><hirendition="#aq">Affect</hi>en ſonſt erregen. Das heiſt, mich deut-<lb/>
licher zu erklaͤren, der menſchliche Leib, und<lb/>
deſſen Gefaͤße, Galle, Magen, Miltz haben<lb/>
alsdenn eine ſolche kraͤnckliche Beſchaffenheit, ſo<lb/>
daß bey dem Menſchen Zorn, Furcht, Angſt,<lb/>
Auffahren, Zittern, Beben, Traurigkeit,<lb/>
Aengſtlichkeit und Sorgfaͤltigkeit entſtehen, wenn<lb/>
gleich kein <hirendition="#aq">Objectum</hi> noch Ubel vorhanden, das<lb/>
ihn zum Zorn reitzet, und die Furcht erwecket;<lb/>
ja wenn er auch gleich ſich mit den Gedancken<lb/>
kein abweſend Ubel, als zukuͤnfftig oder gegen-<lb/>
waͤrtig vorſtellet, noch daſſelbe vor das ſeinige er-<lb/>
kennet.</p><lb/><p>Diejenigen Weltweiſen erſchoͤpffen die Sache<lb/>
nicht, welche von dem Urſprunge der <hirendition="#aq">Affect</hi>en<lb/>ſagen, daß ſie aus den unterſchiedenen Urthei-<lb/>
len des Verſtandes, die der Menſch <hirendition="#aq">de bono vel<lb/>
malo ad ſe pertinente</hi> faͤllet, herkommen.<lb/>
Denn ich will nicht gedencken, daß die <hirendition="#aq">Affect</hi>en<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#b">T</hi></fw><fwplace="bottom"type="catch">auch</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[289/0335]
einige aber doch
uͤbele Beſchaffenheit des Leibes bey vielen Jah-
ren her feſte geſetzet, und gleichſam zur Natur,
und natuͤrlichen Conſtitution geworden, ſo ent-
ſtehen bey ihm wegen der genauen Connexion,
ſo das Gehirne und die Gedancken in den Leib,
und der Leib zuruͤcke in das Gehirne und in die
Seele hat, allerhand Affecten, wenn gleich keine
Ubel, und keine Objecta, noch Urtheile des
Verſtandes von ſolchen Ubeln vorhanden, ſo die
Affecten ſonſt erregen. Das heiſt, mich deut-
licher zu erklaͤren, der menſchliche Leib, und
deſſen Gefaͤße, Galle, Magen, Miltz haben
alsdenn eine ſolche kraͤnckliche Beſchaffenheit, ſo
daß bey dem Menſchen Zorn, Furcht, Angſt,
Auffahren, Zittern, Beben, Traurigkeit,
Aengſtlichkeit und Sorgfaͤltigkeit entſtehen, wenn
gleich kein Objectum noch Ubel vorhanden, das
ihn zum Zorn reitzet, und die Furcht erwecket;
ja wenn er auch gleich ſich mit den Gedancken
kein abweſend Ubel, als zukuͤnfftig oder gegen-
waͤrtig vorſtellet, noch daſſelbe vor das ſeinige er-
kennet.
Diejenigen Weltweiſen erſchoͤpffen die Sache
nicht, welche von dem Urſprunge der Affecten
ſagen, daß ſie aus den unterſchiedenen Urthei-
len des Verſtandes, die der Menſch de bono vel
malo ad ſe pertinente faͤllet, herkommen.
Denn ich will nicht gedencken, daß die Affecten
auch
T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/335>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.