zu reden wissen, gedacht haben, welche wol hundert Jahr ihren Gestanck behalten, und also immer kleine Partickelgen und Effluvia ausdün- sten, welche in unsere Nase fahren, und die Fibrillen des riechenden Organi bewegen, (denn anders kan man doch nicht den Geruch, und die Krafft des Menschen zu riechen erklären) und doch an ihrem Gewichte wenig, ja gar nichts, in so vielen Jahren verlohren haben. Jch werde mich auch hier an die Einwürffe der- jenigen nicht kehren, die da einwenden und sa- gen, daß, wenn man die Krafft unserer mensch- lichen Seele zu recordiren, und sich der ehe- mahligen empfundenen Dinge wieder zu erin- nern, also erklären wolle, wie ich ietzo gethan, so könne man unmöglich zeigen, wie die See- len, wenn sie vom Leibe geschieden, ein Ge- dächtniß und eine Erinnerung dessen haben kön- ten, was sie im Leibe ehemals empfunden, ge- dacht, geschlossen, und gethan haben. Denn man erkläre endlich die Weise und Krafft sich zu erinnern, welche die Seele in diesem Leben hat, wie man wolle, so wird man doch immer eben diesen Einwurff darwider machen können, und zu zeigen wenig fähig seyn, wie die Seele nach dem Tode recordiren, und sich der ehemahligen Dinge erinnern könne. Es kan seyn, daß auch in unserm Geiste selbst durch die
Bewe-
Furcht, und Einbildung
zu reden wiſſen, gedacht haben, welche wol hundert Jahr ihren Geſtanck behalten, und alſo immer kleine Partickelgen und Effluvia ausduͤn- ſten, welche in unſere Naſe fahren, und die Fibrillen des riechenden Organi bewegen, (denn anders kan man doch nicht den Geruch, und die Krafft des Menſchen zu riechen erklaͤren) und doch an ihrem Gewichte wenig, ja gar nichts, in ſo vielen Jahren verlohren haben. Jch werde mich auch hier an die Einwuͤrffe der- jenigen nicht kehren, die da einwenden und ſa- gen, daß, wenn man die Krafft unſerer menſch- lichen Seele zu recordiren, und ſich der ehe- mahligen empfundenen Dinge wieder zu erin- nern, alſo erklaͤren wolle, wie ich ietzo gethan, ſo koͤnne man unmoͤglich zeigen, wie die See- len, wenn ſie vom Leibe geſchieden, ein Ge- daͤchtniß und eine Erinnerung deſſen haben koͤn- ten, was ſie im Leibe ehemals empfunden, ge- dacht, geſchloſſen, und gethan haben. Denn man erklaͤre endlich die Weiſe und Krafft ſich zu erinnern, welche die Seele in dieſem Leben hat, wie man wolle, ſo wird man doch immer eben dieſen Einwurff darwider machen koͤnnen, und zu zeigen wenig faͤhig ſeyn, wie die Seele nach dem Tode recordiren, und ſich der ehemahligen Dinge erinnern koͤnne. Es kan ſeyn, daß auch in unſerm Geiſte ſelbſt durch die
Bewe-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0317"n="271"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Furcht, und Einbildung</hi></fw><lb/>
zu reden wiſſen, gedacht haben, welche wol<lb/>
hundert Jahr ihren Geſtanck behalten, und alſo<lb/>
immer kleine <hirendition="#aq">Parti</hi>ckelgen und <hirendition="#aq">Effluvia</hi> ausduͤn-<lb/>ſten, welche in unſere Naſe fahren, und die<lb/><hirendition="#aq">Fibrill</hi>en des riechenden <hirendition="#aq">Organi</hi> bewegen, (denn<lb/>
anders kan man doch nicht den Geruch, und<lb/>
die Krafft des Menſchen zu riechen erklaͤren)<lb/>
und doch an ihrem Gewichte wenig, ja gar<lb/>
nichts, in ſo vielen Jahren verlohren haben.<lb/>
Jch werde mich auch hier an die Einwuͤrffe der-<lb/>
jenigen nicht kehren, die da einwenden und ſa-<lb/>
gen, daß, wenn man die Krafft unſerer menſch-<lb/>
lichen Seele zu <hirendition="#aq">recordi</hi>ren, und ſich der ehe-<lb/>
mahligen empfundenen Dinge wieder zu erin-<lb/>
nern, alſo erklaͤren wolle, wie ich ietzo gethan,<lb/>ſo koͤnne man unmoͤglich zeigen, wie die See-<lb/>
len, wenn ſie vom Leibe geſchieden, ein Ge-<lb/>
daͤchtniß und eine Erinnerung deſſen haben koͤn-<lb/>
ten, was ſie im Leibe ehemals empfunden, ge-<lb/>
dacht, geſchloſſen, und gethan haben. Denn<lb/>
man erklaͤre endlich die Weiſe und Krafft ſich<lb/>
zu erinnern, welche die Seele in dieſem Leben<lb/>
hat, wie man wolle, ſo wird man doch immer<lb/>
eben dieſen Einwurff darwider machen koͤnnen,<lb/>
und zu zeigen wenig faͤhig ſeyn, wie die Seele<lb/>
nach dem Tode <hirendition="#aq">recordi</hi>ren, und ſich der<lb/>
ehemahligen Dinge erinnern koͤnne. Es kan<lb/>ſeyn, daß auch in unſerm Geiſte ſelbſt durch die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Bewe-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[271/0317]
Furcht, und Einbildung
zu reden wiſſen, gedacht haben, welche wol
hundert Jahr ihren Geſtanck behalten, und alſo
immer kleine Partickelgen und Effluvia ausduͤn-
ſten, welche in unſere Naſe fahren, und die
Fibrillen des riechenden Organi bewegen, (denn
anders kan man doch nicht den Geruch, und
die Krafft des Menſchen zu riechen erklaͤren)
und doch an ihrem Gewichte wenig, ja gar
nichts, in ſo vielen Jahren verlohren haben.
Jch werde mich auch hier an die Einwuͤrffe der-
jenigen nicht kehren, die da einwenden und ſa-
gen, daß, wenn man die Krafft unſerer menſch-
lichen Seele zu recordiren, und ſich der ehe-
mahligen empfundenen Dinge wieder zu erin-
nern, alſo erklaͤren wolle, wie ich ietzo gethan,
ſo koͤnne man unmoͤglich zeigen, wie die See-
len, wenn ſie vom Leibe geſchieden, ein Ge-
daͤchtniß und eine Erinnerung deſſen haben koͤn-
ten, was ſie im Leibe ehemals empfunden, ge-
dacht, geſchloſſen, und gethan haben. Denn
man erklaͤre endlich die Weiſe und Krafft ſich
zu erinnern, welche die Seele in dieſem Leben
hat, wie man wolle, ſo wird man doch immer
eben dieſen Einwurff darwider machen koͤnnen,
und zu zeigen wenig faͤhig ſeyn, wie die Seele
nach dem Tode recordiren, und ſich der
ehemahligen Dinge erinnern koͤnne. Es kan
ſeyn, daß auch in unſerm Geiſte ſelbſt durch die
Bewe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/317>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.