Jch gieng in die Vesper Predigt, konte aber vor Angst kaum in der Kirche bleiben. Jch fieng schon an auf der Gassen zu erschrecken, wenn mir Leute von heßlichem Angesichte vorka- men, und zu dencken, als ob es der Teufel selbst wäre. Jch wuste wohl, daß dem nicht also sey; doch ist es bey erfahrnen Lehrern eine be- kannte Sache, daß man zu solcher Zeit, und in dergleichem Zustande gleich wie vor allen un- gestallten Gesichtern erschrickt, also dabey auf traurige, und erschreckliche Gedancken verfällt. Dergleichen begegnete mir auch Montags Abends, alß ich bey Bertholden aß, und ein unbekannter Mann in einem Mantel in der Thüre stund, und in die Stube hinein kam, und ihn niemand kannte. Was ich vor eine ängstliche Nacht darauf gehabt, ist nicht zu be- schreiben. Nach der Zeit habe ich in Bunjans, des Engelländers Leben, welches er seinem Tra- ctat:Kommen, und Willkommen zu CHristo betittelt, beygefüget gefunden, daß einst seine Angst und Furcht zur Stunde der An- fechtung auch so groß worden, daß er ungestallte Leute vor Teufel ansehen wollen. Der Pfarr zur hohen Heyde, der durch ein Donner- Wetter um alles das seinige gekommen, und dadurch, weil er solches ohne Maß zu Hertzen genommen, schon ziemlich im Verstande verrückt
war,
erſchrickt vor heßlichen Leuten,
Jch gieng in die Veſper Predigt, konte aber vor Angſt kaum in der Kirche bleiben. Jch fieng ſchon an auf der Gaſſen zu erſchrecken, wenn mir Leute von heßlichem Angeſichte vorka- men, und zu dencken, als ob es der Teufel ſelbſt waͤre. Jch wuſte wohl, daß dem nicht alſo ſey; doch iſt es bey erfahrnen Lehrern eine be- kannte Sache, daß man zu ſolcher Zeit, und in dergleichem Zuſtande gleich wie vor allen un- geſtallten Geſichtern erſchrickt, alſo dabey auf traurige, und erſchreckliche Gedancken verfaͤllt. Dergleichen begegnete mir auch Montags Abends, alß ich bey Bertholden aß, und ein unbekannter Mann in einem Mantel in der Thuͤre ſtund, und in die Stube hinein kam, und ihn niemand kannte. Was ich vor eine aͤngſtliche Nacht darauf gehabt, iſt nicht zu be- ſchreiben. Nach der Zeit habe ich in Bunjans, des Engellaͤnders Leben, welches er ſeinem Tra- ctat:Kommen, und Willkommen zu CHriſto betittelt, beygefuͤget gefunden, daß einſt ſeine Angſt und Furcht zur Stunde der An- fechtung auch ſo groß worden, daß er ungeſtallte Leute vor Teufel anſehen wollen. Der Pfarr zur hohen Heyde, der durch ein Donner- Wetter um alles das ſeinige gekommen, und dadurch, weil er ſolches ohne Maß zu Hertzen genommen, ſchon ziemlich im Verſtande verruͤckt
war,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0262"n="216"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">erſchrickt vor heßlichen Leuten,</hi></fw><lb/>
Jch gieng in die <hirendition="#aq">Veſper</hi> Predigt, konte aber<lb/>
vor Angſt kaum in der Kirche bleiben. Jch<lb/>
fieng ſchon an auf der Gaſſen zu erſchrecken,<lb/>
wenn mir Leute von heßlichem Angeſichte vorka-<lb/>
men, und zu dencken, als ob es der Teufel ſelbſt<lb/>
waͤre. Jch wuſte wohl, daß dem nicht alſo<lb/>ſey; doch iſt es bey erfahrnen Lehrern eine be-<lb/>
kannte Sache, daß man zu ſolcher Zeit, und<lb/>
in dergleichem Zuſtande gleich wie vor allen un-<lb/>
geſtallten Geſichtern erſchrickt, alſo dabey auf<lb/>
traurige, und erſchreckliche Gedancken verfaͤllt.<lb/>
Dergleichen begegnete mir auch Montags<lb/>
Abends, alß ich bey Bertholden aß, und ein<lb/>
unbekannter Mann in einem Mantel in der<lb/>
Thuͤre ſtund, und in die Stube hinein kam,<lb/>
und ihn niemand kannte. Was ich vor eine<lb/>
aͤngſtliche Nacht darauf gehabt, iſt nicht zu be-<lb/>ſchreiben. Nach der Zeit habe ich in <hirendition="#aq">Bunjans,</hi><lb/>
des Engellaͤnders Leben, welches er ſeinem <hirendition="#aq">Tra-<lb/>
ctat:</hi><hirendition="#fr">Kommen, und Willkommen zu<lb/>
CHriſto</hi> betittelt, beygefuͤget gefunden, daß<lb/>
einſt ſeine Angſt und Furcht zur Stunde der An-<lb/>
fechtung auch ſo groß worden, daß er ungeſtallte<lb/>
Leute vor Teufel anſehen wollen. Der Pfarr<lb/><hirendition="#fr">zur hohen Heyde,</hi> der durch ein Donner-<lb/>
Wetter um alles das ſeinige gekommen, und<lb/>
dadurch, weil er ſolches ohne Maß zu Hertzen<lb/>
genommen, ſchon ziemlich im Verſtande verruͤckt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">war,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0262]
erſchrickt vor heßlichen Leuten,
Jch gieng in die Veſper Predigt, konte aber
vor Angſt kaum in der Kirche bleiben. Jch
fieng ſchon an auf der Gaſſen zu erſchrecken,
wenn mir Leute von heßlichem Angeſichte vorka-
men, und zu dencken, als ob es der Teufel ſelbſt
waͤre. Jch wuſte wohl, daß dem nicht alſo
ſey; doch iſt es bey erfahrnen Lehrern eine be-
kannte Sache, daß man zu ſolcher Zeit, und
in dergleichem Zuſtande gleich wie vor allen un-
geſtallten Geſichtern erſchrickt, alſo dabey auf
traurige, und erſchreckliche Gedancken verfaͤllt.
Dergleichen begegnete mir auch Montags
Abends, alß ich bey Bertholden aß, und ein
unbekannter Mann in einem Mantel in der
Thuͤre ſtund, und in die Stube hinein kam,
und ihn niemand kannte. Was ich vor eine
aͤngſtliche Nacht darauf gehabt, iſt nicht zu be-
ſchreiben. Nach der Zeit habe ich in Bunjans,
des Engellaͤnders Leben, welches er ſeinem Tra-
ctat: Kommen, und Willkommen zu
CHriſto betittelt, beygefuͤget gefunden, daß
einſt ſeine Angſt und Furcht zur Stunde der An-
fechtung auch ſo groß worden, daß er ungeſtallte
Leute vor Teufel anſehen wollen. Der Pfarr
zur hohen Heyde, der durch ein Donner-
Wetter um alles das ſeinige gekommen, und
dadurch, weil er ſolches ohne Maß zu Hertzen
genommen, ſchon ziemlich im Verſtande verruͤckt
war,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/262>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.