hen, oder die Predigt zu halten gantz unge- schickt seyn.
Allein ista tranquillitas tempestas erat, diese kurtze Ruhe war ein Vorbote von desto größern Stürmen und Ungewittern, die über mich kommen solten. Bisher war die Magd der Frau Schultzin, deren Sohn ich informirte, und welche auf dem rothen Collegio ihre Stube neben der meinigen hatte, kranck gewe- sen. Gleichwie dieselbe eines Temperamenti summe melancholici war, so schlugen ietzt schwere Anfechtungen bey ihrer Kranckheit zu. Ob sie in Kleinigkeiten ihrer Frauen etwan mochte untreu gewesen seyn, wie einige bald ur- theilen wolten, weiß ich nicht, und kan auch solches nicht glauben; sie sorgte aber vor das Zukünfftige, und machte ihr ängstliche Gedan- cken, wenn die Frau Schultzin sterben, oder sie beständig kranck seyn solte, und aus dem Dienste müste, wo sie hin solte, und wer sie würde aufnehmen. Diesen und andern Ge- dancken mehr hatte sie so lange nachgehangen, bis ihr Hertz wie ein Stein, und ihr Haupt gantz verwüstet wurde. Sie bekam Gedan- cken vom Selbst-Mord, welches ich aber lange hernach erst erfahren; und, ob sie schon nach etlichen Wochen wieder ausgieng, so trug sie doch das Gifft bey ihr, womit sie sich vergeben
wolte,
wird durch einemelancholiſche
hen, oder die Predigt zu halten gantz unge- ſchickt ſeyn.
Allein iſta tranquillitas tempeſtas erat, dieſe kurtze Ruhe war ein Vorbote von deſto groͤßern Stuͤrmen und Ungewittern, die uͤber mich kommen ſolten. Bisher war die Magd der Frau Schultzin, deren Sohn ich informirte, und welche auf dem rothen Collegio ihre Stube neben der meinigen hatte, kranck gewe- ſen. Gleichwie dieſelbe eines Temperamenti ſumme melancholici war, ſo ſchlugen ietzt ſchwere Anfechtungen bey ihrer Kranckheit zu. Ob ſie in Kleinigkeiten ihrer Frauen etwan mochte untreu geweſen ſeyn, wie einige bald ur- theilen wolten, weiß ich nicht, und kan auch ſolches nicht glauben; ſie ſorgte aber vor das Zukuͤnfftige, und machte ihr aͤngſtliche Gedan- cken, wenn die Frau Schultzin ſterben, oder ſie beſtaͤndig kranck ſeyn ſolte, und aus dem Dienſte muͤſte, wo ſie hin ſolte, und wer ſie wuͤrde aufnehmen. Dieſen und andern Ge- dancken mehr hatte ſie ſo lange nachgehangen, bis ihr Hertz wie ein Stein, und ihr Haupt gantz verwuͤſtet wurde. Sie bekam Gedan- cken vom Selbſt-Mord, welches ich aber lange hernach erſt erfahren; und, ob ſie ſchon nach etlichen Wochen wieder ausgieng, ſo trug ſie doch das Gifft bey ihr, womit ſie ſich vergeben
wolte,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0260"n="214"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">wird durch eine</hi><hirendition="#aq">melancholi</hi><hirendition="#b">ſche</hi></fw><lb/>
hen, oder die Predigt zu halten gantz unge-<lb/>ſchickt ſeyn.</p><lb/><p>Allein <hirendition="#aq">iſta tranquillitas tempeſtas erat,</hi><lb/>
dieſe kurtze Ruhe war ein Vorbote von deſto<lb/>
groͤßern Stuͤrmen und Ungewittern, die uͤber<lb/>
mich kommen ſolten. Bisher war die Magd<lb/>
der Frau Schultzin, deren Sohn ich <hirendition="#aq">informi</hi>rte,<lb/>
und welche auf dem rothen <hirendition="#aq">Collegio</hi> ihre<lb/>
Stube neben der meinigen hatte, kranck gewe-<lb/>ſen. Gleichwie dieſelbe eines <hirendition="#aq">Temperamenti<lb/>ſumme melancholici</hi> war, ſo ſchlugen ietzt<lb/>ſchwere Anfechtungen bey ihrer Kranckheit zu.<lb/>
Ob ſie in Kleinigkeiten ihrer Frauen etwan<lb/>
mochte untreu geweſen ſeyn, wie einige bald ur-<lb/>
theilen wolten, weiß ich nicht, und kan auch<lb/>ſolches nicht glauben; ſie ſorgte aber vor das<lb/>
Zukuͤnfftige, und machte ihr aͤngſtliche Gedan-<lb/>
cken, wenn die Frau Schultzin ſterben, oder<lb/>ſie beſtaͤndig kranck ſeyn ſolte, und aus dem<lb/>
Dienſte muͤſte, wo ſie hin ſolte, und wer ſie<lb/>
wuͤrde aufnehmen. Dieſen und andern Ge-<lb/>
dancken mehr hatte ſie ſo lange nachgehangen,<lb/>
bis ihr Hertz wie ein Stein, und ihr Haupt<lb/>
gantz verwuͤſtet wurde. Sie bekam Gedan-<lb/>
cken vom Selbſt-Mord, welches ich aber lange<lb/>
hernach erſt erfahren; und, ob ſie ſchon nach<lb/>
etlichen Wochen wieder ausgieng, ſo trug ſie<lb/>
doch das Gifft bey ihr, womit ſie ſich vergeben<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wolte,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[214/0260]
wird durch eine melancholiſche
hen, oder die Predigt zu halten gantz unge-
ſchickt ſeyn.
Allein iſta tranquillitas tempeſtas erat,
dieſe kurtze Ruhe war ein Vorbote von deſto
groͤßern Stuͤrmen und Ungewittern, die uͤber
mich kommen ſolten. Bisher war die Magd
der Frau Schultzin, deren Sohn ich informirte,
und welche auf dem rothen Collegio ihre
Stube neben der meinigen hatte, kranck gewe-
ſen. Gleichwie dieſelbe eines Temperamenti
ſumme melancholici war, ſo ſchlugen ietzt
ſchwere Anfechtungen bey ihrer Kranckheit zu.
Ob ſie in Kleinigkeiten ihrer Frauen etwan
mochte untreu geweſen ſeyn, wie einige bald ur-
theilen wolten, weiß ich nicht, und kan auch
ſolches nicht glauben; ſie ſorgte aber vor das
Zukuͤnfftige, und machte ihr aͤngſtliche Gedan-
cken, wenn die Frau Schultzin ſterben, oder
ſie beſtaͤndig kranck ſeyn ſolte, und aus dem
Dienſte muͤſte, wo ſie hin ſolte, und wer ſie
wuͤrde aufnehmen. Dieſen und andern Ge-
dancken mehr hatte ſie ſo lange nachgehangen,
bis ihr Hertz wie ein Stein, und ihr Haupt
gantz verwuͤſtet wurde. Sie bekam Gedan-
cken vom Selbſt-Mord, welches ich aber lange
hernach erſt erfahren; und, ob ſie ſchon nach
etlichen Wochen wieder ausgieng, ſo trug ſie
doch das Gifft bey ihr, womit ſie ſich vergeben
wolte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/260>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.