Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

kombt aber glücklich
kalt war. Doch wir erholten uns, fasseten
einen Muth, und kamen um 12. Uhr des
Nachts hungrig, und durstig bey der Compa-
gnie,
die wir verlaßen hatten, wieder an.
Nachdem wir in der Eile etwas gegessen, und ge-
truncken, legten wir uns auf die Streue, auf
welcher die andern schon lagen. Jch schlief
gar bald ein, welches leicht zu dencken; aber
um 4. Uhr, da ich erwachte, überfiel mich eine
solche Angst und Bangigkeit, die ich nicht mit
Worten beschreiben kan Jch fürchtete, ich
möchte vor Mattigkeit, die ich noch in allen
Gliedern spührete, kranck werden, und in die-
sem fremden Orte liegen bleiben. Jch be-
sorgte auch Verantwortung, weil sich auf der
Reise ein Gymnasiaste zu uns gefunden, der ei-
nem Schul-Collegen die Fenster eingeschmis-
sen, und darüber relegiret worden war, wel-
chen man ietzund überall aufsuchte, und was
der ängstlichen Gedancken mehr waren, so mich
plagten. Was that ich? So matt und
müde ich war, so stehe ich doch in der 5. Stunde
von der Streue, da ich vor Angst nicht länger
zu bleiben wuste, auf, ziehe mich an, und
lauffe gantz alleine den Weg wieder zurücke, den
ich gekommen war, und gelange zu Mittage
um 12. Uhr vor Breßlau wieder an. Jch
würde noch in größere Noth und Angst gera-

then

kombt aber gluͤcklich
kalt war. Doch wir erholten uns, faſſeten
einen Muth, und kamen um 12. Uhr des
Nachts hungrig, und durſtig bey der Compa-
gnie,
die wir verlaßen hatten, wieder an.
Nachdem wir in der Eile etwas gegeſſen, und ge-
truncken, legten wir uns auf die Streue, auf
welcher die andern ſchon lagen. Jch ſchlief
gar bald ein, welches leicht zu dencken; aber
um 4. Uhr, da ich erwachte, uͤberfiel mich eine
ſolche Angſt und Bangigkeit, die ich nicht mit
Worten beſchreiben kan Jch fuͤrchtete, ich
moͤchte vor Mattigkeit, die ich noch in allen
Gliedern ſpuͤhrete, kranck werden, und in die-
ſem fremden Orte liegen bleiben. Jch be-
ſorgte auch Verantwortung, weil ſich auf der
Reiſe ein Gymnaſiaſte zu uns gefunden, der ei-
nem Schul-Collegen die Fenſter eingeſchmiſ-
ſen, und daruͤber relegiret worden war, wel-
chen man ietzund uͤberall aufſuchte, und was
der aͤngſtlichen Gedancken mehr waren, ſo mich
plagten. Was that ich? So matt und
muͤde ich war, ſo ſtehe ich doch in der 5. Stunde
von der Streue, da ich vor Angſt nicht laͤnger
zu bleiben wuſte, auf, ziehe mich an, und
lauffe gantz alleine den Weg wieder zuruͤcke, den
ich gekommen war, und gelange zu Mittage
um 12. Uhr vor Breßlau wieder an. Jch
wuͤrde noch in groͤßere Noth und Angſt gera-

then
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="139"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">kombt aber glu&#x0364;cklich</hi></fw><lb/>
kalt war. Doch wir erholten uns, fa&#x017F;&#x017F;eten<lb/>
einen Muth, und kamen um 12. Uhr des<lb/>
Nachts hungrig, und dur&#x017F;tig bey der <hi rendition="#aq">Compa-<lb/>
gnie,</hi> die wir verlaßen hatten, wieder an.<lb/>
Nachdem wir in der Eile etwas gege&#x017F;&#x017F;en, und ge-<lb/>
truncken, legten wir uns auf die Streue, auf<lb/>
welcher die andern &#x017F;chon lagen. Jch &#x017F;chlief<lb/>
gar bald ein, welches leicht zu dencken; aber<lb/>
um 4. Uhr, da ich erwachte, u&#x0364;berfiel mich eine<lb/>
&#x017F;olche Ang&#x017F;t und Bangigkeit, die ich nicht mit<lb/>
Worten be&#x017F;chreiben kan Jch fu&#x0364;rchtete, ich<lb/>
mo&#x0364;chte vor Mattigkeit, die ich noch in allen<lb/>
Gliedern &#x017F;pu&#x0364;hrete, kranck werden, und in die-<lb/>
&#x017F;em fremden Orte liegen bleiben. Jch be-<lb/>
&#x017F;orgte auch Verantwortung, weil &#x017F;ich auf der<lb/>
Rei&#x017F;e ein <hi rendition="#aq">Gymna&#x017F;ia&#x017F;t</hi>e zu uns gefunden, der ei-<lb/>
nem Schul-<hi rendition="#aq">Colleg</hi>en die Fen&#x017F;ter einge&#x017F;chmi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und daru&#x0364;ber <hi rendition="#aq">relegi</hi>ret worden war, wel-<lb/>
chen man ietzund u&#x0364;berall auf&#x017F;uchte, und was<lb/>
der a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Gedancken mehr waren, &#x017F;o mich<lb/>
plagten. Was that ich? So matt und<lb/>
mu&#x0364;de ich war, &#x017F;o &#x017F;tehe ich doch in der 5. Stunde<lb/>
von der Streue, da ich vor Ang&#x017F;t nicht la&#x0364;nger<lb/>
zu bleiben wu&#x017F;te, auf, ziehe mich an, und<lb/>
lauffe gantz alleine den Weg wieder zuru&#x0364;cke, den<lb/>
ich gekommen war, und gelange zu Mittage<lb/>
um 12. Uhr vor Breßlau wieder an. Jch<lb/>
wu&#x0364;rde noch in gro&#x0364;ßere Noth und Ang&#x017F;t gera-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">then</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0185] kombt aber gluͤcklich kalt war. Doch wir erholten uns, faſſeten einen Muth, und kamen um 12. Uhr des Nachts hungrig, und durſtig bey der Compa- gnie, die wir verlaßen hatten, wieder an. Nachdem wir in der Eile etwas gegeſſen, und ge- truncken, legten wir uns auf die Streue, auf welcher die andern ſchon lagen. Jch ſchlief gar bald ein, welches leicht zu dencken; aber um 4. Uhr, da ich erwachte, uͤberfiel mich eine ſolche Angſt und Bangigkeit, die ich nicht mit Worten beſchreiben kan Jch fuͤrchtete, ich moͤchte vor Mattigkeit, die ich noch in allen Gliedern ſpuͤhrete, kranck werden, und in die- ſem fremden Orte liegen bleiben. Jch be- ſorgte auch Verantwortung, weil ſich auf der Reiſe ein Gymnaſiaſte zu uns gefunden, der ei- nem Schul-Collegen die Fenſter eingeſchmiſ- ſen, und daruͤber relegiret worden war, wel- chen man ietzund uͤberall aufſuchte, und was der aͤngſtlichen Gedancken mehr waren, ſo mich plagten. Was that ich? So matt und muͤde ich war, ſo ſtehe ich doch in der 5. Stunde von der Streue, da ich vor Angſt nicht laͤnger zu bleiben wuſte, auf, ziehe mich an, und lauffe gantz alleine den Weg wieder zuruͤcke, den ich gekommen war, und gelange zu Mittage um 12. Uhr vor Breßlau wieder an. Jch wuͤrde noch in groͤßere Noth und Angſt gera- then

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/185
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/185>, abgerufen am 22.11.2024.