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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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bey einem Kauffmann,
manns-Diener, Kluge, und der Lehr-Junge,
Kamper, waren gerne um mich; und, weil sie
mehr Geld, als ich, hatten, so halffen sie mir
manchmal aus der Noth, nahmen mich mit in
Compagnie, und hielten mich frey. Zuweilen
spieleten wir auch des Abends in der Charte, ein
oder ein paar Stunden, und sie achteten es eben
nicht, wenn sie gleich einige Groschen verlohren,
weil ich ihnen an Verschlagenheit beym Spielen
überlegen war. Entweder das Spielen muß
nicht zu allen Zeiten, an allen Orten, und bey
einem ieden Christen eine verdammliche Sünde
seyn, sondern als eine Schwachheit mit der Gnade
GOttes bestehen können; oder die seltsame Ver-
wandelung meiner höchsten Seelen-Noth in
geistliche und himmlische Freud und Wonne muß
lauter Blendwerck und Betrügerey gewesen seyn;
welches letztere zu glauben ich unmöglich kan bewo-
gen werden. Der Kauffmann war zwar ein
genereuser und gütiger Mann, aber offtmahls
sehr bitter, und zornig. Dieß wolte mir An-
fangs schwer eingehen; seine Frau aber, die ein
sehr kluges und vernünfftiges Weib war, besänff-
tigte mich, stellte mir ihr eigen Exempel vor,
und sagte, wie sie ja selbst noch viel ein mehrers
leiden und ausstehen müste, da sie doch sein Weib
wäre, und doch alle Liebe von ihm genöße, und
sich alles gutes zu ihm zu versehen hätte. Des

Abends,

bey einem Kauffmann,
manns-Diener, Kluge, und der Lehr-Junge,
Kamper, waren gerne um mich; und, weil ſie
mehr Geld, als ich, hatten, ſo halffen ſie mir
manchmal aus der Noth, nahmen mich mit in
Compagnie, und hielten mich frey. Zuweilen
ſpieleten wir auch des Abends in der Charte, ein
oder ein paar Stunden, und ſie achteten es eben
nicht, wenn ſie gleich einige Groſchen verlohren,
weil ich ihnen an Verſchlagenheit beym Spielen
uͤberlegen war. Entweder das Spielen muß
nicht zu allen Zeiten, an allen Orten, und bey
einem ieden Chriſten eine verdammliche Suͤnde
ſeyn, ſondern als eine Schwachheit mit der Gnade
GOttes beſtehen koͤnnen; oder die ſeltſame Ver-
wandelung meiner hoͤchſten Seelen-Noth in
geiſtliche und himmliſche Freud und Wonne muß
lauter Blendwerck und Betruͤgerey geweſen ſeyn;
welches letztere zu glauben ich unmoͤglich kan bewo-
gen werden. Der Kauffmann war zwar ein
genereuſer und guͤtiger Mann, aber offtmahls
ſehr bitter, und zornig. Dieß wolte mir An-
fangs ſchwer eingehen; ſeine Frau aber, die ein
ſehr kluges und vernuͤnfftiges Weib war, beſaͤnff-
tigte mich, ſtellte mir ihr eigen Exempel vor,
und ſagte, wie ſie ja ſelbſt noch viel ein mehrers
leiden und ausſtehen muͤſte, da ſie doch ſein Weib
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ſich alles gutes zu ihm zu verſehen haͤtte. Des

Abends,
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[124/0170] bey einem Kauffmann, manns-Diener, Kluge, und der Lehr-Junge, Kamper, waren gerne um mich; und, weil ſie mehr Geld, als ich, hatten, ſo halffen ſie mir manchmal aus der Noth, nahmen mich mit in Compagnie, und hielten mich frey. Zuweilen ſpieleten wir auch des Abends in der Charte, ein oder ein paar Stunden, und ſie achteten es eben nicht, wenn ſie gleich einige Groſchen verlohren, weil ich ihnen an Verſchlagenheit beym Spielen uͤberlegen war. Entweder das Spielen muß nicht zu allen Zeiten, an allen Orten, und bey einem ieden Chriſten eine verdammliche Suͤnde ſeyn, ſondern als eine Schwachheit mit der Gnade GOttes beſtehen koͤnnen; oder die ſeltſame Ver- wandelung meiner hoͤchſten Seelen-Noth in geiſtliche und himmliſche Freud und Wonne muß lauter Blendwerck und Betruͤgerey geweſen ſeyn; welches letztere zu glauben ich unmoͤglich kan bewo- gen werden. Der Kauffmann war zwar ein genereuſer und guͤtiger Mann, aber offtmahls ſehr bitter, und zornig. Dieß wolte mir An- fangs ſchwer eingehen; ſeine Frau aber, die ein ſehr kluges und vernuͤnfftiges Weib war, beſaͤnff- tigte mich, ſtellte mir ihr eigen Exempel vor, und ſagte, wie ſie ja ſelbſt noch viel ein mehrers leiden und ausſtehen muͤſte, da ſie doch ſein Weib waͤre, und doch alle Liebe von ihm genoͤße, und ſich alles gutes zu ihm zu verſehen haͤtte. Des Abends,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/170>, abgerufen am 18.05.2024.