doch wol manches sein Gewissen nur schlafen mochte, gleichwie das meinige eine Zeit lang geschlafen hatte, aber nunmehro aufgewachet war. Jch preisete sie selig, und sprach bey mir selbst: Ach, wenn du doch auch so fröh- lich seyn köntest! Hat ihre Lust schon noch viele menschliche Schwachheiten bey sich, so wird sie ihnen GOTT nicht zurechnen. Die Weh- muth nahm ie mehr und mehr bey mir zu, und ich konte unmöglich länger bey der Compagnie bleiben, sondern stahl mich von den Hochzeit- Gästen weg, und gieng auf das freye Feld, und ließ meinen Thränen freyen Ziegel und Lauff, die auch so häuffig waren, daß ich mich darin- nen hätte baden können. Jch bat GOtt in- brünstig, er solte doch das schwere Joch der Ubertretung in mir stillen, daß sich mein Hertz wieder zufrieden geben möge. Nun geschahe dieses wol nicht so bald darauf, wie ich gebeten; Jch war aber doch durch Gebet und Thränen starck worden, so offt mich neue Angst anfiel, solche mit Geduld zu ertragen, und nicht alle Hoffnung sincken zu laßen, sondern in stiller Ge- laßenheit auf die Hülffe des HErrn zu warten. Es ist wahr, es war nichts auf Erden, was mich in diesem Zustande hätte erfreuen können. Keine Music ergötzte mich mehr, und kein Spiel erquickte mich mehr. Poselte ich mit meinen
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und die Traurigkeit
doch wol manches ſein Gewiſſen nur ſchlafen mochte, gleichwie das meinige eine Zeit lang geſchlafen hatte, aber nunmehro aufgewachet war. Jch preiſete ſie ſelig, und ſprach bey mir ſelbſt: Ach, wenn du doch auch ſo froͤh- lich ſeyn koͤnteſt! Hat ihre Luſt ſchon noch viele menſchliche Schwachheiten bey ſich, ſo wird ſie ihnen GOTT nicht zurechnen. Die Weh- muth nahm ie mehr und mehr bey mir zu, und ich konte unmoͤglich laͤnger bey der Compagnie bleiben, ſondern ſtahl mich von den Hochzeit- Gaͤſten weg, und gieng auf das freye Feld, und ließ meinen Thraͤnen freyen Ziegel und Lauff, die auch ſo haͤuffig waren, daß ich mich darin- nen haͤtte baden koͤnnen. Jch bat GOtt in- bruͤnſtig, er ſolte doch das ſchwere Joch der Ubertretung in mir ſtillen, daß ſich mein Hertz wieder zufrieden geben moͤge. Nun geſchahe dieſes wol nicht ſo bald darauf, wie ich gebeten; Jch war aber doch durch Gebet und Thraͤnen ſtarck worden, ſo offt mich neue Angſt anfiel, ſolche mit Geduld zu ertragen, und nicht alle Hoffnung ſincken zu laßen, ſondern in ſtiller Ge- laßenheit auf die Huͤlffe des HErrn zu warten. Es iſt wahr, es war nichts auf Erden, was mich in dieſem Zuſtande haͤtte erfreuen koͤnnen. Keine Muſic ergoͤtzte mich mehr, und kein Spiel erquickte mich mehr. Poſelte ich mit meinen
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und die Traurigkeit
doch wol manches ſein Gewiſſen nur ſchlafen
mochte, gleichwie das meinige eine Zeit lang
geſchlafen hatte, aber nunmehro aufgewachet
war. Jch preiſete ſie ſelig, und ſprach bey
mir ſelbſt: Ach, wenn du doch auch ſo froͤh-
lich ſeyn koͤnteſt! Hat ihre Luſt ſchon noch viele
menſchliche Schwachheiten bey ſich, ſo wird ſie
ihnen GOTT nicht zurechnen. Die Weh-
muth nahm ie mehr und mehr bey mir zu, und
ich konte unmoͤglich laͤnger bey der Compagnie
bleiben, ſondern ſtahl mich von den Hochzeit-
Gaͤſten weg, und gieng auf das freye Feld, und
ließ meinen Thraͤnen freyen Ziegel und Lauff,
die auch ſo haͤuffig waren, daß ich mich darin-
nen haͤtte baden koͤnnen. Jch bat GOtt in-
bruͤnſtig, er ſolte doch das ſchwere Joch der
Ubertretung in mir ſtillen, daß ſich mein Hertz
wieder zufrieden geben moͤge. Nun geſchahe
dieſes wol nicht ſo bald darauf, wie ich gebeten;
Jch war aber doch durch Gebet und Thraͤnen
ſtarck worden, ſo offt mich neue Angſt anfiel,
ſolche mit Geduld zu ertragen, und nicht alle
Hoffnung ſincken zu laßen, ſondern in ſtiller Ge-
laßenheit auf die Huͤlffe des HErrn zu warten.
Es iſt wahr, es war nichts auf Erden, was
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/163>, abgerufen am 24.11.2024.
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