Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Thut einen unglücklichen Fall
von denen er nicht wuste, wo sie herkämen, als
das Buch werth war. Er erzehlte mir mit
Freuden, so bald ich zu ihm kam, sein Glücke,
daß ihm ein unbekannter Patron, ohne seinen
Namen zu nennen, einen Brief mit Gelde zu-
gesendet; ich ließ mir es aber nicht mercken,
daß ich derjenige Patron, oder vielmehr der Dieb
wäre, der nur das Ablatum restituiret hätte.
Weiter besinne ich mich nicht, daß ich nach die-
ser Zeit iemanden etwas entwendet, oder ver-
untrauet, sondern vielmehr, daß ich mein Leb-
tage, vielleicht wegen meines praedominirenden
Temperamenti sanguinei, von meinem Weni-
gen den Armen Gutes zu thun, und ihnen zu
helffen geneigt gewesen.

Anno 1694.
§. 26.

Mein Hospes, der Fleischer, konte mich
nicht zu sich ins Haus nehmen, weil seine Woh-
nung zu enge. Es gab mir aber der Rector
Hancke auf dem Gymnasio eine Cammer ein,
wie er denen zu thun gewohnet war, welche Ho-
spitia
bey den Fleischern in ihren engen Fleisch-
Bäncken hatten. Da ich des Abends das erste
mahl, kurtz vor dem Zuschlusse des Gymnasii,
im Finstern nach Hause kam, lieff ich in Secun-
dum Ordinem
hinein, in Meynung, einige

Chora-

Thut einen ungluͤcklichen Fall
von denen er nicht wuſte, wo ſie herkaͤmen, als
das Buch werth war. Er erzehlte mir mit
Freuden, ſo bald ich zu ihm kam, ſein Gluͤcke,
daß ihm ein unbekannter Patron, ohne ſeinen
Namen zu nennen, einen Brief mit Gelde zu-
geſendet; ich ließ mir es aber nicht mercken,
daß ich derjenige Patron, oder vielmehr der Dieb
waͤre, der nur das Ablatum reſtituiret haͤtte.
Weiter beſinne ich mich nicht, daß ich nach die-
ſer Zeit iemanden etwas entwendet, oder ver-
untrauet, ſondern vielmehr, daß ich mein Leb-
tage, vielleicht wegen meines prædominirenden
Temperamenti ſanguinei, von meinem Weni-
gen den Armen Gutes zu thun, und ihnen zu
helffen geneigt geweſen.

Anno 1694.
§. 26.

Mein Hoſpes, der Fleiſcher, konte mich
nicht zu ſich ins Haus nehmen, weil ſeine Woh-
nung zu enge. Es gab mir aber der Rector
Hancke auf dem Gymnaſio eine Cammer ein,
wie er denen zu thun gewohnet war, welche Ho-
ſpitia
bey den Fleiſchern in ihren engen Fleiſch-
Baͤncken hatten. Da ich des Abends das erſte
mahl, kurtz vor dem Zuſchluſſe des Gymnaſii,
im Finſtern nach Hauſe kam, lieff ich in Secun-
dum Ordinem
hinein, in Meynung, einige

Chora-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Thut einen unglu&#x0364;cklichen Fall</hi></fw><lb/>
von denen er nicht wu&#x017F;te, wo &#x017F;ie herka&#x0364;men, als<lb/>
das Buch werth war. Er erzehlte mir mit<lb/>
Freuden, &#x017F;o bald ich zu ihm kam, &#x017F;ein Glu&#x0364;cke,<lb/>
daß ihm ein unbekannter <hi rendition="#aq">Patron,</hi> ohne &#x017F;einen<lb/>
Namen zu nennen, einen Brief mit Gelde zu-<lb/>
ge&#x017F;endet; ich ließ mir es aber nicht mercken,<lb/>
daß ich derjenige <hi rendition="#aq">Patron,</hi> oder vielmehr der Dieb<lb/>
wa&#x0364;re, der nur das <hi rendition="#aq">Ablatum re&#x017F;titui</hi>ret ha&#x0364;tte.<lb/>
Weiter be&#x017F;inne ich mich nicht, daß ich nach die-<lb/>
&#x017F;er Zeit iemanden etwas entwendet, oder ver-<lb/>
untrauet, &#x017F;ondern vielmehr, daß ich mein Leb-<lb/>
tage, vielleicht wegen meines <hi rendition="#aq">prædomini</hi>renden<lb/><hi rendition="#aq">Temperamenti &#x017F;anguinei,</hi> von meinem Weni-<lb/>
gen den Armen Gutes zu thun, und ihnen zu<lb/>
helffen geneigt gewe&#x017F;en.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Anno</hi></hi> 1694.</hi><lb/>
§. 26.</head><lb/>
        <p>Mein <hi rendition="#aq">Ho&#x017F;pes,</hi> der Flei&#x017F;cher, konte mich<lb/>
nicht zu &#x017F;ich ins Haus nehmen, weil &#x017F;eine Woh-<lb/>
nung zu enge. Es gab mir aber der <hi rendition="#aq">Rector</hi><lb/>
Hancke auf dem <hi rendition="#aq">Gymna&#x017F;io</hi> eine Cammer ein,<lb/>
wie er denen zu thun gewohnet war, welche <hi rendition="#aq">Ho-<lb/>
&#x017F;pitia</hi> bey den Flei&#x017F;chern in ihren engen Flei&#x017F;ch-<lb/>
Ba&#x0364;ncken hatten. Da ich des Abends das er&#x017F;te<lb/>
mahl, kurtz vor dem Zu&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e des <hi rendition="#aq">Gymna&#x017F;ii,</hi><lb/>
im Fin&#x017F;tern nach Hau&#x017F;e kam, lieff ich in <hi rendition="#aq">Secun-<lb/>
dum Ordinem</hi> hinein, in Meynung, einige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Chora-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0152] Thut einen ungluͤcklichen Fall von denen er nicht wuſte, wo ſie herkaͤmen, als das Buch werth war. Er erzehlte mir mit Freuden, ſo bald ich zu ihm kam, ſein Gluͤcke, daß ihm ein unbekannter Patron, ohne ſeinen Namen zu nennen, einen Brief mit Gelde zu- geſendet; ich ließ mir es aber nicht mercken, daß ich derjenige Patron, oder vielmehr der Dieb waͤre, der nur das Ablatum reſtituiret haͤtte. Weiter beſinne ich mich nicht, daß ich nach die- ſer Zeit iemanden etwas entwendet, oder ver- untrauet, ſondern vielmehr, daß ich mein Leb- tage, vielleicht wegen meines prædominirenden Temperamenti ſanguinei, von meinem Weni- gen den Armen Gutes zu thun, und ihnen zu helffen geneigt geweſen. Anno 1694. §. 26. Mein Hoſpes, der Fleiſcher, konte mich nicht zu ſich ins Haus nehmen, weil ſeine Woh- nung zu enge. Es gab mir aber der Rector Hancke auf dem Gymnaſio eine Cammer ein, wie er denen zu thun gewohnet war, welche Ho- ſpitia bey den Fleiſchern in ihren engen Fleiſch- Baͤncken hatten. Da ich des Abends das erſte mahl, kurtz vor dem Zuſchluſſe des Gymnaſii, im Finſtern nach Hauſe kam, lieff ich in Secun- dum Ordinem hinein, in Meynung, einige Chora-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/152
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/152>, abgerufen am 11.10.2024.