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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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erschöpft; im Gegentheil, es stellt sich bald heraus, dass
dieselbe nur der Vorläufer oder die Theilerscheinung eines
schweren Gehirnleidens war. Binnen kurz oder lang treten
apoplectiforme oder epileptiforme Anfälle auf, welche häufig
Paraplegien der rechten Körperhälfte, Aphasien etc. hinter-
lassen; diese Anfälle wiederholen sich unter mannichfachen
Nüancirungen und schliesslich führen sie nach Monaten
oder Jahren den Tod des Individuums herbei. Dies ist
der durchschnittliche, aus den vorliegenden Beobachtungen
zu ziehende Verlauf. In einem Falle ging der Kranke
an einem intercurrirenden Gesichts-Erysipel zu Grunde.

Die sympto matische Stellung der Dyslexie liegt
also darin, dass sie trotz der scheinbaren Unbedeutendheit
der durch sie verursachten Functionsstörung ein Heerd-
symptom
ist, welches eine materielle Veränderung im
Bereiche der linken Gehirnhälfte und zwar in der Nähe
der Broca'schen Windung anzeigt.

Ihre diagnostische Bedeutung gipfelt in dem Um-
stande, dass sie stets im Anfange*) der Erkrankung auf-
tritt, häufig als das erste, jedesmal als eines der Initial-
symptome einer schweren Gehirnaffection.

Ihr prognostischer Werth hat seinen Schwerpunkt
in der Thatsache, dass sämmtliche Patienten an der-
jenigen Gehirnerkrankung, als deren Initialsymptom die
Dyslexie auftritt, zu Grunde zu gehen pflegen.

Was die pathologisch-anatomische Natur der Gehirn-
erkrankungen angeht, welche in den 6 zur Autopsie ge-

*) Kussmaul theilt allerdings Fälle mit (l. c. pag. 179), in
welchen kurze ein- und zweisilbige Worte oder Bruchstücke von
Worten gelesen wurden, und auch Jolly erwähnte bei Gelegenheit
der ersten Mittheilung des Verfassers über diesen Gegenstand (l. c.)
ähnlicher Beobachtungen. Alle diese Fälle betrafen aber Personen,
bei welchen Alexie vorausgegangen war, und welche sich nun im
Reconvalescenz-Stadium der letzteren befanden. Es handelte sich
also um keine primäre Dyslexie.
5*

erschöpft; im Gegentheil, es stellt sich bald heraus, dass
dieselbe nur der Vorläufer oder die Theilerscheinung eines
schweren Gehirnleidens war. Binnen kurz oder lang treten
apoplectiforme oder epileptiforme Anfälle auf, welche häufig
Paraplegien der rechten Körperhälfte, Aphasien etc. hinter-
lassen; diese Anfälle wiederholen sich unter mannichfachen
Nüancirungen und schliesslich führen sie nach Monaten
oder Jahren den Tod des Individuums herbei. Dies ist
der durchschnittliche, aus den vorliegenden Beobachtungen
zu ziehende Verlauf. In einem Falle ging der Kranke
an einem intercurrirenden Gesichts-Erysipel zu Grunde.

Die sympto matische Stellung der Dyslexie liegt
also darin, dass sie trotz der scheinbaren Unbedeutendheit
der durch sie verursachten Functionsstörung ein Heerd-
symptom
ist, welches eine materielle Veränderung im
Bereiche der linken Gehirnhälfte und zwar in der Nähe
der Broca’schen Windung anzeigt.

Ihre diagnostische Bedeutung gipfelt in dem Um-
stande, dass sie stets im Anfange*) der Erkrankung auf-
tritt, häufig als das erste, jedesmal als eines der Initial-
symptome einer schweren Gehirnaffection.

Ihr prognostischer Werth hat seinen Schwerpunkt
in der Thatsache, dass sämmtliche Patienten an der-
jenigen Gehirnerkrankung, als deren Initialsymptom die
Dyslexie auftritt, zu Grunde zu gehen pflegen.

Was die pathologisch-anatomische Natur der Gehirn-
erkrankungen angeht, welche in den 6 zur Autopsie ge-

*) Kussmaul theilt allerdings Fälle mit (l. c. pag. 179), in
welchen kurze ein- und zweisilbige Worte oder Bruchstücke von
Worten gelesen wurden, und auch Jolly erwähnte bei Gelegenheit
der ersten Mittheilung des Verfassers über diesen Gegenstand (l. c.)
ähnlicher Beobachtungen. Alle diese Fälle betrafen aber Personen,
bei welchen Alexie vorausgegangen war, und welche sich nun im
Reconvalescenz-Stadium der letzteren befanden. Es handelte sich
also um keine primäre Dyslexie.
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[67/0071] erschöpft; im Gegentheil, es stellt sich bald heraus, dass dieselbe nur der Vorläufer oder die Theilerscheinung eines schweren Gehirnleidens war. Binnen kurz oder lang treten apoplectiforme oder epileptiforme Anfälle auf, welche häufig Paraplegien der rechten Körperhälfte, Aphasien etc. hinter- lassen; diese Anfälle wiederholen sich unter mannichfachen Nüancirungen und schliesslich führen sie nach Monaten oder Jahren den Tod des Individuums herbei. Dies ist der durchschnittliche, aus den vorliegenden Beobachtungen zu ziehende Verlauf. In einem Falle ging der Kranke an einem intercurrirenden Gesichts-Erysipel zu Grunde. Die sympto matische Stellung der Dyslexie liegt also darin, dass sie trotz der scheinbaren Unbedeutendheit der durch sie verursachten Functionsstörung ein Heerd- symptom ist, welches eine materielle Veränderung im Bereiche der linken Gehirnhälfte und zwar in der Nähe der Broca’schen Windung anzeigt. Ihre diagnostische Bedeutung gipfelt in dem Um- stande, dass sie stets im Anfange *) der Erkrankung auf- tritt, häufig als das erste, jedesmal als eines der Initial- symptome einer schweren Gehirnaffection. Ihr prognostischer Werth hat seinen Schwerpunkt in der Thatsache, dass sämmtliche Patienten an der- jenigen Gehirnerkrankung, als deren Initialsymptom die Dyslexie auftritt, zu Grunde zu gehen pflegen. Was die pathologisch-anatomische Natur der Gehirn- erkrankungen angeht, welche in den 6 zur Autopsie ge- *) Kussmaul theilt allerdings Fälle mit (l. c. pag. 179), in welchen kurze ein- und zweisilbige Worte oder Bruchstücke von Worten gelesen wurden, und auch Jolly erwähnte bei Gelegenheit der ersten Mittheilung des Verfassers über diesen Gegenstand (l. c.) ähnlicher Beobachtungen. Alle diese Fälle betrafen aber Personen, bei welchen Alexie vorausgegangen war, und welche sich nun im Reconvalescenz-Stadium der letzteren befanden. Es handelte sich also um keine primäre Dyslexie. 5*

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/71>, abgerufen am 23.11.2024.