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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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Was das Allgemeinbefinden anging, so hatte sich
das Kopfweh und der Schwindel vollständig gebessert,
der Albumingehalt des Urins, welcher überhaupt nur gering
gewesen war, war in letzterer Zeit ganz verschwunden,
dagegen bestanden die Beschwerden von Seiten des Her-
zens fort, wenn auch in etwas vermindertem Grade.

Von Zeit zu Zeit bekam ich durch die Anverwandten
befriedigende Nachrichten über sie, namentlich erfuhr ich,
dass die Lesestörung sich nach und nach vollständig ge-
bessert habe. Selbst habe ich die Patientin leider nicht
wieder gesehen. Zum Winteraufenthalt ging sie nach
Meran, wo sie schon im October ernstlich erkrankte
und um Weihnachten 1881 einen schweren Schlaganfall
erlitt. Ueber den Verlauf dieser Erkrankung erhielt ich
durch die Güte des Herrn Dr. Prünster, folgende aus-
führliche Mittheilungen:

"Am 23. October 1881 wurde ich erstmals zu Mrs.
L. A. gerufen. Ich traf die Dame in ziemlich starken
klonischen Krämpfen. Seltene Athemzüge bewegten eine
geringe Menge schäumigen Speichels zwischen den halb-
geöffneten Lippen, der Puls war verlangsamt. Die Con-
vulsionen gingen auf Anwendung von Sinapismen schnell
vorüber, die Athmung wurde bald ruhiger und freier,
aber die Bewusstlosigkeit hielt länger an. Die Krämpfe
dürften im Ganzen 25 bis 30 Minuten, der Zustand der
Bewusstlosigkeit 11/2 Stunden gedauert haben. Darauf
stellte sich Schlaf ein, aus welchem Patientin nach einer
halben Stunde erwachte. Sie klagte darnach wohl noch
über Abgeschlagenheit der Glieder und grosse Müdigkeit,
aber am Nachmittage war sie schon ganz bei klaren
Sinnen und im Laufe der nächsten Tage erholte sie sich
vollkommen.

Der Urin wurde täglich von 2 Apothekern und mir
auf Eiweis untersucht. Wir fanden nie eine Spur,
während Professor Friedreich einige Wochen vorher
Eiweis gefunden hatte.

Was das Allgemeinbefinden anging, so hatte sich
das Kopfweh und der Schwindel vollständig gebessert,
der Albumingehalt des Urins, welcher überhaupt nur gering
gewesen war, war in letzterer Zeit ganz verschwunden,
dagegen bestanden die Beschwerden von Seiten des Her-
zens fort, wenn auch in etwas vermindertem Grade.

Von Zeit zu Zeit bekam ich durch die Anverwandten
befriedigende Nachrichten über sie, namentlich erfuhr ich,
dass die Lesestörung sich nach und nach vollständig ge-
bessert habe. Selbst habe ich die Patientin leider nicht
wieder gesehen. Zum Winteraufenthalt ging sie nach
Meran, wo sie schon im October ernstlich erkrankte
und um Weihnachten 1881 einen schweren Schlaganfall
erlitt. Ueber den Verlauf dieser Erkrankung erhielt ich
durch die Güte des Herrn Dr. Prünster, folgende aus-
führliche Mittheilungen:

„Am 23. October 1881 wurde ich erstmals zu Mrs.
L. A. gerufen. Ich traf die Dame in ziemlich starken
klonischen Krämpfen. Seltene Athemzüge bewegten eine
geringe Menge schäumigen Speichels zwischen den halb-
geöffneten Lippen, der Puls war verlangsamt. Die Con-
vulsionen gingen auf Anwendung von Sinapismen schnell
vorüber, die Athmung wurde bald ruhiger und freier,
aber die Bewusstlosigkeit hielt länger an. Die Krämpfe
dürften im Ganzen 25 bis 30 Minuten, der Zustand der
Bewusstlosigkeit 1½ Stunden gedauert haben. Darauf
stellte sich Schlaf ein, aus welchem Patientin nach einer
halben Stunde erwachte. Sie klagte darnach wohl noch
über Abgeschlagenheit der Glieder und grosse Müdigkeit,
aber am Nachmittage war sie schon ganz bei klaren
Sinnen und im Laufe der nächsten Tage erholte sie sich
vollkommen.

Der Urin wurde täglich von 2 Apothekern und mir
auf Eiweis untersucht. Wir fanden nie eine Spur,
während Professor Friedreich einige Wochen vorher
Eiweis gefunden hatte.

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[20/0024] Was das Allgemeinbefinden anging, so hatte sich das Kopfweh und der Schwindel vollständig gebessert, der Albumingehalt des Urins, welcher überhaupt nur gering gewesen war, war in letzterer Zeit ganz verschwunden, dagegen bestanden die Beschwerden von Seiten des Her- zens fort, wenn auch in etwas vermindertem Grade. Von Zeit zu Zeit bekam ich durch die Anverwandten befriedigende Nachrichten über sie, namentlich erfuhr ich, dass die Lesestörung sich nach und nach vollständig ge- bessert habe. Selbst habe ich die Patientin leider nicht wieder gesehen. Zum Winteraufenthalt ging sie nach Meran, wo sie schon im October ernstlich erkrankte und um Weihnachten 1881 einen schweren Schlaganfall erlitt. Ueber den Verlauf dieser Erkrankung erhielt ich durch die Güte des Herrn Dr. Prünster, folgende aus- führliche Mittheilungen: „Am 23. October 1881 wurde ich erstmals zu Mrs. L. A. gerufen. Ich traf die Dame in ziemlich starken klonischen Krämpfen. Seltene Athemzüge bewegten eine geringe Menge schäumigen Speichels zwischen den halb- geöffneten Lippen, der Puls war verlangsamt. Die Con- vulsionen gingen auf Anwendung von Sinapismen schnell vorüber, die Athmung wurde bald ruhiger und freier, aber die Bewusstlosigkeit hielt länger an. Die Krämpfe dürften im Ganzen 25 bis 30 Minuten, der Zustand der Bewusstlosigkeit 1½ Stunden gedauert haben. Darauf stellte sich Schlaf ein, aus welchem Patientin nach einer halben Stunde erwachte. Sie klagte darnach wohl noch über Abgeschlagenheit der Glieder und grosse Müdigkeit, aber am Nachmittage war sie schon ganz bei klaren Sinnen und im Laufe der nächsten Tage erholte sie sich vollkommen. Der Urin wurde täglich von 2 Apothekern und mir auf Eiweis untersucht. Wir fanden nie eine Spur, während Professor Friedreich einige Wochen vorher Eiweis gefunden hatte.

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/24>, abgerufen am 27.11.2024.