Romove blutete, als die preußischen Ordensritter sie fällten; ebenso der berüchtigte Holzbirnbaum im Walde bei Lupfig (Kant. Aargau), und nordische Mährchen berichten viele ähnliche Geschichten (vgl. Rochholz, Schweizersagen).
Die Forstkultur, welche bis in die allerjüngste Zeit gerade in den Hochalpenkantonen so zu sagen gar nicht existirte, konnte sich somit auch nicht auf eine rationelle Behandlung der Bannwälder erstrecken. Diese waren und sind zum Theil noch Prototype des sinnlosesten, schädlichsten Konservatismus. In der Meinung, daß durchaus kein Stamm gefällt werden dürfe, wurden die mehrhun¬ dertjährigen Bäume abständig, stürzten um und beschädigten durch ihren Fall nicht nur die nebenstehenden, jüngeren, kräftigen Bäume, sondern zerstörten auch dadurch, daß der Stock sammt Wurzeln und Ballen aus der Erde riß, die meist dünn auf den Felsen liegende Bodenschicht der Dammerde. Oder wo der Windbruch ein Stück Wald warf, da nahmen die Gemeindeangehörigen gerade eben das Holz heraus, was ihnen momentan dienlich war, und ließen das übrige liegen, wodurch begreiflich die Regeneration, der junge, kläftige Nachwuchs sehr gehindert wurde. Darum sehen viele Bann¬ wälder, namentlich in den Urkantonen und im Tessin, Wallis und Graubünden entsetzlich wild und zerstört aus. Eine Wanderung durch einen solchen wird uns näher vertraut mit seinen charakte¬ ristischen Eigenthümlichkeiten machen.
Alle Bannwälder bestehen fast nur aus Nadelholz, besonders aus Arven oder Zirbelkiefern (Pinus cembra) und Lärchen (Pi¬ nus larix), die vorherrschend in den östlichen Alpen, namentlich in der rhätischen Plateaubildung als geschlossene Massen bis zu 6000 paris. Fuß übers Meer ansteigen, -- und aus Rothtan¬ nen oder Fichten (Pinus abies L.) und Kiefern (Pinus syl¬ vestris), auch "Dähle" genannt, die mehr in den westlichen Alpen die Waldbestände bilden und deren sammethafte Vegetations¬ gränze meist schon bei 5500 Fuß aufhört. -- Das Holz der
Der Bannwald.
Romove blutete, als die preußiſchen Ordensritter ſie fällten; ebenſo der berüchtigte Holzbirnbaum im Walde bei Lupfig (Kant. Aargau), und nordiſche Mährchen berichten viele ähnliche Geſchichten (vgl. Rochholz, Schweizerſagen).
Die Forſtkultur, welche bis in die allerjüngſte Zeit gerade in den Hochalpenkantonen ſo zu ſagen gar nicht exiſtirte, konnte ſich ſomit auch nicht auf eine rationelle Behandlung der Bannwälder erſtrecken. Dieſe waren und ſind zum Theil noch Prototype des ſinnloſeſten, ſchädlichſten Konſervatismus. In der Meinung, daß durchaus kein Stamm gefällt werden dürfe, wurden die mehrhun¬ dertjährigen Bäume abſtändig, ſtürzten um und beſchädigten durch ihren Fall nicht nur die nebenſtehenden, jüngeren, kräftigen Bäume, ſondern zerſtörten auch dadurch, daß der Stock ſammt Wurzeln und Ballen aus der Erde riß, die meiſt dünn auf den Felſen liegende Bodenſchicht der Dammerde. Oder wo der Windbruch ein Stück Wald warf, da nahmen die Gemeindeangehörigen gerade eben das Holz heraus, was ihnen momentan dienlich war, und ließen das übrige liegen, wodurch begreiflich die Regeneration, der junge, kläftige Nachwuchs ſehr gehindert wurde. Darum ſehen viele Bann¬ wälder, namentlich in den Urkantonen und im Teſſin, Wallis und Graubünden entſetzlich wild und zerſtört aus. Eine Wanderung durch einen ſolchen wird uns näher vertraut mit ſeinen charakte¬ riſtiſchen Eigenthümlichkeiten machen.
Alle Bannwälder beſtehen faſt nur aus Nadelholz, beſonders aus Arven oder Zirbelkiefern (Pinus cembra) und Lärchen (Pi¬ nus larix), die vorherrſchend in den öſtlichen Alpen, namentlich in der rhätiſchen Plateaubildung als geſchloſſene Maſſen bis zu 6000 pariſ. Fuß übers Meer anſteigen, — und aus Rothtan¬ nen oder Fichten (Pinus abies L.) und Kiefern (Pinus syl¬ vestris), auch „Dähle“ genannt, die mehr in den weſtlichen Alpen die Waldbeſtände bilden und deren ſammethafte Vegetations¬ gränze meiſt ſchon bei 5500 Fuß aufhört. — Das Holz der
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Der Bannwald.
Romove blutete, als die preußiſchen Ordensritter ſie fällten; ebenſo
der berüchtigte Holzbirnbaum im Walde bei Lupfig (Kant. Aargau),
und nordiſche Mährchen berichten viele ähnliche Geſchichten (vgl.
Rochholz, Schweizerſagen).
Die Forſtkultur, welche bis in die allerjüngſte Zeit gerade in
den Hochalpenkantonen ſo zu ſagen gar nicht exiſtirte, konnte ſich
ſomit auch nicht auf eine rationelle Behandlung der Bannwälder
erſtrecken. Dieſe waren und ſind zum Theil noch Prototype des
ſinnloſeſten, ſchädlichſten Konſervatismus. In der Meinung, daß
durchaus kein Stamm gefällt werden dürfe, wurden die mehrhun¬
dertjährigen Bäume abſtändig, ſtürzten um und beſchädigten durch
ihren Fall nicht nur die nebenſtehenden, jüngeren, kräftigen Bäume,
ſondern zerſtörten auch dadurch, daß der Stock ſammt Wurzeln und
Ballen aus der Erde riß, die meiſt dünn auf den Felſen liegende
Bodenſchicht der Dammerde. Oder wo der Windbruch ein Stück
Wald warf, da nahmen die Gemeindeangehörigen gerade eben das
Holz heraus, was ihnen momentan dienlich war, und ließen das
übrige liegen, wodurch begreiflich die Regeneration, der junge,
kläftige Nachwuchs ſehr gehindert wurde. Darum ſehen viele Bann¬
wälder, namentlich in den Urkantonen und im Teſſin, Wallis und
Graubünden entſetzlich wild und zerſtört aus. Eine Wanderung
durch einen ſolchen wird uns näher vertraut mit ſeinen charakte¬
riſtiſchen Eigenthümlichkeiten machen.
Alle Bannwälder beſtehen faſt nur aus Nadelholz, beſonders aus
Arven oder Zirbelkiefern (Pinus cembra) und Lärchen (Pi¬
nus larix), die vorherrſchend in den öſtlichen Alpen, namentlich
in der rhätiſchen Plateaubildung als geſchloſſene Maſſen bis zu
6000 pariſ. Fuß übers Meer anſteigen, — und aus Rothtan¬
nen oder Fichten (Pinus abies L.) und Kiefern (Pinus syl¬
vestris), auch „Dähle“ genannt, die mehr in den weſtlichen Alpen
die Waldbeſtände bilden und deren ſammethafte Vegetations¬
gränze meiſt ſchon bei 5500 Fuß aufhört. — Das Holz der
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/92>, abgerufen am 25.11.2024.
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