artiger Mineralsubstanzen; er ist ein selbsteigenes Gebilde, welches die einst, im flüssigen Zustande gemischten, verschiedenartigen mine¬ ralischen Species durch Krystallisation nebeneinander ausschied. Ein zwar nicht ganz treffendes, aber doch annähernd erläuterndes Beispiel von dem wahrscheinlichen Krystallisationsprozeß des Gra¬ nites läßt sich aus der Chemie geben. Jedermann kann dies kleine Experiment probiren. Kochsalz und Salpeter gemeinschaftlich in Wasser, bis zur Sättigung, aufgelöst, so daß beide Salze völlig vermischt erscheinen, krystallisiren, wenn die Flüssigkeit allmälig verdunstet, sich ausscheidend wieder selbstständig: das Kochsalz in rechtwinkeligen Würfeln, der Salpeter in langen sechsseitigen Säul¬ chen, so daß jedes der beiden Salze wieder die demselben aus¬ schließlichen Eigenschaften zeigt.
Feldspath, meist milchweiß oder gräulich, auch röthlich, stellt die Hauptmasse, beinahe die Hälfte des eigentlichen massiven Gra¬ nites dar, zwischen welchem weiße, seltener gelblich oder grünlich gefärbte krystallinische, glasartig durchsichtige Quarzkörnchen die Grundmasse bilden und dünne, glänzende Glimmerplättchen einge¬ lagert sind. Diese normale Zusammensetzung weicht aber an den verschiedenen Fundorten sehr von einander ab. Wer eine Badekur zu St. Moriz im Ober-Engadin macht, kann bei jedem Spazier¬ gange gleich einige Varietäten am Wege sammeln; denn der Ber¬ nina-Granit ist grün, serpentinhaltig, während der vom gegenüber¬ liegenden Piz Languard rothen Feldspath mit milchweißem Quarz enthält. Noch auffallender ist der Farbenunterschied des Granits am Lago maggiore; der von Baveno, gegenüber den Borromäischen Inseln, ist schön pfirsichblüthenroth, während der berühmte s. g. Miarolo bianco aus den Brüchen des ganz nahe dabei liegenden Monte Orfano weiß ist und wie ein gänzlich anderes Gestein aus¬ sieht. Der Letztgenannte gab das Baumaterial zu vielen der schön¬ sten Kirchen Nord-Italiens ab; namentlich sind auch die herrlichen Säulen am Eingange des Mailänder Domes aus diesem Gestein
Granit.
artiger Mineralſubſtanzen; er iſt ein ſelbſteigenes Gebilde, welches die einſt, im flüſſigen Zuſtande gemiſchten, verſchiedenartigen mine¬ raliſchen Species durch Kryſtalliſation nebeneinander ausſchied. Ein zwar nicht ganz treffendes, aber doch annähernd erläuterndes Beiſpiel von dem wahrſcheinlichen Kryſtalliſationsprozeß des Gra¬ nites läßt ſich aus der Chemie geben. Jedermann kann dies kleine Experiment probiren. Kochſalz und Salpeter gemeinſchaftlich in Waſſer, bis zur Sättigung, aufgelöſt, ſo daß beide Salze völlig vermiſcht erſcheinen, kryſtalliſiren, wenn die Flüſſigkeit allmälig verdunſtet, ſich ausſcheidend wieder ſelbſtſtändig: das Kochſalz in rechtwinkeligen Würfeln, der Salpeter in langen ſechsſeitigen Säul¬ chen, ſo daß jedes der beiden Salze wieder die demſelben aus¬ ſchließlichen Eigenſchaften zeigt.
Feldſpath, meiſt milchweiß oder gräulich, auch röthlich, ſtellt die Hauptmaſſe, beinahe die Hälfte des eigentlichen maſſiven Gra¬ nites dar, zwiſchen welchem weiße, ſeltener gelblich oder grünlich gefärbte kryſtalliniſche, glasartig durchſichtige Quarzkörnchen die Grundmaſſe bilden und dünne, glänzende Glimmerplättchen einge¬ lagert ſind. Dieſe normale Zuſammenſetzung weicht aber an den verſchiedenen Fundorten ſehr von einander ab. Wer eine Badekur zu St. Moriz im Ober-Engadin macht, kann bei jedem Spazier¬ gange gleich einige Varietäten am Wege ſammeln; denn der Ber¬ nina-Granit iſt grün, ſerpentinhaltig, während der vom gegenüber¬ liegenden Piz Languard rothen Feldſpath mit milchweißem Quarz enthält. Noch auffallender iſt der Farbenunterſchied des Granits am Lago maggiore; der von Baveno, gegenüber den Borromäiſchen Inſeln, iſt ſchön pfirſichblüthenroth, während der berühmte ſ. g. Miarolo bianco aus den Brüchen des ganz nahe dabei liegenden Monte Orfano weiß iſt und wie ein gänzlich anderes Geſtein aus¬ ſieht. Der Letztgenannte gab das Baumaterial zu vielen der ſchön¬ ſten Kirchen Nord-Italiens ab; namentlich ſind auch die herrlichen Säulen am Eingange des Mailänder Domes aus dieſem Geſtein
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Granit.
artiger Mineralſubſtanzen; er iſt ein ſelbſteigenes Gebilde, welches
die einſt, im flüſſigen Zuſtande gemiſchten, verſchiedenartigen mine¬
raliſchen Species durch Kryſtalliſation nebeneinander ausſchied.
Ein zwar nicht ganz treffendes, aber doch annähernd erläuterndes
Beiſpiel von dem wahrſcheinlichen Kryſtalliſationsprozeß des Gra¬
nites läßt ſich aus der Chemie geben. Jedermann kann dies kleine
Experiment probiren. Kochſalz und Salpeter gemeinſchaftlich in
Waſſer, bis zur Sättigung, aufgelöſt, ſo daß beide Salze völlig
vermiſcht erſcheinen, kryſtalliſiren, wenn die Flüſſigkeit allmälig
verdunſtet, ſich ausſcheidend wieder ſelbſtſtändig: das Kochſalz in
rechtwinkeligen Würfeln, der Salpeter in langen ſechsſeitigen Säul¬
chen, ſo daß jedes der beiden Salze wieder die demſelben aus¬
ſchließlichen Eigenſchaften zeigt.
Feldſpath, meiſt milchweiß oder gräulich, auch röthlich, ſtellt
die Hauptmaſſe, beinahe die Hälfte des eigentlichen maſſiven Gra¬
nites dar, zwiſchen welchem weiße, ſeltener gelblich oder grünlich
gefärbte kryſtalliniſche, glasartig durchſichtige Quarzkörnchen die
Grundmaſſe bilden und dünne, glänzende Glimmerplättchen einge¬
lagert ſind. Dieſe normale Zuſammenſetzung weicht aber an den
verſchiedenen Fundorten ſehr von einander ab. Wer eine Badekur
zu St. Moriz im Ober-Engadin macht, kann bei jedem Spazier¬
gange gleich einige Varietäten am Wege ſammeln; denn der Ber¬
nina-Granit iſt grün, ſerpentinhaltig, während der vom gegenüber¬
liegenden Piz Languard rothen Feldſpath mit milchweißem Quarz
enthält. Noch auffallender iſt der Farbenunterſchied des Granits
am Lago maggiore; der von Baveno, gegenüber den Borromäiſchen
Inſeln, iſt ſchön pfirſichblüthenroth, während der berühmte ſ. g.
Miarolo bianco aus den Brüchen des ganz nahe dabei liegenden
Monte Orfano weiß iſt und wie ein gänzlich anderes Geſtein aus¬
ſieht. Der Letztgenannte gab das Baumaterial zu vielen der ſchön¬
ſten Kirchen Nord-Italiens ab; namentlich ſind auch die herrlichen
Säulen am Eingange des Mailänder Domes aus dieſem Geſtein
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/39>, abgerufen am 17.02.2025.
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