In jeder, einigermaßen großen Alpenwirthschaft der Schweiz hausen gewöhnlich drei Aelpler und ein Knabe; Weiber besorgen dieselbe, wie schon erwähnt, nur in den österreichischen und bayeri¬ schen Alpen, so wie in einigen Thälern des Wallis. Major domus ist der Senn; entweder selbst Herdenbesitzer oder Beauftragter einer Societät, führt er das Regiment, besorgt die Käserei sammt deren Magazine und ist zugleich Buchhalter des Geschäftes. Memorial, Lagerstrazze, Conto corrente und Hauptbuch finden sich entweder in einem mit Papier durchschossenen Quartkalender vereinigt, der hinter einem angenagelten Holzspahn an der Wand steckt, oder irgend ein kleines Taschen-Notizbuch enthält die Hieroglyphen der ganzen Geschäfts-Abwickelung. Sein Beistand und Handlanger ist der "Sennbub, Handbub, Schorrbueb, Junger, oder im Wallis der "Pato", der wie der Senn den größten Theil der Zeit in der Hütte zubringt; er hat die Gefäße zu reinigen (die im Gegensatz zum beschriebenen Habitus der Hütte auffallend sauber gehalten werden, weil von diesem Umstande die Güte der zu gewinnenden Milchprodukte abhängt) und dem Senn unmittelbare Handhilfe zu leisten, ist aber nicht immer ein 14 oder 15 jähriger Bube, sondern oft ein derber Gesell, der seine Dreißig überwunden hat. Die Ver¬ mittelungsperson zwischen Berg und Thal, der Käsemerkurius und Heimaths-Telegraph, ist der "Zusenn", welcher alle Alpenprodukte hinab und Holz sammt Viktualien herauf zu schaffen hat; im Walliser Patois wird er gemüthlich bezeichnend "Lamieiy" (l'ami, der Freund) genannt. Ihm steht, wo gute Einrichtungen getroffen sind, ein Saumroß zu Diensten. Der eigentliche Hirt endlich ist der "Chüener, Gaumer, Kühbub oder Rinderer", im Wallis "Vigly" (vigilantia, die Wachsamkeit?); seine ausschließliche Obliegenheit ist's, das "Senntem" auszutreiben und zu hüten. An sicheren Orten, wo kein Vieh stürzen und kein Raubthier der Herde schaden kann, liegt er halbe Tage lang bei gutem Wetter am Boden, schaut in die herrliche Gebirgslandschaft hinaus, jodelt nach Herzenslust in
Sennenleben in den Alpen.
In jeder, einigermaßen großen Alpenwirthſchaft der Schweiz hauſen gewöhnlich drei Aelpler und ein Knabe; Weiber beſorgen dieſelbe, wie ſchon erwähnt, nur in den öſterreichiſchen und bayeri¬ ſchen Alpen, ſo wie in einigen Thälern des Wallis. Major domus iſt der Senn; entweder ſelbſt Herdenbeſitzer oder Beauftragter einer Societät, führt er das Regiment, beſorgt die Käſerei ſammt deren Magazine und iſt zugleich Buchhalter des Geſchäftes. Memorial, Lagerſtrazze, Conto corrente und Hauptbuch finden ſich entweder in einem mit Papier durchſchoſſenen Quartkalender vereinigt, der hinter einem angenagelten Holzſpahn an der Wand ſteckt, oder irgend ein kleines Taſchen-Notizbuch enthält die Hieroglyphen der ganzen Geſchäfts-Abwickelung. Sein Beiſtand und Handlanger iſt der „Sennbub, Handbub, Schorrbueb, Junger, oder im Wallis der „Pató“, der wie der Senn den größten Theil der Zeit in der Hütte zubringt; er hat die Gefäße zu reinigen (die im Gegenſatz zum beſchriebenen Habitus der Hütte auffallend ſauber gehalten werden, weil von dieſem Umſtande die Güte der zu gewinnenden Milchprodukte abhängt) und dem Senn unmittelbare Handhilfe zu leiſten, iſt aber nicht immer ein 14 oder 15 jähriger Bube, ſondern oft ein derber Geſell, der ſeine Dreißig überwunden hat. Die Ver¬ mittelungsperſon zwiſchen Berg und Thal, der Käſemerkurius und Heimaths-Telegraph, iſt der „Zuſenn“, welcher alle Alpenprodukte hinab und Holz ſammt Viktualien herauf zu ſchaffen hat; im Walliſer Patois wird er gemüthlich bezeichnend „Lamieiy“ (l'ami, der Freund) genannt. Ihm ſteht, wo gute Einrichtungen getroffen ſind, ein Saumroß zu Dienſten. Der eigentliche Hirt endlich iſt der „Chüener, Gaumer, Kühbub oder Rinderer“, im Wallis „Vigly“ (vigilantia, die Wachſamkeit?); ſeine ausſchließliche Obliegenheit iſt's, das „Senntem“ auszutreiben und zu hüten. An ſicheren Orten, wo kein Vieh ſtürzen und kein Raubthier der Herde ſchaden kann, liegt er halbe Tage lang bei gutem Wetter am Boden, ſchaut in die herrliche Gebirgslandſchaft hinaus, jodelt nach Herzensluſt in
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Sennenleben in den Alpen.
In jeder, einigermaßen großen Alpenwirthſchaft der Schweiz
hauſen gewöhnlich drei Aelpler und ein Knabe; Weiber beſorgen
dieſelbe, wie ſchon erwähnt, nur in den öſterreichiſchen und bayeri¬
ſchen Alpen, ſo wie in einigen Thälern des Wallis. Major domus
iſt der Senn; entweder ſelbſt Herdenbeſitzer oder Beauftragter einer
Societät, führt er das Regiment, beſorgt die Käſerei ſammt deren
Magazine und iſt zugleich Buchhalter des Geſchäftes. Memorial,
Lagerſtrazze, Conto corrente und Hauptbuch finden ſich entweder
in einem mit Papier durchſchoſſenen Quartkalender vereinigt, der
hinter einem angenagelten Holzſpahn an der Wand ſteckt, oder irgend
ein kleines Taſchen-Notizbuch enthält die Hieroglyphen der ganzen
Geſchäfts-Abwickelung. Sein Beiſtand und Handlanger iſt der
„Sennbub, Handbub, Schorrbueb, Junger, oder im Wallis der
„Pató“, der wie der Senn den größten Theil der Zeit in der
Hütte zubringt; er hat die Gefäße zu reinigen (die im Gegenſatz
zum beſchriebenen Habitus der Hütte auffallend ſauber gehalten
werden, weil von dieſem Umſtande die Güte der zu gewinnenden
Milchprodukte abhängt) und dem Senn unmittelbare Handhilfe zu
leiſten, iſt aber nicht immer ein 14 oder 15 jähriger Bube, ſondern
oft ein derber Geſell, der ſeine Dreißig überwunden hat. Die Ver¬
mittelungsperſon zwiſchen Berg und Thal, der Käſemerkurius und
Heimaths-Telegraph, iſt der „Zuſenn“, welcher alle Alpenprodukte
hinab und Holz ſammt Viktualien herauf zu ſchaffen hat; im Walliſer
Patois wird er gemüthlich bezeichnend „Lamieiy“ (l'ami, der Freund)
genannt. Ihm ſteht, wo gute Einrichtungen getroffen ſind, ein
Saumroß zu Dienſten. Der eigentliche Hirt endlich iſt der „Chüener,
Gaumer, Kühbub oder Rinderer“, im Wallis „Vigly“ (vigilantia,
die Wachſamkeit?); ſeine ausſchließliche Obliegenheit iſt's, das
„Senntem“ auszutreiben und zu hüten. An ſicheren Orten, wo
kein Vieh ſtürzen und kein Raubthier der Herde ſchaden kann,
liegt er halbe Tage lang bei gutem Wetter am Boden, ſchaut in
die herrliche Gebirgslandſchaft hinaus, jodelt nach Herzensluſt in
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/380>, abgerufen am 25.11.2024.
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