Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Sennenleben in den Alpen. besitz, und darum die Quelle seines Lebensunterhaltes und Ver¬dienstes, der Gegenstand seines Studiums, Nachdenkens und seiner größten Sorgfalt, sein Stolz, kurzum der sächliche Inbegriff seiner vorzüglichsten irdischen Lebensaufgabe. Nach der Größe seiner Herde rangirt er in der Gesellschaft seiner Gemeindsgenossen, nach ihr wird er geschätzt und aus ihr schreibt sich sein heimathli¬ ches Ansehen, seine Dorf-Magnatenschaft her. So ists in den meisten Alpenthälern. Indessen giebts auch in Alpendörfern reiche Bauern, die sich nicht mit der Viehzucht und Alpenwirthschaft be¬ fassen und ihre Alpen in Lehenzins geben. Nicht jeder Vieh-besitzende Gebirgsbauer "fährt selbst auf Sennenleben in den Alpen. beſitz, und darum die Quelle ſeines Lebensunterhaltes und Ver¬dienſtes, der Gegenſtand ſeines Studiums, Nachdenkens und ſeiner größten Sorgfalt, ſein Stolz, kurzum der ſächliche Inbegriff ſeiner vorzüglichſten irdiſchen Lebensaufgabe. Nach der Größe ſeiner Herde rangirt er in der Geſellſchaft ſeiner Gemeindsgenoſſen, nach ihr wird er geſchätzt und aus ihr ſchreibt ſich ſein heimathli¬ ches Anſehen, ſeine Dorf-Magnatenſchaft her. So iſts in den meiſten Alpenthälern. Indeſſen giebts auch in Alpendörfern reiche Bauern, die ſich nicht mit der Viehzucht und Alpenwirthſchaft be¬ faſſen und ihre Alpen in Lehenzins geben. Nicht jeder Vieh-beſitzende Gebirgsbauer „fährt ſelbſt auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0371" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Sennenleben in den Alpen</hi>.<lb/></fw>beſitz, und darum die Quelle ſeines Lebensunterhaltes und Ver¬<lb/> dienſtes, der Gegenſtand ſeines Studiums, Nachdenkens und ſeiner<lb/> größten Sorgfalt, ſein Stolz, kurzum der ſächliche Inbegriff ſeiner<lb/> vorzüglichſten irdiſchen Lebensaufgabe. Nach der Größe ſeiner<lb/> Herde rangirt er in der Geſellſchaft ſeiner Gemeindsgenoſſen, nach<lb/> ihr wird er geſchätzt und aus ihr ſchreibt ſich ſein heimathli¬<lb/> ches Anſehen, ſeine Dorf-Magnatenſchaft her. So iſts in den<lb/> meiſten Alpenthälern. Indeſſen giebts auch in Alpendörfern reiche<lb/> Bauern, die ſich nicht mit der Viehzucht und Alpenwirthſchaft be¬<lb/> faſſen und ihre Alpen in Lehenzins geben.</p><lb/> <p>Nicht jeder Vieh-beſitzende Gebirgsbauer „fährt ſelbſt auf<lb/> Alp“; die Größe ſeiner Herde entſcheidet darüber. Wer 24 und<lb/> mehr Kühe beſitzt, heißt ein „Sennten-Bauer“, weil dieſe Anzahl,<lb/> beſonders wenn ein Zuchtſtier dabei iſt, ein „Senntum“ genannt<lb/> wird. Wer weniger beſitzt, hat nach dem Ausdruck der Appenzeller<lb/> blos ein „Schüppeli Vech.“ Solch größere Vieh-Beſitzer, in den<lb/> italieniſchen Bergen <hi rendition="#aq">„alpadore“</hi> genannt, haben entweder eigene<lb/> Alpweiden, oder ſie nehmen deren in Lehenzins, oder ſie benutzen<lb/> (was am Meiſten der Fall iſt) die Gemeinde-Alpen oder „Hirtenen“<lb/> und „laden ſelbſt z'Alp.“ — Kleinere Bauern, die nur wenige<lb/> Kühe beſitzen, gehen im Frühling wohl perſönlich in die Voralpen<lb/> „Berggüter“ oder „Maienſäße“ (auch Allmeinden); aber wenn das<lb/> Vieh dann im Juli und Auguſt in die höheren Weiden (die ſ. g.<lb/> mittleren und oberen Staffeln, italieniſch: <hi rendition="#aq">stabii</hi> oder <hi rendition="#aq">corti</hi>) ge¬<lb/> trieben wird, ſo übergeben eine Anzahl von Nachbaren ihr Vieh<lb/> einem gemeinſamen Sennen, mit dem ſie dann am Schluß der<lb/> Alpenzeit (gewöhnlich Michaelistag) Abrechnung halten. Um aber<lb/> eine ſolche Auseinanderſetzung des Käſe- und Butter-Ertrages der<lb/> verſchiedenen Intereſſenten feſtſtellen zu können, da nicht eine Kuh<lb/> ſo viel Milch giebt als die andere, ſo gehen ſämmtliche Betheiligte<lb/> während der Dauer der Alpzeit an zwei beſonders hierzu beſtimmten<lb/> Tagen hinauf „auf Alp goh meſſe“ (engadiniſch: <hi rendition="#aq">„in süras“),</hi> —<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [333/0371]
Sennenleben in den Alpen.
beſitz, und darum die Quelle ſeines Lebensunterhaltes und Ver¬
dienſtes, der Gegenſtand ſeines Studiums, Nachdenkens und ſeiner
größten Sorgfalt, ſein Stolz, kurzum der ſächliche Inbegriff ſeiner
vorzüglichſten irdiſchen Lebensaufgabe. Nach der Größe ſeiner
Herde rangirt er in der Geſellſchaft ſeiner Gemeindsgenoſſen, nach
ihr wird er geſchätzt und aus ihr ſchreibt ſich ſein heimathli¬
ches Anſehen, ſeine Dorf-Magnatenſchaft her. So iſts in den
meiſten Alpenthälern. Indeſſen giebts auch in Alpendörfern reiche
Bauern, die ſich nicht mit der Viehzucht und Alpenwirthſchaft be¬
faſſen und ihre Alpen in Lehenzins geben.
Nicht jeder Vieh-beſitzende Gebirgsbauer „fährt ſelbſt auf
Alp“; die Größe ſeiner Herde entſcheidet darüber. Wer 24 und
mehr Kühe beſitzt, heißt ein „Sennten-Bauer“, weil dieſe Anzahl,
beſonders wenn ein Zuchtſtier dabei iſt, ein „Senntum“ genannt
wird. Wer weniger beſitzt, hat nach dem Ausdruck der Appenzeller
blos ein „Schüppeli Vech.“ Solch größere Vieh-Beſitzer, in den
italieniſchen Bergen „alpadore“ genannt, haben entweder eigene
Alpweiden, oder ſie nehmen deren in Lehenzins, oder ſie benutzen
(was am Meiſten der Fall iſt) die Gemeinde-Alpen oder „Hirtenen“
und „laden ſelbſt z'Alp.“ — Kleinere Bauern, die nur wenige
Kühe beſitzen, gehen im Frühling wohl perſönlich in die Voralpen
„Berggüter“ oder „Maienſäße“ (auch Allmeinden); aber wenn das
Vieh dann im Juli und Auguſt in die höheren Weiden (die ſ. g.
mittleren und oberen Staffeln, italieniſch: stabii oder corti) ge¬
trieben wird, ſo übergeben eine Anzahl von Nachbaren ihr Vieh
einem gemeinſamen Sennen, mit dem ſie dann am Schluß der
Alpenzeit (gewöhnlich Michaelistag) Abrechnung halten. Um aber
eine ſolche Auseinanderſetzung des Käſe- und Butter-Ertrages der
verſchiedenen Intereſſenten feſtſtellen zu können, da nicht eine Kuh
ſo viel Milch giebt als die andere, ſo gehen ſämmtliche Betheiligte
während der Dauer der Alpzeit an zwei beſonders hierzu beſtimmten
Tagen hinauf „auf Alp goh meſſe“ (engadiniſch: „in süras“), —
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