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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpenspitzen.
cension vornahm, indem er das Seil um den rechten Arm schlang
und unter Nachhilfe des mit der linken Hand regierten Bergstockes
(dessen scharfe eiserne Spitze er kräftig ins Eis einschlug) sich
über den Abgrund emporziehen ließ. Herr Studer folgte in
gleicher Weise. -- Noch komplicirter war die Transscension eines
Firnschrundes bei der Ersteigung des Grand Combin (13261 Fuß,
Walliser Alpen) am 10. August 1858 durch die beiden gleichen
Gebirgsforscher. Dort war die enorm tiefe Kluft oben nur etwa zwei
Fuß breit, aber die gegenüberliegende Eiswand ragte sieben Fuß
höher, senkrecht auf. Die Führer, Gebrüder Felley (von Lourtier)
wußten auch hier rasch Rath. "Zwei lange Bergstöcke wurden in
einer Höhe von etwa fünf Fuß über der Oeffnung der Spalte
horizontal in die jenseitige Firnwand fest genug eingebohrt, damit
sie als treppenartige Stützpunkte für den Fuß dienen konnten.
Darauf ließ Benjamin Felley dem Rande des Schrundes so nahe
als möglich sich auf Hände und Kniee nieder. Sein Bruder Moritz
trat auf dessen Rücken und Schulter, benutzte diese sanft sich em¬
porhebende, lebendige Treppe, so wie die eingebohrten Stöcke als
Fuß-Stützpunkte, und schwang, mit den Händen tief eingreifend,
sich dann flink und kräftig nach dem oberen, weniger steil abge¬
schnittenen und in seiner Masse auch mehr gelockerten Firngehänge
empor, bis er eine sichere Stellung gewonnen hatte. Als er diese
erreicht, wurde ihm das Seil zugeworfen; ein zweiter Führer band
dessen unteres Ende sich um den Leib und konnte mit Hilfe dessel¬
ben nunmehr leichter hinaufklettern. Auf gleiche Weise wurden die
Uebrigen und das Gepäck hinaufgezogen. Nur der letzte Führer
(Benjamin) mußte das Manöver mit etwas mehr Unbequemlich¬
keit ausführen, weil er die Stütze der beiden Alpenstöcke entbehrte,
die man ebenfalls schon hinaufgezogen hatte." Auf dem Rück¬
wege mußte die, sieben Fuß tiefer liegende Firnfläche, am Seil durch
herzhaften Hinabsprung erreicht werden; einer der Führer war vor¬
angesprungen und fing die Nachkommenden mit offenen Armen auf.

Alpenſpitzen.
cenſion vornahm, indem er das Seil um den rechten Arm ſchlang
und unter Nachhilfe des mit der linken Hand regierten Bergſtockes
(deſſen ſcharfe eiſerne Spitze er kräftig ins Eis einſchlug) ſich
über den Abgrund emporziehen ließ. Herr Studer folgte in
gleicher Weiſe. — Noch komplicirter war die Transſcenſion eines
Firnſchrundes bei der Erſteigung des Grand Combin (13261 Fuß,
Walliſer Alpen) am 10. Auguſt 1858 durch die beiden gleichen
Gebirgsforſcher. Dort war die enorm tiefe Kluft oben nur etwa zwei
Fuß breit, aber die gegenüberliegende Eiswand ragte ſieben Fuß
höher, ſenkrecht auf. Die Führer, Gebrüder Felley (von Lourtier)
wußten auch hier raſch Rath. „Zwei lange Bergſtöcke wurden in
einer Höhe von etwa fünf Fuß über der Oeffnung der Spalte
horizontal in die jenſeitige Firnwand feſt genug eingebohrt, damit
ſie als treppenartige Stützpunkte für den Fuß dienen konnten.
Darauf ließ Benjamin Felley dem Rande des Schrundes ſo nahe
als möglich ſich auf Hände und Kniee nieder. Sein Bruder Moritz
trat auf deſſen Rücken und Schulter, benutzte dieſe ſanft ſich em¬
porhebende, lebendige Treppe, ſo wie die eingebohrten Stöcke als
Fuß-Stützpunkte, und ſchwang, mit den Händen tief eingreifend,
ſich dann flink und kräftig nach dem oberen, weniger ſteil abge¬
ſchnittenen und in ſeiner Maſſe auch mehr gelockerten Firngehänge
empor, bis er eine ſichere Stellung gewonnen hatte. Als er dieſe
erreicht, wurde ihm das Seil zugeworfen; ein zweiter Führer band
deſſen unteres Ende ſich um den Leib und konnte mit Hilfe deſſel¬
ben nunmehr leichter hinaufklettern. Auf gleiche Weiſe wurden die
Uebrigen und das Gepäck hinaufgezogen. Nur der letzte Führer
(Benjamin) mußte das Manöver mit etwas mehr Unbequemlich¬
keit ausführen, weil er die Stütze der beiden Alpenſtöcke entbehrte,
die man ebenfalls ſchon hinaufgezogen hatte.“ Auf dem Rück¬
wege mußte die, ſieben Fuß tiefer liegende Firnfläche, am Seil durch
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[262/0296] Alpenſpitzen. cenſion vornahm, indem er das Seil um den rechten Arm ſchlang und unter Nachhilfe des mit der linken Hand regierten Bergſtockes (deſſen ſcharfe eiſerne Spitze er kräftig ins Eis einſchlug) ſich über den Abgrund emporziehen ließ. Herr Studer folgte in gleicher Weiſe. — Noch komplicirter war die Transſcenſion eines Firnſchrundes bei der Erſteigung des Grand Combin (13261 Fuß, Walliſer Alpen) am 10. Auguſt 1858 durch die beiden gleichen Gebirgsforſcher. Dort war die enorm tiefe Kluft oben nur etwa zwei Fuß breit, aber die gegenüberliegende Eiswand ragte ſieben Fuß höher, ſenkrecht auf. Die Führer, Gebrüder Felley (von Lourtier) wußten auch hier raſch Rath. „Zwei lange Bergſtöcke wurden in einer Höhe von etwa fünf Fuß über der Oeffnung der Spalte horizontal in die jenſeitige Firnwand feſt genug eingebohrt, damit ſie als treppenartige Stützpunkte für den Fuß dienen konnten. Darauf ließ Benjamin Felley dem Rande des Schrundes ſo nahe als möglich ſich auf Hände und Kniee nieder. Sein Bruder Moritz trat auf deſſen Rücken und Schulter, benutzte dieſe ſanft ſich em¬ porhebende, lebendige Treppe, ſo wie die eingebohrten Stöcke als Fuß-Stützpunkte, und ſchwang, mit den Händen tief eingreifend, ſich dann flink und kräftig nach dem oberen, weniger ſteil abge¬ ſchnittenen und in ſeiner Maſſe auch mehr gelockerten Firngehänge empor, bis er eine ſichere Stellung gewonnen hatte. Als er dieſe erreicht, wurde ihm das Seil zugeworfen; ein zweiter Führer band deſſen unteres Ende ſich um den Leib und konnte mit Hilfe deſſel¬ ben nunmehr leichter hinaufklettern. Auf gleiche Weiſe wurden die Uebrigen und das Gepäck hinaufgezogen. Nur der letzte Führer (Benjamin) mußte das Manöver mit etwas mehr Unbequemlich¬ keit ausführen, weil er die Stütze der beiden Alpenſtöcke entbehrte, die man ebenfalls ſchon hinaufgezogen hatte.“ Auf dem Rück¬ wege mußte die, ſieben Fuß tiefer liegende Firnfläche, am Seil durch herzhaften Hinabſprung erreicht werden; einer der Führer war vor¬ angeſprungen und fing die Nachkommenden mit offenen Armen auf.

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/296>, abgerufen am 24.11.2024.