Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenglühen . der Thalgelände und jener gluthdurchdrungenen Färbung der Firn¬felder. Gerade eben aus dem Gegensatze von greller Beleuchtung und Licht-Armuth resultiren die brillantesten Farbenspiele. Ein Feuerwerk bei Tage abgebrannt, ist todt, glanzlos, weil Licht auf Licht sich ebensowenig abhebt wie Weiß von Weiß oder Schwarz von Schwarz; erst der dunkele Hintergrund der Nacht giebt den Raketen ihre funkelnde Pracht. Die Gluth, welche die Alpenspitzen umwogte, ist verschwunden; Und wo noch kaum in Flammen ein Sonnentempel stand, Da lagert nun ein Kirchhof, umringt von schwarzer Wand. Es ist ein fröstelnder, unheimlicher Anblick. Der Uebergang Seeger. Das endlose Feld der feurigsten Abendröthe stammt empor In tiefen Frieden versenkt, beginnt nun das große majestä¬ Alpenglühen . der Thalgelände und jener gluthdurchdrungenen Färbung der Firn¬felder. Gerade eben aus dem Gegenſatze von greller Beleuchtung und Licht-Armuth reſultiren die brillanteſten Farbenſpiele. Ein Feuerwerk bei Tage abgebrannt, iſt todt, glanzlos, weil Licht auf Licht ſich ebenſowenig abhebt wie Weiß von Weiß oder Schwarz von Schwarz; erſt der dunkele Hintergrund der Nacht giebt den Raketen ihre funkelnde Pracht. Die Gluth, welche die Alpenſpitzen umwogte, iſt verſchwunden; Und wo noch kaum in Flammen ein Sonnentempel ſtand, Da lagert nun ein Kirchhof, umringt von ſchwarzer Wand. Es iſt ein fröſtelnder, unheimlicher Anblick. Der Uebergang Seeger. Das endloſe Feld der feurigſten Abendröthe ſtammt empor In tiefen Frieden verſenkt, beginnt nun das große majeſtä¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0277" n="245"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenglühen</hi><hi rendition="#g">.</hi><lb/></fw> der Thalgelände und jener gluthdurchdrungenen Färbung der Firn¬<lb/> felder. Gerade eben aus dem Gegenſatze von greller Beleuchtung<lb/> und Licht-Armuth reſultiren die brillanteſten Farbenſpiele. Ein<lb/> Feuerwerk bei Tage abgebrannt, iſt todt, glanzlos, weil Licht auf<lb/> Licht ſich ebenſowenig abhebt wie Weiß von Weiß oder Schwarz<lb/> von Schwarz; erſt der dunkele Hintergrund der Nacht giebt den<lb/> Raketen ihre funkelnde Pracht.</p><lb/> <p>Die Gluth, welche die Alpenſpitzen umwogte, iſt verſchwunden;<lb/> kalte, fahle Leichenbläſſe überzieht das ganze weite Schneegebirge;</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Und wo noch kaum in Flammen ein Sonnentempel ſtand,</l><lb/> <l>Da lagert nun ein Kirchhof, umringt von ſchwarzer Wand.</l><lb/> </lg> <p>Es iſt ein fröſtelnder, unheimlicher Anblick. Der Uebergang<lb/> ans dem vollen, reichprangenden Schmucke feuriger Beleuchtung<lb/> und ſcharfer Zeichnung in dieſe eiſige, öde, bläulich-graue Unge¬<lb/> wißheit iſt allzujäh und zu unvermittelt; ein leibhaftiges Bild des<lb/> Todes. Aber es währt nicht lange, ſo kehrt nochmals einiges Le¬<lb/> ben wieder in die Färbung zurück. Denn blicken wir nach der<lb/> Stelle des Sonnen-Unterganges:</p><lb/> <cit> <quote> <lg type="poem"> <l>O Zauber über Zauber! am Himmel aufgethan<lb/></l> <l>Vom Abend bis zum Morgen ein brennend rother Plan.<lb/></l> <l>Jetzt auf- und nieder- wogend, jetzt fließend ſpiegelglatt<lb/></l> <l>Und durch und durch von goldnen und Purpurfarben ſatt<lb/></l> </lg> </quote> <bibl rendition="#right"><hi rendition="#g">Seeger</hi>.<lb/></bibl> </cit> <p>Das endloſe Feld der feurigſten Abendröthe ſtammt empor<lb/> und ſtrahlt einen leichten, warmen Ton über die Gletſcher und<lb/> Schneewüſten aus. Noch einmal überzieht ſie ein leichter roſen¬<lb/> farbener Anflug; aber er iſt matt, matt wie das letzte, allerletzte<lb/> Lächeln eines geliebten Sterbenden.</p><lb/> <p>In tiefen Frieden verſenkt, beginnt nun das große majeſtä¬<lb/> tiſche Alpenreich den einlullenden Träumen von des Tages Won¬<lb/> nenrauſch ſich zu überlaſſen. All das ſummende, ſurrende kleine<lb/> Leben in den Lüften iſt erſtorben; die trotzigen, plump-anrennen¬<lb/> den Käfer und das leicht-beſchwingte, gaukelnde Völklein der Fal¬<lb/> ter, die Legionen der unverſchämt-zudringlichen, paraſitiſch-läſtigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [245/0277]
Alpenglühen .
der Thalgelände und jener gluthdurchdrungenen Färbung der Firn¬
felder. Gerade eben aus dem Gegenſatze von greller Beleuchtung
und Licht-Armuth reſultiren die brillanteſten Farbenſpiele. Ein
Feuerwerk bei Tage abgebrannt, iſt todt, glanzlos, weil Licht auf
Licht ſich ebenſowenig abhebt wie Weiß von Weiß oder Schwarz
von Schwarz; erſt der dunkele Hintergrund der Nacht giebt den
Raketen ihre funkelnde Pracht.
Die Gluth, welche die Alpenſpitzen umwogte, iſt verſchwunden;
kalte, fahle Leichenbläſſe überzieht das ganze weite Schneegebirge;
Und wo noch kaum in Flammen ein Sonnentempel ſtand,
Da lagert nun ein Kirchhof, umringt von ſchwarzer Wand.
Es iſt ein fröſtelnder, unheimlicher Anblick. Der Uebergang
ans dem vollen, reichprangenden Schmucke feuriger Beleuchtung
und ſcharfer Zeichnung in dieſe eiſige, öde, bläulich-graue Unge¬
wißheit iſt allzujäh und zu unvermittelt; ein leibhaftiges Bild des
Todes. Aber es währt nicht lange, ſo kehrt nochmals einiges Le¬
ben wieder in die Färbung zurück. Denn blicken wir nach der
Stelle des Sonnen-Unterganges:
O Zauber über Zauber! am Himmel aufgethan
Vom Abend bis zum Morgen ein brennend rother Plan.
Jetzt auf- und nieder- wogend, jetzt fließend ſpiegelglatt
Und durch und durch von goldnen und Purpurfarben ſatt
Seeger.
Das endloſe Feld der feurigſten Abendröthe ſtammt empor
und ſtrahlt einen leichten, warmen Ton über die Gletſcher und
Schneewüſten aus. Noch einmal überzieht ſie ein leichter roſen¬
farbener Anflug; aber er iſt matt, matt wie das letzte, allerletzte
Lächeln eines geliebten Sterbenden.
In tiefen Frieden verſenkt, beginnt nun das große majeſtä¬
tiſche Alpenreich den einlullenden Träumen von des Tages Won¬
nenrauſch ſich zu überlaſſen. All das ſummende, ſurrende kleine
Leben in den Lüften iſt erſtorben; die trotzigen, plump-anrennen¬
den Käfer und das leicht-beſchwingte, gaukelnde Völklein der Fal¬
ter, die Legionen der unverſchämt-zudringlichen, paraſitiſch-läſtigen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |