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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Wetterschießen.
stürzen aber, so furchtbar dieselben auch im Gebirge widerhallen,
ist in einer Entfernung von 18 Stunden nicht zu hören. Doch
angenommen, man könnte bei günstiger Windrichtung und sehr
reiner Luft der Gletscher Donner so weit hören, so stürzen doch
nicht so enorm viele Lauinen nacheinander, daß man das davon
herrührende Getöse mit wenig Unterbrechungen stundenlang hören
könnte. Ueberdies nimmt die Erscheinung, jemehr man sich den
Alpen nähert, ab, und findet häufig bei Nordwestwind statt. Der
Meteorolog Hugi in Solothurn, welcher dem Phänomen viel Auf¬
merksamkeit widmete und es oft beobachtete, sagt, daß der Schall
keinesweges von den Alpen herzukommen scheine, sondern vielmehr
von Westen, also aus dem Jura, wo es aber bekanntlich keine
Gletscher und sommerlichen Lauinen giebt.

Thatsache ist, daß nach diesem, vom Volke "Wetterschießen"
genannten atmosphärischen Phänomen, in der Regel sanfter, an¬
haltender, nie starker, von elektrischen Erscheinungen begleiteter Re¬
gen einzutreten pflegt und der Barometer in unruhigem Fallen
begriffen ist.

Die eigentliche Ursache der Erscheinung ist noch nicht ergrün¬
det. Sonderbarerweise hat sich mit derselben außer Prof. Hugi
wie es scheint kein Physiker weiter befaßt. Dieser nimmt an, daß
das dumpfe Wetterschießen zunächst "eine Wirkung des Ueber¬
ganges atmosphärischer, luftiger Formen in dichtere, dunstige,
wässerige Formen, oder die Wirkung von Luftzersetzung sei; daher,
wie bei allen heftigen Zersetzungen, Getöse. Es wäre demnach
das Wetterschießen gerade die entgegengesetzte Procedur wie das
sogenannte "Wetterleuchten", bei welchem gesättigte Dünste der
Atmosphäre durch Entladung der Elektricität wieder in reinere,
dünnere Luftformen übergehen. Auffallend ist es, daß die Er¬
scheinung eben nur in dem genannten Landstriche vernommen wird,
-- sonst nirgends im Alpen-Vorlande.


Wetterſchießen.
ſtürzen aber, ſo furchtbar dieſelben auch im Gebirge widerhallen,
iſt in einer Entfernung von 18 Stunden nicht zu hören. Doch
angenommen, man könnte bei günſtiger Windrichtung und ſehr
reiner Luft der Gletſcher Donner ſo weit hören, ſo ſtürzen doch
nicht ſo enorm viele Lauinen nacheinander, daß man das davon
herrührende Getöſe mit wenig Unterbrechungen ſtundenlang hören
könnte. Ueberdies nimmt die Erſcheinung, jemehr man ſich den
Alpen nähert, ab, und findet häufig bei Nordweſtwind ſtatt. Der
Meteorolog Hugi in Solothurn, welcher dem Phänomen viel Auf¬
merkſamkeit widmete und es oft beobachtete, ſagt, daß der Schall
keinesweges von den Alpen herzukommen ſcheine, ſondern vielmehr
von Weſten, alſo aus dem Jura, wo es aber bekanntlich keine
Gletſcher und ſommerlichen Lauinen giebt.

Thatſache iſt, daß nach dieſem, vom Volke „Wetterſchießen
genannten atmoſphäriſchen Phänomen, in der Regel ſanfter, an¬
haltender, nie ſtarker, von elektriſchen Erſcheinungen begleiteter Re¬
gen einzutreten pflegt und der Barometer in unruhigem Fallen
begriffen iſt.

Die eigentliche Urſache der Erſcheinung iſt noch nicht ergrün¬
det. Sonderbarerweiſe hat ſich mit derſelben außer Prof. Hugi
wie es ſcheint kein Phyſiker weiter befaßt. Dieſer nimmt an, daß
das dumpfe Wetterſchießen zunächſt „eine Wirkung des Ueber¬
ganges atmoſphäriſcher, luftiger Formen in dichtere, dunſtige,
wäſſerige Formen, oder die Wirkung von Luftzerſetzung ſei; daher,
wie bei allen heftigen Zerſetzungen, Getöſe. Es wäre demnach
das Wetterſchießen gerade die entgegengeſetzte Procedur wie das
ſogenannte „Wetterleuchten“, bei welchem geſättigte Dünſte der
Atmoſphäre durch Entladung der Elektricität wieder in reinere,
dünnere Luftformen übergehen. Auffallend iſt es, daß die Er¬
ſcheinung eben nur in dem genannten Landſtriche vernommen wird,
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[138/0166] Wetterſchießen. ſtürzen aber, ſo furchtbar dieſelben auch im Gebirge widerhallen, iſt in einer Entfernung von 18 Stunden nicht zu hören. Doch angenommen, man könnte bei günſtiger Windrichtung und ſehr reiner Luft der Gletſcher Donner ſo weit hören, ſo ſtürzen doch nicht ſo enorm viele Lauinen nacheinander, daß man das davon herrührende Getöſe mit wenig Unterbrechungen ſtundenlang hören könnte. Ueberdies nimmt die Erſcheinung, jemehr man ſich den Alpen nähert, ab, und findet häufig bei Nordweſtwind ſtatt. Der Meteorolog Hugi in Solothurn, welcher dem Phänomen viel Auf¬ merkſamkeit widmete und es oft beobachtete, ſagt, daß der Schall keinesweges von den Alpen herzukommen ſcheine, ſondern vielmehr von Weſten, alſo aus dem Jura, wo es aber bekanntlich keine Gletſcher und ſommerlichen Lauinen giebt. Thatſache iſt, daß nach dieſem, vom Volke „Wetterſchießen“ genannten atmoſphäriſchen Phänomen, in der Regel ſanfter, an¬ haltender, nie ſtarker, von elektriſchen Erſcheinungen begleiteter Re¬ gen einzutreten pflegt und der Barometer in unruhigem Fallen begriffen iſt. Die eigentliche Urſache der Erſcheinung iſt noch nicht ergrün¬ det. Sonderbarerweiſe hat ſich mit derſelben außer Prof. Hugi wie es ſcheint kein Phyſiker weiter befaßt. Dieſer nimmt an, daß das dumpfe Wetterſchießen zunächſt „eine Wirkung des Ueber¬ ganges atmoſphäriſcher, luftiger Formen in dichtere, dunſtige, wäſſerige Formen, oder die Wirkung von Luftzerſetzung ſei; daher, wie bei allen heftigen Zerſetzungen, Getöſe. Es wäre demnach das Wetterſchießen gerade die entgegengeſetzte Procedur wie das ſogenannte „Wetterleuchten“, bei welchem geſättigte Dünſte der Atmoſphäre durch Entladung der Elektricität wieder in reinere, dünnere Luftformen übergehen. Auffallend iſt es, daß die Er¬ ſcheinung eben nur in dem genannten Landſtriche vernommen wird, — ſonſt nirgends im Alpen-Vorlande.

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/166>, abgerufen am 21.11.2024.