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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Fliegendes Eichhörnchen.
haarig, aschgrau, unten weiss, an der Gränze beider Farben etwas
orangebraun. Es ist ein nächtliches Thier, das den Tag über fast
immer im Stroh versteckt schlief und die ihm zu dieser Zeit ge-
gebenen Mandeln oft erst des Abends berührte. Einmal war es
aus meiner Hand entschlüpft und erreichte mit ein paar gewaltigen
Sprüngen den Muskitovorhang meines Bettes, wo es sich alsbald
versteckte, aber ohne weiteren Widerstand sich wieder greifen liess.
Ueberhaupt suchte es, aus seinem hölzernen Käfig mit Drahtgitter
genommen, stets nur Schatten und Dunkelheit. Ein mir fremder
Japaner hatte es gebracht, mit der Versicherung, es sei das einzige,
was in weitem Umkreis zu haben sei, und verlangte dafür 60 itsipu
(30 preuss. Thaler); ich war des Ueberforderns schon gewohnt und
bot ihm 10. Er versicherte hoch und theuer, er könne nicht darauf
eingehen, es habe ihn selbst mehr gekostet etc., und machte Miene,
es wieder mit sich fort zu nehmen. Es war das erste und einzige,
das ich in Japan gesehen, ich hätte es gar zu gern gehabt; da nun
gerade keiner meiner Concurrenten in Yokohama sich befand, so
erklärte ich ihm: heute biete ich 10 itsipu, morgen gebe ich nur 9
dafür und so jeden folgenden Tag einen weniger, und liess ihn
vorläufig mit dem Schatze wieder gehen. Am dritten Tage forderte
er 12 itsipu, am fünften gab er es mir um 6. Dieses mag anschaulich
machen, wie wenig "feste Preise" im Handel mit den Fremden
gehalten wurden; 6 itsipu ist nach den dortigen Geldverhältnissen
für einen gewöhnlichen Mann schon eine stattliche Summe.

Als japanischen Namen dieses fliegenden Eichhorns nannte
man mir musasabi, und unter diesem Namen findet es sich auch in
den einheimischen Wörterbüchern, in der Encyclopädie, wie die
Fledermäuse unter den Vögeln, zuweilen ziemlich entstellt mit
fledermausartigen Flügeln, aus übereilter Systemsucht.

Die kleinere Art, Pteromys momonga Tem., habe ich dagegen
weder in der Natur zu sehen bekommen, noch in den Büchern
unterschieden gefunden, doch schien meinem Diener das Wort
momontshi für ein solches Thier nicht ganz unbekannt zu sein.

Mäuse spielen, wie überall, so auch in Japan, nach Individuen-
und Artenzahl eine bedeutende Rolle in der Säugethierfauna; ihr
allgemeiner Name ist nesmi, geschrieben nedsumi; die einzelnen
Arten werden durch Zusammensetzungen unterschieden und dabei,
wie in den meisten Sprachen, neben Nagthieren auch Insectenfresser
einbegriffen. So folgen im 40. Heft der Encyclopädie auf die eigent-

Ost-Asien. Zoologisch. I. 6

Fliegendes Eichhörnchen.
haarig, aschgrau, unten weiss, an der Gränze beider Farben etwas
orangebraun. Es ist ein nächtliches Thier, das den Tag über fast
immer im Stroh versteckt schlief und die ihm zu dieser Zeit ge-
gebenen Mandeln oft erst des Abends berührte. Einmal war es
aus meiner Hand entschlüpft und erreichte mit ein paar gewaltigen
Sprüngen den Muskitovorhang meines Bettes, wo es sich alsbald
versteckte, aber ohne weiteren Widerstand sich wieder greifen liess.
Ueberhaupt suchte es, aus seinem hölzernen Käfig mit Drahtgitter
genommen, stets nur Schatten und Dunkelheit. Ein mir fremder
Japaner hatte es gebracht, mit der Versicherung, es sei das einzige,
was in weitem Umkreis zu haben sei, und verlangte dafür 60 itsipu
(30 preuss. Thaler); ich war des Ueberforderns schon gewohnt und
bot ihm 10. Er versicherte hoch und theuer, er könne nicht darauf
eingehen, es habe ihn selbst mehr gekostet etc., und machte Miene,
es wieder mit sich fort zu nehmen. Es war das erste und einzige,
das ich in Japan gesehen, ich hätte es gar zu gern gehabt; da nun
gerade keiner meiner Concurrenten in Yokohama sich befand, so
erklärte ich ihm: heute biete ich 10 itsipu, morgen gebe ich nur 9
dafür und so jeden folgenden Tag einen weniger, und liess ihn
vorläufig mit dem Schatze wieder gehen. Am dritten Tage forderte
er 12 itsipu, am fünften gab er es mir um 6. Dieses mag anschaulich
machen, wie wenig »feste Preise« im Handel mit den Fremden
gehalten wurden; 6 itsipu ist nach den dortigen Geldverhältnissen
für einen gewöhnlichen Mann schon eine stattliche Summe.

Als japanischen Namen dieses fliegenden Eichhorns nannte
man mir musasabi, und unter diesem Namen findet es sich auch in
den einheimischen Wörterbüchern, in der Encyclopädie, wie die
Fledermäuse unter den Vögeln, zuweilen ziemlich entstellt mit
fledermausartigen Flügeln, aus übereilter Systemsucht.

Die kleinere Art, Pteromys momonga Tem., habe ich dagegen
weder in der Natur zu sehen bekommen, noch in den Büchern
unterschieden gefunden, doch schien meinem Diener das Wort
momontshi für ein solches Thier nicht ganz unbekannt zu sein.

Mäuse spielen, wie überall, so auch in Japan, nach Individuen-
und Artenzahl eine bedeutende Rolle in der Säugethierfauna; ihr
allgemeiner Name ist nesmi, geschrieben nedsumi; die einzelnen
Arten werden durch Zusammensetzungen unterschieden und dabei,
wie in den meisten Sprachen, neben Nagthieren auch Insectenfresser
einbegriffen. So folgen im 40. Heft der Encyclopädie auf die eigent-

Ost-Asien. Zoologisch. I. 6
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[81/0099] Fliegendes Eichhörnchen. haarig, aschgrau, unten weiss, an der Gränze beider Farben etwas orangebraun. Es ist ein nächtliches Thier, das den Tag über fast immer im Stroh versteckt schlief und die ihm zu dieser Zeit ge- gebenen Mandeln oft erst des Abends berührte. Einmal war es aus meiner Hand entschlüpft und erreichte mit ein paar gewaltigen Sprüngen den Muskitovorhang meines Bettes, wo es sich alsbald versteckte, aber ohne weiteren Widerstand sich wieder greifen liess. Ueberhaupt suchte es, aus seinem hölzernen Käfig mit Drahtgitter genommen, stets nur Schatten und Dunkelheit. Ein mir fremder Japaner hatte es gebracht, mit der Versicherung, es sei das einzige, was in weitem Umkreis zu haben sei, und verlangte dafür 60 itsipu (30 preuss. Thaler); ich war des Ueberforderns schon gewohnt und bot ihm 10. Er versicherte hoch und theuer, er könne nicht darauf eingehen, es habe ihn selbst mehr gekostet etc., und machte Miene, es wieder mit sich fort zu nehmen. Es war das erste und einzige, das ich in Japan gesehen, ich hätte es gar zu gern gehabt; da nun gerade keiner meiner Concurrenten in Yokohama sich befand, so erklärte ich ihm: heute biete ich 10 itsipu, morgen gebe ich nur 9 dafür und so jeden folgenden Tag einen weniger, und liess ihn vorläufig mit dem Schatze wieder gehen. Am dritten Tage forderte er 12 itsipu, am fünften gab er es mir um 6. Dieses mag anschaulich machen, wie wenig »feste Preise« im Handel mit den Fremden gehalten wurden; 6 itsipu ist nach den dortigen Geldverhältnissen für einen gewöhnlichen Mann schon eine stattliche Summe. Als japanischen Namen dieses fliegenden Eichhorns nannte man mir musasabi, und unter diesem Namen findet es sich auch in den einheimischen Wörterbüchern, in der Encyclopädie, wie die Fledermäuse unter den Vögeln, zuweilen ziemlich entstellt mit fledermausartigen Flügeln, aus übereilter Systemsucht. Die kleinere Art, Pteromys momonga Tem., habe ich dagegen weder in der Natur zu sehen bekommen, noch in den Büchern unterschieden gefunden, doch schien meinem Diener das Wort momontshi für ein solches Thier nicht ganz unbekannt zu sein. Mäuse spielen, wie überall, so auch in Japan, nach Individuen- und Artenzahl eine bedeutende Rolle in der Säugethierfauna; ihr allgemeiner Name ist nesmi, geschrieben nedsumi; die einzelnen Arten werden durch Zusammensetzungen unterschieden und dabei, wie in den meisten Sprachen, neben Nagthieren auch Insectenfresser einbegriffen. So folgen im 40. Heft der Encyclopädie auf die eigent- Ost-Asien. Zoologisch. I. 6

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/99>, abgerufen am 06.05.2024.