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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Kein Leopard in Japan.
gegebene Beschreibung und Abbildung scheint mir mit der des
Leoparden von Korea, Felis orientalis, bei Schlegel, handleiding
Bd. I., pag. 23, Atlas Taf. 2., Fig. 13., übereinzustimmen; allerdings
habe ich selbst einen lebenden Leoparden gesehen, und zwar in
einer Schaubude zu Yeddo (11. December 1860), und finde auch
mehrere Bilder eines solchen in meinen japanischen Büchern. Nichts-
destoweniger bezweifle ich noch sehr das Vorkommen einer solchen
grossen Katzenart in Japan, d. h. auf einer der drei Inseln Nippon,
Kiusiu oder Sikok. Was die japanischen Abbildungen betrifft, so
stellt ihn die eine grössere in Yeddo gekaufte gerade in einem
Käfig, einen Haushahn bedrohend, dar, und ist wahrscheinlich für
jenen speciellen Fall gezeichnet; eine andere zeigt ihn charakte-
ristisch genug in Gesellschaft einer Dame in europäischem Costüm
mit einem Kakadu, also wieder ein Menageriebild und auf den
indischen Archipel als Vaterland hinweisend; die kleinen Bilder in
der Encyclopädie und andern ähnlichen Lehrbüchern führen ihn
aber neben und zwischen entschieden ausländischen oder fabelhaf-
ten, von den Japanern selbst für ausländisch gehaltenen Thieren,
z. B. dem Tiger, einem Einhorn mit Löwenfüssen und einem
Leopard mit Elephantenkopf, auf. Endlich sind die diesen beige-
schriebenen Namen hioo oder boo von meinem Diener zu verschie-
denen Malen verschieden gelesen, ein Beweis, dass es ihm kein
bekanntes geläufiges Wort war; es ist einfach die Uebertragung des
chinesischen Namens bau, auch pah, offenbar nach der Stimme,
und die Encyclopädie gibt auch nur Liautong (nördlichste Provinz
von China) als Vaterland an. Nie erscheint sein Bild mit einem
Stück japanischer Landschaft im Hintergrund oder gar auf Jagd-
scenen, wie so oft der Bär und Hirsch. Die Menagerie-Bilder
stellen die Flecken rund und voll dar, was bei dem lebend in Yeddo
gesehenen sicher nicht der Fall war, die der Lehrbücher ringförmig
und bogenförmig, nach vorn oder oben offen, diese scheinen also
den ostasiatischen noch am Amur einheimischen Irbis oder den
diesem ähnlichen Leoparden von Korea, Felis orientalis Schlegel,
anzudeuten.

Die kleineren Raubthiere, welche nicht dem Menschen ge-
fährlich werden, sondern nur in ihrer Beute mit ihm concurriren,
sind dagegen in der Umgegend von Yeddo nicht selten, theilweise
aus denselben Gattungen wie in Deutschland, so Fuchs, Fischotter,
Marder und Wiesel; alle diese erhielt ich nach gegebenen Aufträgen

Kein Leopard in Japan.
gegebene Beschreibung und Abbildung scheint mir mit der des
Leoparden von Korea, Felis orientalis, bei Schlegel, handleiding
Bd. I., pag. 23, Atlas Taf. 2., Fig. 13., übereinzustimmen; allerdings
habe ich selbst einen lebenden Leoparden gesehen, und zwar in
einer Schaubude zu Yeddo (11. December 1860), und finde auch
mehrere Bilder eines solchen in meinen japanischen Büchern. Nichts-
destoweniger bezweifle ich noch sehr das Vorkommen einer solchen
grossen Katzenart in Japan, d. h. auf einer der drei Inseln Nippon,
Kiusiu oder Sikok. Was die japanischen Abbildungen betrifft, so
stellt ihn die eine grössere in Yeddo gekaufte gerade in einem
Käfig, einen Haushahn bedrohend, dar, und ist wahrscheinlich für
jenen speciellen Fall gezeichnet; eine andere zeigt ihn charakte-
ristisch genug in Gesellschaft einer Dame in europäischem Costüm
mit einem Kakadu, also wieder ein Menageriebild und auf den
indischen Archipel als Vaterland hinweisend; die kleinen Bilder in
der Encyclopädie und andern ähnlichen Lehrbüchern führen ihn
aber neben und zwischen entschieden ausländischen oder fabelhaf-
ten, von den Japanern selbst für ausländisch gehaltenen Thieren,
z. B. dem Tiger, einem Einhorn mit Löwenfüssen und einem
Leopard mit Elephantenkopf, auf. Endlich sind die diesen beige-
schriebenen Namen hioo oder boo von meinem Diener zu verschie-
denen Malen verschieden gelesen, ein Beweis, dass es ihm kein
bekanntes geläufiges Wort war; es ist einfach die Uebertragung des
chinesischen Namens bau, auch pah, offenbar nach der Stimme,
und die Encyclopädie gibt auch nur Liautong (nördlichste Provinz
von China) als Vaterland an. Nie erscheint sein Bild mit einem
Stück japanischer Landschaft im Hintergrund oder gar auf Jagd-
scenen, wie so oft der Bär und Hirsch. Die Menagerie-Bilder
stellen die Flecken rund und voll dar, was bei dem lebend in Yeddo
gesehenen sicher nicht der Fall war, die der Lehrbücher ringförmig
und bogenförmig, nach vorn oder oben offen, diese scheinen also
den ostasiatischen noch am Amur einheimischen Irbis oder den
diesem ähnlichen Leoparden von Korea, Felis orientalis Schlegel,
anzudeuten.

Die kleineren Raubthiere, welche nicht dem Menschen ge-
fährlich werden, sondern nur in ihrer Beute mit ihm concurriren,
sind dagegen in der Umgegend von Yeddo nicht selten, theilweise
aus denselben Gattungen wie in Deutschland, so Fuchs, Fischotter,
Marder und Wiesel; alle diese erhielt ich nach gegebenen Aufträgen

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[77/0095] Kein Leopard in Japan. gegebene Beschreibung und Abbildung scheint mir mit der des Leoparden von Korea, Felis orientalis, bei Schlegel, handleiding Bd. I., pag. 23, Atlas Taf. 2., Fig. 13., übereinzustimmen; allerdings habe ich selbst einen lebenden Leoparden gesehen, und zwar in einer Schaubude zu Yeddo (11. December 1860), und finde auch mehrere Bilder eines solchen in meinen japanischen Büchern. Nichts- destoweniger bezweifle ich noch sehr das Vorkommen einer solchen grossen Katzenart in Japan, d. h. auf einer der drei Inseln Nippon, Kiusiu oder Sikok. Was die japanischen Abbildungen betrifft, so stellt ihn die eine grössere in Yeddo gekaufte gerade in einem Käfig, einen Haushahn bedrohend, dar, und ist wahrscheinlich für jenen speciellen Fall gezeichnet; eine andere zeigt ihn charakte- ristisch genug in Gesellschaft einer Dame in europäischem Costüm mit einem Kakadu, also wieder ein Menageriebild und auf den indischen Archipel als Vaterland hinweisend; die kleinen Bilder in der Encyclopädie und andern ähnlichen Lehrbüchern führen ihn aber neben und zwischen entschieden ausländischen oder fabelhaf- ten, von den Japanern selbst für ausländisch gehaltenen Thieren, z. B. dem Tiger, einem Einhorn mit Löwenfüssen und einem Leopard mit Elephantenkopf, auf. Endlich sind die diesen beige- schriebenen Namen hioo oder boo von meinem Diener zu verschie- denen Malen verschieden gelesen, ein Beweis, dass es ihm kein bekanntes geläufiges Wort war; es ist einfach die Uebertragung des chinesischen Namens bau, auch pah, offenbar nach der Stimme, und die Encyclopädie gibt auch nur Liautong (nördlichste Provinz von China) als Vaterland an. Nie erscheint sein Bild mit einem Stück japanischer Landschaft im Hintergrund oder gar auf Jagd- scenen, wie so oft der Bär und Hirsch. Die Menagerie-Bilder stellen die Flecken rund und voll dar, was bei dem lebend in Yeddo gesehenen sicher nicht der Fall war, die der Lehrbücher ringförmig und bogenförmig, nach vorn oder oben offen, diese scheinen also den ostasiatischen noch am Amur einheimischen Irbis oder den diesem ähnlichen Leoparden von Korea, Felis orientalis Schlegel, anzudeuten. Die kleineren Raubthiere, welche nicht dem Menschen ge- fährlich werden, sondern nur in ihrer Beute mit ihm concurriren, sind dagegen in der Umgegend von Yeddo nicht selten, theilweise aus denselben Gattungen wie in Deutschland, so Fuchs, Fischotter, Marder und Wiesel; alle diese erhielt ich nach gegebenen Aufträgen

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/95>, abgerufen am 06.05.2024.