gleichen Spiele unterhalb der Lanzen zwischen den Beinen der Männer durchschlüpfen und so entkommen. Bei der zweiten Art wird der Tiger, meist nachdem man ihn durch Fasten gehörig ge- schwächt, innerhalb einer Bambuumzäunung mit einem Büffel zu- sammengebracht; in der Regel hat keines der beiden Thiere Lust zum Angreifen, sie werden daher durch Stechen mit spitzen Bambu- stöcken und andere Mittel gegen einander gehetzt, bis endlich der Tiger gegen den Büffel springt oder der Büffel gegen ihn anläuft; meist unterliegt der Tiger, gegen den auch das Publikum lebhaft Partei nimmt, zuweilen stirbt aber auch der Büffel bald darauf an seinen Wunden.7)
Der Panther scheint im Archipel so weit wie der Tiger ver- breitet zu sein; die europäischen Thierkundigen sind noch nicht einig, ob sie ihn als eigene Art (Felis pardus Temm. = variegata A. Wagn.) vom westasiatisch-afrikanischen (F. leopardus auct. = pardus A. Wagn.) trennen sollen; der Malaie unterscheidet ihn vom Tiger nur durch Beiwörter, welche die fleckige Zeichnung andeuten, so rimau-lalat, Fliegentiger, oder rimau-kumbang, Hummeltiger, auf Java matjan-tutul; ihm gegenüber heisst dann der rechte Tiger rimau-tungal, Wimpeltiger oder Fahnentiger, wegen seiner Streifen. Auch die Europäer unterscheiden in der Regel den Panther nicht, sondern nennen ihn auch Tiger. Eine fast völlig schwarze Abart, von welcher nur bei besonders günstiger Beleuchtung noch die kohlschwarzen Flecken auf braunschwarzem Grunde zu unterschei- den sind, kommt öfters vor und auch mir wurde erzählt, dass zu- weilen von Jungen desselben Wurfes das eine so schwarz, das an- dere normal gefärbt sei.8) Auf Borneo, sowie in Malakka lebt eine dritte grössere Katzenart, die grossfleckige Felis macrocelis (nicht macroscelis, grossschenklig), nach den grossen eckigen Flecken auch Wolken- oder Schildpatttiger genannt, rimau-dahan, Zweigtiger, bei den Eingeborenen, vielleicht weil er auf Bäume steigt, was der ächte Tiger nicht thut; diese Art hat verhältnissmässig sehr grosse Eckzähne und es ist daher doch wohl möglich, dass die grossen Zähne, welche A. Adams bei den Orang-Segai am Berouwfluss als Ohrenschmuck gesehen und auf den Tiger gedeutet hat, der Felis macrocelis angehören; auch ihr Fell soll den Eingeborenen als Schmuck dienen, und sie dürfte überhaupt gemeint sein, wenn in einzelnen Reiseberichten von Tigern in Borneo gesprochen wird. Ausser diesen leben auf den Sunda-Inseln noch mehrere kleine
Panther und Felis macrocelis.
gleichen Spiele unterhalb der Lanzen zwischen den Beinen der Männer durchschlüpfen und so entkommen. Bei der zweiten Art wird der Tiger, meist nachdem man ihn durch Fasten gehörig ge- schwächt, innerhalb einer Bambuumzäunung mit einem Büffel zu- sammengebracht; in der Regel hat keines der beiden Thiere Lust zum Angreifen, sie werden daher durch Stechen mit spitzen Bambu- stöcken und andere Mittel gegen einander gehetzt, bis endlich der Tiger gegen den Büffel springt oder der Büffel gegen ihn anläuft; meist unterliegt der Tiger, gegen den auch das Publikum lebhaft Partei nimmt, zuweilen stirbt aber auch der Büffel bald darauf an seinen Wunden.7)
Der Panther scheint im Archipel so weit wie der Tiger ver- breitet zu sein; die europäischen Thierkundigen sind noch nicht einig, ob sie ihn als eigene Art (Felis pardus Temm. = variegata A. Wagn.) vom westasiatisch-afrikanischen (F. leopardus auct. = pardus A. Wagn.) trennen sollen; der Malaie unterscheidet ihn vom Tiger nur durch Beiwörter, welche die fleckige Zeichnung andeuten, so rimau-lalat, Fliegentiger, oder rimau-kumbang, Hummeltiger, auf Java matjan-tutul; ihm gegenüber heisst dann der rechte Tiger rimau-tungal, Wimpeltiger oder Fahnentiger, wegen seiner Streifen. Auch die Europäer unterscheiden in der Regel den Panther nicht, sondern nennen ihn auch Tiger. Eine fast völlig schwarze Abart, von welcher nur bei besonders günstiger Beleuchtung noch die kohlschwarzen Flecken auf braunschwarzem Grunde zu unterschei- den sind, kommt öfters vor und auch mir wurde erzählt, dass zu- weilen von Jungen desselben Wurfes das eine so schwarz, das an- dere normal gefärbt sei.8) Auf Borneo, sowie in Malakka lebt eine dritte grössere Katzenart, die grossfleckige Felis macrocelis (nicht macroscelis, grossschenklig), nach den grossen eckigen Flecken auch Wolken- oder Schildpatttiger genannt, rimau-dahan, Zweigtiger, bei den Eingeborenen, vielleicht weil er auf Bäume steigt, was der ächte Tiger nicht thut; diese Art hat verhältnissmässig sehr grosse Eckzähne und es ist daher doch wohl möglich, dass die grossen Zähne, welche A. Adams bei den Orang-Segai am Berouwfluss als Ohrenschmuck gesehen und auf den Tiger gedeutet hat, der Felis macrocelis angehören; auch ihr Fell soll den Eingeborenen als Schmuck dienen, und sie dürfte überhaupt gemeint sein, wenn in einzelnen Reiseberichten von Tigern in Borneo gesprochen wird. Ausser diesen leben auf den Sunda-Inseln noch mehrere kleine
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Panther und Felis macrocelis.
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Männer durchschlüpfen und so entkommen. Bei der zweiten Art
wird der Tiger, meist nachdem man ihn durch Fasten gehörig ge-
schwächt, innerhalb einer Bambuumzäunung mit einem Büffel zu-
sammengebracht; in der Regel hat keines der beiden Thiere Lust
zum Angreifen, sie werden daher durch Stechen mit spitzen Bambu-
stöcken und andere Mittel gegen einander gehetzt, bis endlich der
Tiger gegen den Büffel springt oder der Büffel gegen ihn anläuft;
meist unterliegt der Tiger, gegen den auch das Publikum lebhaft
Partei nimmt, zuweilen stirbt aber auch der Büffel bald darauf an
seinen Wunden.7)
Der Panther scheint im Archipel so weit wie der Tiger ver-
breitet zu sein; die europäischen Thierkundigen sind noch nicht
einig, ob sie ihn als eigene Art (Felis pardus Temm. = variegata
A. Wagn.) vom westasiatisch-afrikanischen (F. leopardus auct. =
pardus A. Wagn.) trennen sollen; der Malaie unterscheidet ihn vom
Tiger nur durch Beiwörter, welche die fleckige Zeichnung andeuten,
so rimau-lalat, Fliegentiger, oder rimau-kumbang, Hummeltiger,
auf Java matjan-tutul; ihm gegenüber heisst dann der rechte Tiger
rimau-tungal, Wimpeltiger oder Fahnentiger, wegen seiner Streifen.
Auch die Europäer unterscheiden in der Regel den Panther nicht,
sondern nennen ihn auch Tiger. Eine fast völlig schwarze Abart,
von welcher nur bei besonders günstiger Beleuchtung noch die
kohlschwarzen Flecken auf braunschwarzem Grunde zu unterschei-
den sind, kommt öfters vor und auch mir wurde erzählt, dass zu-
weilen von Jungen desselben Wurfes das eine so schwarz, das an-
dere normal gefärbt sei.8) Auf Borneo, sowie in Malakka lebt eine
dritte grössere Katzenart, die grossfleckige Felis macrocelis (nicht
macroscelis, grossschenklig), nach den grossen eckigen Flecken auch
Wolken- oder Schildpatttiger genannt, rimau-dahan, Zweigtiger,
bei den Eingeborenen, vielleicht weil er auf Bäume steigt, was der
ächte Tiger nicht thut; diese Art hat verhältnissmässig sehr grosse
Eckzähne und es ist daher doch wohl möglich, dass die grossen
Zähne, welche A. Adams bei den Orang-Segai am Berouwfluss als
Ohrenschmuck gesehen und auf den Tiger gedeutet hat, der Felis
macrocelis angehören; auch ihr Fell soll den Eingeborenen als
Schmuck dienen, und sie dürfte überhaupt gemeint sein, wenn in
einzelnen Reiseberichten von Tigern in Borneo gesprochen wird.
Ausser diesen leben auf den Sunda-Inseln noch mehrere kleine
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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/271>, abgerufen am 24.07.2024.
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