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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Meeres-Auswurf.
dünnfüssige Dreieckkrabben (Naxia, Micippe), kleine langschwänzige
Krebse (Alpheus) und kleine stumpfköpfige spitzzähnige Fische (Go-
biodon), welche lebend dunkel blaugrün waren, aber in Weingeist
binnen wenigen Stunden ganz wie Krebse gelblichroth wurden.

Der Auswurf des Meeres gibt nur wenig Kunde über die
tiefer lebenden Thiere; eine so reiche und mannigfaltige Ausbeute,
wie sie in Europa ein Septembernachmittag in Scheveningen oder
ein paar Stunden nach einem Februarsturm in Portsmouth geboten,
fand ich hier nirgends, wohl weil selten oder nie das Meer so stark
bewegt, wie in Europa oft zur Zeit der Nachtgleichen, und nur
einmal, während meines ersten Aufenthaltes zu Singapore im August,
eine schwache Erinnerung daran. Südwestlich von der Stadt führt
die Strasse nach New-harbour am chinesischen Kirchhof vorbei zu
einem Fischerdörfchen, dessen einzelne Hütten auf Pfählen, also
schon innerhalb des höchsten Wasserstandes stehen. Die Reihe des
Meerauswurfes begann, wie in Scheveningen mit Buccinum undatum
und Skeletresten grösserer Fische, so hier mit zahllosen Frag-
menten von Conchylien, deren Arten selten mehr zu erkennen waren,
aber deutlich grössere, schwerere Stücke, von stärkeren Wogen an-
geschwemmt und daher auch mehr zertrümmert; dann folgte hier
wie dort eine Strecke feineren gleichmässigen (in Singapore rothen)
Sandes mit ausgeworfenen Tangen (Sargassum), endlich zunächst
dem Wasser feinere, besser erhaltene Conchylienschalen, offenbar
aber hier aus verschiedenen Wohnorten zusammengeschwemmt,
denn neben einer Süsswasserschnecke (Ampullaria) und Brack-
wasser-cerithien lagen die rein marinen, sandbewohnenden Pyra-
midella maculosa und Natica maculosa, daneben Reste von holz-
oder steinbewohnenden Meereicheln (Balanus), durch Ausbleichen
violett gestrahlt, aber keine andern Reste von Crustaceen, auch
keine von Echinodermen und Hydroid-zoophyten, welche doch am
Strand europäischer Meere selten ganz fehlen.

Auf der Rhede selbst brachte das Schleppnetz bis zu
einer Tiefe von 15 Faden nichts Anderes, als was auch schon vom
Ufer aus bei Ebbe zu erreichen war: grob zerriebene Muschel-
fragmente, aber kein lebendiges Wesen. Sowie sich aber mein
Boot der erwähnten Korallenbank näherte, zeigte sich in der Aus-
beute des Schleppnetzes aus 7--9 Faden Tiefe der tropische Reich-
thum an Hornkorallen; besonders oft Fragmente einer ockergelben
Gorgonella und einer lebhaft rosenrothen, zuweilen auch blutrothen

Meeres-Auswurf.
dünnfüssige Dreieckkrabben (Naxia, Micippe), kleine langschwänzige
Krebse (Alpheus) und kleine stumpfköpfige spitzzähnige Fische (Go-
biodon), welche lebend dunkel blaugrün waren, aber in Weingeist
binnen wenigen Stunden ganz wie Krebse gelblichroth wurden.

Der Auswurf des Meeres gibt nur wenig Kunde über die
tiefer lebenden Thiere; eine so reiche und mannigfaltige Ausbeute,
wie sie in Europa ein Septembernachmittag in Scheveningen oder
ein paar Stunden nach einem Februarsturm in Portsmouth geboten,
fand ich hier nirgends, wohl weil selten oder nie das Meer so stark
bewegt, wie in Europa oft zur Zeit der Nachtgleichen, und nur
einmal, während meines ersten Aufenthaltes zu Singapore im August,
eine schwache Erinnerung daran. Südwestlich von der Stadt führt
die Strasse nach New-harbour am chinesischen Kirchhof vorbei zu
einem Fischerdörfchen, dessen einzelne Hütten auf Pfählen, also
schon innerhalb des höchsten Wasserstandes stehen. Die Reihe des
Meerauswurfes begann, wie in Scheveningen mit Buccinum undatum
und Skeletresten grösserer Fische, so hier mit zahllosen Frag-
menten von Conchylien, deren Arten selten mehr zu erkennen waren,
aber deutlich grössere, schwerere Stücke, von stärkeren Wogen an-
geschwemmt und daher auch mehr zertrümmert; dann folgte hier
wie dort eine Strecke feineren gleichmässigen (in Singapore rothen)
Sandes mit ausgeworfenen Tangen (Sargassum), endlich zunächst
dem Wasser feinere, besser erhaltene Conchylienschalen, offenbar
aber hier aus verschiedenen Wohnorten zusammengeschwemmt,
denn neben einer Süsswasserschnecke (Ampullaria) und Brack-
wasser-cerithien lagen die rein marinen, sandbewohnenden Pyra-
midella maculosa und Natica maculosa, daneben Reste von holz-
oder steinbewohnenden Meereicheln (Balanus), durch Ausbleichen
violett gestrahlt, aber keine andern Reste von Crustaceen, auch
keine von Echinodermen und Hydroid-zoophyten, welche doch am
Strand europäischer Meere selten ganz fehlen.

Auf der Rhede selbst brachte das Schleppnetz bis zu
einer Tiefe von 15 Faden nichts Anderes, als was auch schon vom
Ufer aus bei Ebbe zu erreichen war: grob zerriebene Muschel-
fragmente, aber kein lebendiges Wesen. Sowie sich aber mein
Boot der erwähnten Korallenbank näherte, zeigte sich in der Aus-
beute des Schleppnetzes aus 7—9 Faden Tiefe der tropische Reich-
thum an Hornkorallen; besonders oft Fragmente einer ockergelben
Gorgonella und einer lebhaft rosenrothen, zuweilen auch blutrothen

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[240/0258] Meeres-Auswurf. dünnfüssige Dreieckkrabben (Naxia, Micippe), kleine langschwänzige Krebse (Alpheus) und kleine stumpfköpfige spitzzähnige Fische (Go- biodon), welche lebend dunkel blaugrün waren, aber in Weingeist binnen wenigen Stunden ganz wie Krebse gelblichroth wurden. Der Auswurf des Meeres gibt nur wenig Kunde über die tiefer lebenden Thiere; eine so reiche und mannigfaltige Ausbeute, wie sie in Europa ein Septembernachmittag in Scheveningen oder ein paar Stunden nach einem Februarsturm in Portsmouth geboten, fand ich hier nirgends, wohl weil selten oder nie das Meer so stark bewegt, wie in Europa oft zur Zeit der Nachtgleichen, und nur einmal, während meines ersten Aufenthaltes zu Singapore im August, eine schwache Erinnerung daran. Südwestlich von der Stadt führt die Strasse nach New-harbour am chinesischen Kirchhof vorbei zu einem Fischerdörfchen, dessen einzelne Hütten auf Pfählen, also schon innerhalb des höchsten Wasserstandes stehen. Die Reihe des Meerauswurfes begann, wie in Scheveningen mit Buccinum undatum und Skeletresten grösserer Fische, so hier mit zahllosen Frag- menten von Conchylien, deren Arten selten mehr zu erkennen waren, aber deutlich grössere, schwerere Stücke, von stärkeren Wogen an- geschwemmt und daher auch mehr zertrümmert; dann folgte hier wie dort eine Strecke feineren gleichmässigen (in Singapore rothen) Sandes mit ausgeworfenen Tangen (Sargassum), endlich zunächst dem Wasser feinere, besser erhaltene Conchylienschalen, offenbar aber hier aus verschiedenen Wohnorten zusammengeschwemmt, denn neben einer Süsswasserschnecke (Ampullaria) und Brack- wasser-cerithien lagen die rein marinen, sandbewohnenden Pyra- midella maculosa und Natica maculosa, daneben Reste von holz- oder steinbewohnenden Meereicheln (Balanus), durch Ausbleichen violett gestrahlt, aber keine andern Reste von Crustaceen, auch keine von Echinodermen und Hydroid-zoophyten, welche doch am Strand europäischer Meere selten ganz fehlen. Auf der Rhede selbst brachte das Schleppnetz bis zu einer Tiefe von 15 Faden nichts Anderes, als was auch schon vom Ufer aus bei Ebbe zu erreichen war: grob zerriebene Muschel- fragmente, aber kein lebendiges Wesen. Sowie sich aber mein Boot der erwähnten Korallenbank näherte, zeigte sich in der Aus- beute des Schleppnetzes aus 7—9 Faden Tiefe der tropische Reich- thum an Hornkorallen; besonders oft Fragmente einer ockergelben Gorgonella und einer lebhaft rosenrothen, zuweilen auch blutrothen

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/258>, abgerufen am 18.05.2024.