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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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S. Anna. S. Vincente.
vom Beginn an zeigten sich die Felsengehänge und feuchten Wald-
schluchten, an und durch welche der Weg führte, so reich an
Farn, Laubmoosen, Lebermoosen und Flechten aller Art, dass Herr
Wichura sein Pferd gar nicht bestieg, und in der That, auch der
Nicht-Botaniker fühlte sich zum Studium der Cryptogamen angelockt
durch die lebhaft gelben Astflechten, Alectoria flavicans Sw., auf
Erica arborea, welche uns zum Tort gern an den steilsten, un-
zugänglichsten Stellen wuchs, die bleichen Usneen an Oreodaphne,
ein niedliches Stereocaulon an feuchten Felsen, die krausen Cladonien
an trockeneren Stellen, die in den Stein förmlich vertieften ver-
schiedenfarbigen Krustenflechten und die zahlreiche Reihe von Farn,
welche man hier bei einander sah, von unserm wohlbekannten
Adlerfarn bis zu der fein zertheilten, an den Lorbeerbäumen
kriechenden Davallia Canariensis. Landschnecken waren dagegen um
so seltener, trotz der reichlichen Feuchtigkeit, ohne Zweifel wegen
der vulkanischen Bodenbeschaffenheit, d. h. des Mangels an Kalk.
Um so mehr zoologische Ausbeute gewährte am nächsten Tage, der
in S. Vincente verbracht wurde, ein in Musse ausgeführter Besuch
der Meeresküste (s. unten). Der dritte Tag wurde fast ganz zu
Pferde verbracht, beständig bergauf und bergab, und wir lernten
jetzt erst die Vortrefflichkeit unserer kleinen Thiere gehörig schätzen,
welche die steilsten, oft treppenartig gepflasterten Aufgänge im
Galopp hinaufeilten und abwärts, wo die losen Steine und stellen-
weise der feuchte glatte Lehmboden selbst den Fussgänger bedenk-
lich machen konnten, langsam mit sicherem Tritte hinabstiegen. Der
Unterschied dieser Nordseite von der Südküste in Bezug auf die
Vegetation erscheint dem Laien nicht so bedeutend, als er erwartet;
denn grosse Mesembryanthemum und verwilderte Agaven fallen auch
hier ins Auge, wie unter den Culturpflanzen Zuckerrohr und einzelne
Bananen. Zu guter Zeit Nachmittags in Santa Anna angekommen,
blieb mir noch Zeit, auch hier zur See herabzusteigen, diesesmal
nicht auf breitem Fahrwege, wie bei S. Vincente, sondern auf
wahren Ziegenpfaden, die ich nicht betreten hätte, wenn ich nicht
schon halbwegs gewesen wäre und der kleine Junge, der aus einem
Begleiter mein Führer geworden war, mir versichert hätte, man
könne da hinunter; denn die letzten hundert Fuss weit hatten wir
das Meer mit seinen grossen schwarzen Lavablöcken ziemlich senk-
recht unter uns und mussten uns immer erst die Stelle suchen, wo
wir den Fuss oder wenigstens den Fussrand aufsetzen konnten.

S. Anna. S. Vincente.
vom Beginn an zeigten sich die Felsengehänge und feuchten Wald-
schluchten, an und durch welche der Weg führte, so reich an
Farn, Laubmoosen, Lebermoosen und Flechten aller Art, dass Herr
Wichura sein Pferd gar nicht bestieg, und in der That, auch der
Nicht-Botaniker fühlte sich zum Studium der Cryptogamen angelockt
durch die lebhaft gelben Astflechten, Alectoria flavicans Sw., auf
Erica arborea, welche uns zum Tort gern an den steilsten, un-
zugänglichsten Stellen wuchs, die bleichen Usneen an Oreodaphne,
ein niedliches Stereocaulon an feuchten Felsen, die krausen Cladonien
an trockeneren Stellen, die in den Stein förmlich vertieften ver-
schiedenfarbigen Krustenflechten und die zahlreiche Reihe von Farn,
welche man hier bei einander sah, von unserm wohlbekannten
Adlerfarn bis zu der fein zertheilten, an den Lorbeerbäumen
kriechenden Davallia Canariensis. Landschnecken waren dagegen um
so seltener, trotz der reichlichen Feuchtigkeit, ohne Zweifel wegen
der vulkanischen Bodenbeschaffenheit, d. h. des Mangels an Kalk.
Um so mehr zoologische Ausbeute gewährte am nächsten Tage, der
in S. Vincente verbracht wurde, ein in Musse ausgeführter Besuch
der Meeresküste (s. unten). Der dritte Tag wurde fast ganz zu
Pferde verbracht, beständig bergauf und bergab, und wir lernten
jetzt erst die Vortrefflichkeit unserer kleinen Thiere gehörig schätzen,
welche die steilsten, oft treppenartig gepflasterten Aufgänge im
Galopp hinaufeilten und abwärts, wo die losen Steine und stellen-
weise der feuchte glatte Lehmboden selbst den Fussgänger bedenk-
lich machen konnten, langsam mit sicherem Tritte hinabstiegen. Der
Unterschied dieser Nordseite von der Südküste in Bezug auf die
Vegetation erscheint dem Laien nicht so bedeutend, als er erwartet;
denn grosse Mesembryanthemum und verwilderte Agaven fallen auch
hier ins Auge, wie unter den Culturpflanzen Zuckerrohr und einzelne
Bananen. Zu guter Zeit Nachmittags in Santa Anna angekommen,
blieb mir noch Zeit, auch hier zur See herabzusteigen, diesesmal
nicht auf breitem Fahrwege, wie bei S. Vincente, sondern auf
wahren Ziegenpfaden, die ich nicht betreten hätte, wenn ich nicht
schon halbwegs gewesen wäre und der kleine Junge, der aus einem
Begleiter mein Führer geworden war, mir versichert hätte, man
könne da hinunter; denn die letzten hundert Fuss weit hatten wir
das Meer mit seinen grossen schwarzen Lavablöcken ziemlich senk-
recht unter uns und mussten uns immer erst die Stelle suchen, wo
wir den Fuss oder wenigstens den Fussrand aufsetzen konnten.

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[6/0024] S. Anna. S. Vincente. vom Beginn an zeigten sich die Felsengehänge und feuchten Wald- schluchten, an und durch welche der Weg führte, so reich an Farn, Laubmoosen, Lebermoosen und Flechten aller Art, dass Herr Wichura sein Pferd gar nicht bestieg, und in der That, auch der Nicht-Botaniker fühlte sich zum Studium der Cryptogamen angelockt durch die lebhaft gelben Astflechten, Alectoria flavicans Sw., auf Erica arborea, welche uns zum Tort gern an den steilsten, un- zugänglichsten Stellen wuchs, die bleichen Usneen an Oreodaphne, ein niedliches Stereocaulon an feuchten Felsen, die krausen Cladonien an trockeneren Stellen, die in den Stein förmlich vertieften ver- schiedenfarbigen Krustenflechten und die zahlreiche Reihe von Farn, welche man hier bei einander sah, von unserm wohlbekannten Adlerfarn bis zu der fein zertheilten, an den Lorbeerbäumen kriechenden Davallia Canariensis. Landschnecken waren dagegen um so seltener, trotz der reichlichen Feuchtigkeit, ohne Zweifel wegen der vulkanischen Bodenbeschaffenheit, d. h. des Mangels an Kalk. Um so mehr zoologische Ausbeute gewährte am nächsten Tage, der in S. Vincente verbracht wurde, ein in Musse ausgeführter Besuch der Meeresküste (s. unten). Der dritte Tag wurde fast ganz zu Pferde verbracht, beständig bergauf und bergab, und wir lernten jetzt erst die Vortrefflichkeit unserer kleinen Thiere gehörig schätzen, welche die steilsten, oft treppenartig gepflasterten Aufgänge im Galopp hinaufeilten und abwärts, wo die losen Steine und stellen- weise der feuchte glatte Lehmboden selbst den Fussgänger bedenk- lich machen konnten, langsam mit sicherem Tritte hinabstiegen. Der Unterschied dieser Nordseite von der Südküste in Bezug auf die Vegetation erscheint dem Laien nicht so bedeutend, als er erwartet; denn grosse Mesembryanthemum und verwilderte Agaven fallen auch hier ins Auge, wie unter den Culturpflanzen Zuckerrohr und einzelne Bananen. Zu guter Zeit Nachmittags in Santa Anna angekommen, blieb mir noch Zeit, auch hier zur See herabzusteigen, diesesmal nicht auf breitem Fahrwege, wie bei S. Vincente, sondern auf wahren Ziegenpfaden, die ich nicht betreten hätte, wenn ich nicht schon halbwegs gewesen wäre und der kleine Junge, der aus einem Begleiter mein Führer geworden war, mir versichert hätte, man könne da hinunter; denn die letzten hundert Fuss weit hatten wir das Meer mit seinen grossen schwarzen Lavablöcken ziemlich senk- recht unter uns und mussten uns immer erst die Stelle suchen, wo wir den Fuss oder wenigstens den Fussrand aufsetzen konnten.

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/24>, abgerufen am 23.04.2024.