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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Siamesische Schlangen -- Landschildkröte.
neben der Mutter im Bette verschlungen habe. Neben der Brillen-
schlange, Naja tripudians, welche nach Pallegoix auch hier wie in
Vorderindien zum Tanzen abgerichtet wird, ist die einzige Gift-
schlange, welche ich in die Hände bekam, der hellgrüne breitköpfige
Trigonocephalus albolabris Gray, nu kio, er war im Garten eines
der europäischen Ansiedler wiederholt vorgekommen. Die Siamesen
halten aber auch viele andere Schlangen für giftig und erzählten
dem Bischof Pallegoix Schauergeschichten von Schlangen, deren
blosse Berührung versengt, und anderen, die ebenso mit dem Schwanz
wie mit dem Kopf beissen, ganz wie man es in den Mährchen der
Alten vom Prester und von der Amphisbaena findet. Das letztere
beruht augenscheinlich auf flüchtiger Beobachtung der kleinköpfigen
Schlangen, wie Calamaria, Cylindrophis, Typhlops, bei denen das
Kopfende dem Schwanzende ähnlich scheint, die aber alle gift-
los sind. Dryiophis prasinus Reinwardt, die ich zu Petshaburi er-
hielt, ist ihrer grünen Farbe wegen gefürchtet, worin sie dem vorhin
erwähnten Trigonocephalus gleicht, während der scharf zugespitzte
Kopf diese unschuldige Schlange sogleich unterscheidet. Noch
schöner, mit Goldgelb, Grün und Schwarzbunt gezeichnet, ist Chryso-
pelea ornata Shaw., nu kiau oder die Sonnenstrahlschlange der Siamesen.
In dem Hause eines europäischen Kaufmanns zu Bangkok fand ich
einmal alle Bewohner in Aufregung, weil eine Schlange des Morgens
im Zimmer gesehen worden war; vergeblich suchte ich nach der-
selben in allen Winkeln und hinter den Möbeln, endlich fand ich
sie behaglich zusammengerollt unter dem Fussteppich: es war eine
unschuldige Natter, Elaphis virgata. Eine bekannte Kröte, Bufo
melanostictus Schneid., lebt unter losen Steinen auf der grossen
Pyramide, Phra-prang, als ob dieselbe zu ihrer Wohnung gebaut
wäre.

Die meisten der genannten Reptilien finden sich auf den
Inseln des indischen Archipels wieder. Die weiter oben erwähnte
Fühlfadenschlange, Herpeton, dagegen scheint Siam eigenthümlich
zu sein und ebenso ist Siam das einzige Land, in welchem ich
während meines Aufenthaltes in Ostasien eine Landschildkröte
zu sehen bekam; einer unserer Cadetten hatte sie im Walde an der
Küste von Simaharadsha (Ostseite des Golfes) lebend gefunden; sie
war noch nicht handgross, und ein junges Exemplar von Testudo
elongata Blyth. Auch Pallegoix spricht von kleinen Landschild-
kröten, die so wenig selten seien, dass in Ayutia sein dazu dressirter

Siamesische Schlangen — Landschildkröte.
neben der Mutter im Bette verschlungen habe. Neben der Brillen-
schlange, Naja tripudians, welche nach Pallegoix auch hier wie in
Vorderindien zum Tanzen abgerichtet wird, ist die einzige Gift-
schlange, welche ich in die Hände bekam, der hellgrüne breitköpfige
Trigonocephalus albolabris Gray, nu kio, er war im Garten eines
der europäischen Ansiedler wiederholt vorgekommen. Die Siamesen
halten aber auch viele andere Schlangen für giftig und erzählten
dem Bischof Pallegoix Schauergeschichten von Schlangen, deren
blosse Berührung versengt, und anderen, die ebenso mit dem Schwanz
wie mit dem Kopf beissen, ganz wie man es in den Mährchen der
Alten vom Prester und von der Amphisbaena findet. Das letztere
beruht augenscheinlich auf flüchtiger Beobachtung der kleinköpfigen
Schlangen, wie Calamaria, Cylindrophis, Typhlops, bei denen das
Kopfende dem Schwanzende ähnlich scheint, die aber alle gift-
los sind. Dryiophis prasinus Reinwardt, die ich zu Petshaburi er-
hielt, ist ihrer grünen Farbe wegen gefürchtet, worin sie dem vorhin
erwähnten Trigonocephalus gleicht, während der scharf zugespitzte
Kopf diese unschuldige Schlange sogleich unterscheidet. Noch
schöner, mit Goldgelb, Grün und Schwarzbunt gezeichnet, ist Chryso-
pelea ornata Shaw., nu kiau oder die Sonnenstrahlschlange der Siamesen.
In dem Hause eines europäischen Kaufmanns zu Bangkok fand ich
einmal alle Bewohner in Aufregung, weil eine Schlange des Morgens
im Zimmer gesehen worden war; vergeblich suchte ich nach der-
selben in allen Winkeln und hinter den Möbeln, endlich fand ich
sie behaglich zusammengerollt unter dem Fussteppich: es war eine
unschuldige Natter, Elaphis virgata. Eine bekannte Kröte, Bufo
melanostictus Schneid., lebt unter losen Steinen auf der grossen
Pyramide, Phra-prang, als ob dieselbe zu ihrer Wohnung gebaut
wäre.

Die meisten der genannten Reptilien finden sich auf den
Inseln des indischen Archipels wieder. Die weiter oben erwähnte
Fühlfadenschlange, Herpeton, dagegen scheint Siam eigenthümlich
zu sein und ebenso ist Siam das einzige Land, in welchem ich
während meines Aufenthaltes in Ostasien eine Landschildkröte
zu sehen bekam; einer unserer Cadetten hatte sie im Walde an der
Küste von Simaharadsha (Ostseite des Golfes) lebend gefunden; sie
war noch nicht handgross, und ein junges Exemplar von Testudo
elongata Blyth. Auch Pallegoix spricht von kleinen Landschild-
kröten, die so wenig selten seien, dass in Ayutia sein dazu dressirter

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[214/0232] Siamesische Schlangen — Landschildkröte. neben der Mutter im Bette verschlungen habe. Neben der Brillen- schlange, Naja tripudians, welche nach Pallegoix auch hier wie in Vorderindien zum Tanzen abgerichtet wird, ist die einzige Gift- schlange, welche ich in die Hände bekam, der hellgrüne breitköpfige Trigonocephalus albolabris Gray, nu kio, er war im Garten eines der europäischen Ansiedler wiederholt vorgekommen. Die Siamesen halten aber auch viele andere Schlangen für giftig und erzählten dem Bischof Pallegoix Schauergeschichten von Schlangen, deren blosse Berührung versengt, und anderen, die ebenso mit dem Schwanz wie mit dem Kopf beissen, ganz wie man es in den Mährchen der Alten vom Prester und von der Amphisbaena findet. Das letztere beruht augenscheinlich auf flüchtiger Beobachtung der kleinköpfigen Schlangen, wie Calamaria, Cylindrophis, Typhlops, bei denen das Kopfende dem Schwanzende ähnlich scheint, die aber alle gift- los sind. Dryiophis prasinus Reinwardt, die ich zu Petshaburi er- hielt, ist ihrer grünen Farbe wegen gefürchtet, worin sie dem vorhin erwähnten Trigonocephalus gleicht, während der scharf zugespitzte Kopf diese unschuldige Schlange sogleich unterscheidet. Noch schöner, mit Goldgelb, Grün und Schwarzbunt gezeichnet, ist Chryso- pelea ornata Shaw., nu kiau oder die Sonnenstrahlschlange der Siamesen. In dem Hause eines europäischen Kaufmanns zu Bangkok fand ich einmal alle Bewohner in Aufregung, weil eine Schlange des Morgens im Zimmer gesehen worden war; vergeblich suchte ich nach der- selben in allen Winkeln und hinter den Möbeln, endlich fand ich sie behaglich zusammengerollt unter dem Fussteppich: es war eine unschuldige Natter, Elaphis virgata. Eine bekannte Kröte, Bufo melanostictus Schneid., lebt unter losen Steinen auf der grossen Pyramide, Phra-prang, als ob dieselbe zu ihrer Wohnung gebaut wäre. Die meisten der genannten Reptilien finden sich auf den Inseln des indischen Archipels wieder. Die weiter oben erwähnte Fühlfadenschlange, Herpeton, dagegen scheint Siam eigenthümlich zu sein und ebenso ist Siam das einzige Land, in welchem ich während meines Aufenthaltes in Ostasien eine Landschildkröte zu sehen bekam; einer unserer Cadetten hatte sie im Walde an der Küste von Simaharadsha (Ostseite des Golfes) lebend gefunden; sie war noch nicht handgross, und ein junges Exemplar von Testudo elongata Blyth. Auch Pallegoix spricht von kleinen Landschild- kröten, die so wenig selten seien, dass in Ayutia sein dazu dressirter

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/232>, abgerufen am 03.12.2024.