Kaninchen sieht man in Japan selten, häufiger in ihren Bilderbüchern; ihre späte Einführung, wahrscheinlich durch Europäer, zeigt sich schon darin, dass sie keinen eigenen und allgemein gültigen Namen haben, sondern eben nur als Bärenhasen, weibliche Hasen oder weisse Hasen bezeichnet werden. Eben so ist das amerikanische Meerschweinchen, Cavia cobaia, auch schon nach Japan ge- kommen und figurirt sogar in der Encyclopädie, wo ich das Kaninchen vermisse. Sie nennt es madara-netsumi, gescheckte Maus, und hat es ihrer chinesischen Vorgängerin entlehnt, welche, wie mir Prof. Hoffmann nach Abel-Remusat mittheilte, von 1714 datirt, also einer Zeit, wo es längst in Europa akklimatisirt war. Ausdrücklich wird es hier als "in neuerer Zeit" eingeführt bezeichnet, und dieses, zusammen mit der Farbenbeschreibung: gescheckt aus mehreren Farben: weiss, gelb und schwarz, lässt keinen Zweifel darüber, was gemeint sei, trotzdem dass die Abbildung der japanischen Ency- clopädie es mit einem langen Rattenschwanz darstellt, offenbar weil es zu den Mäusen gerechnet wird. Dieses bestätigt eine Vermuthung, die sich auch bei anderen Abbildungen desselben Werkes aufdrängt, dass die Abbildungen zuweilen nur nach dem Namen gemacht, d. h. erfunden sind. Die Encyclopädie bildet eben Alles ab, selbst Cyclopen und Fischmenschen, und wo sie kein Original oder richtige Abbildung findet, erfindet sie eine.
3. Vögel Japans.
Japanische Vögel erhielt ich auf dreifachem Wege zur An- schauung und theilweise in Besitz. Erstlich durch eigene Excur- sionen in den Umgebungen von Yokohama, noch mehr durch solche einiger Reisegefährten, welche eifrigere Schützen waren, und unter denen ich vor Allen den Gärtner Otto Schottmüller, sodann den Commodore Sundevall und die Seecadetten Graf Schack, Deinhard, Lindequist dankbar zu nennen habe; zweitens durch kleine Menagerieen lebender Thiere, hauptsächlich Vögel, in Yokohama sowohl als Yeddo; drittens durch Besuch der Wildpret- und Ge- flügelhändler.
Die erste Quelle ergab zunächst die in der Umgebung von Yeddo häufigeren Arten, Stand- oder im Herbst (namentlich October, wo der bald gestörte Jagdeifer blühte) vorhandene Zugvögel. Zu den häufigsten Vögeln des Feldes gehört hier, wie bei uns, eine Rabenart, von Bonaparte als eigene Species Corvus Japonensis
Kaninchen und Meerschweinchen.
Kaninchen sieht man in Japan selten, häufiger in ihren Bilderbüchern; ihre späte Einführung, wahrscheinlich durch Europäer, zeigt sich schon darin, dass sie keinen eigenen und allgemein gültigen Namen haben, sondern eben nur als Bärenhasen, weibliche Hasen oder weisse Hasen bezeichnet werden. Eben so ist das amerikanische Meerschweinchen, Cavia cobaia, auch schon nach Japan ge- kommen und figurirt sogar in der Encyclopädie, wo ich das Kaninchen vermisse. Sie nennt es madara-netsumi, gescheckte Maus, und hat es ihrer chinesischen Vorgängerin entlehnt, welche, wie mir Prof. Hoffmann nach Abel-Remusat mittheilte, von 1714 datirt, also einer Zeit, wo es längst in Europa akklimatisirt war. Ausdrücklich wird es hier als »in neuerer Zeit« eingeführt bezeichnet, und dieses, zusammen mit der Farbenbeschreibung: gescheckt aus mehreren Farben: weiss, gelb und schwarz, lässt keinen Zweifel darüber, was gemeint sei, trotzdem dass die Abbildung der japanischen Ency- clopädie es mit einem langen Rattenschwanz darstellt, offenbar weil es zu den Mäusen gerechnet wird. Dieses bestätigt eine Vermuthung, die sich auch bei anderen Abbildungen desselben Werkes aufdrängt, dass die Abbildungen zuweilen nur nach dem Namen gemacht, d. h. erfunden sind. Die Encyclopädie bildet eben Alles ab, selbst Cyclopen und Fischmenschen, und wo sie kein Original oder richtige Abbildung findet, erfindet sie eine.
3. Vögel Japans.
Japanische Vögel erhielt ich auf dreifachem Wege zur An- schauung und theilweise in Besitz. Erstlich durch eigene Excur- sionen in den Umgebungen von Yokohama, noch mehr durch solche einiger Reisegefährten, welche eifrigere Schützen waren, und unter denen ich vor Allen den Gärtner Otto Schottmüller, sodann den Commodore Sundevall und die Seecadetten Graf Schack, Deinhard, Lindequist dankbar zu nennen habe; zweitens durch kleine Menagerieen lebender Thiere, hauptsächlich Vögel, in Yokohama sowohl als Yeddo; drittens durch Besuch der Wildpret- und Ge- flügelhändler.
Die erste Quelle ergab zunächst die in der Umgebung von Yeddo häufigeren Arten, Stand- oder im Herbst (namentlich October, wo der bald gestörte Jagdeifer blühte) vorhandene Zugvögel. Zu den häufigsten Vögeln des Feldes gehört hier, wie bei uns, eine Rabenart, von Bonaparte als eigene Species Corvus Japonensis
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Kaninchen und Meerschweinchen.
Kaninchen sieht man in Japan selten, häufiger in ihren
Bilderbüchern; ihre späte Einführung, wahrscheinlich durch Europäer,
zeigt sich schon darin, dass sie keinen eigenen und allgemein gültigen
Namen haben, sondern eben nur als Bärenhasen, weibliche Hasen
oder weisse Hasen bezeichnet werden. Eben so ist das amerikanische
Meerschweinchen, Cavia cobaia, auch schon nach Japan ge-
kommen und figurirt sogar in der Encyclopädie, wo ich das Kaninchen
vermisse. Sie nennt es madara-netsumi, gescheckte Maus, und hat
es ihrer chinesischen Vorgängerin entlehnt, welche, wie mir Prof.
Hoffmann nach Abel-Remusat mittheilte, von 1714 datirt, also einer
Zeit, wo es längst in Europa akklimatisirt war. Ausdrücklich wird
es hier als »in neuerer Zeit« eingeführt bezeichnet, und dieses,
zusammen mit der Farbenbeschreibung: gescheckt aus mehreren
Farben: weiss, gelb und schwarz, lässt keinen Zweifel darüber, was
gemeint sei, trotzdem dass die Abbildung der japanischen Ency-
clopädie es mit einem langen Rattenschwanz darstellt, offenbar weil es
zu den Mäusen gerechnet wird. Dieses bestätigt eine Vermuthung,
die sich auch bei anderen Abbildungen desselben Werkes aufdrängt,
dass die Abbildungen zuweilen nur nach dem Namen gemacht, d. h.
erfunden sind. Die Encyclopädie bildet eben Alles ab, selbst
Cyclopen und Fischmenschen, und wo sie kein Original oder
richtige Abbildung findet, erfindet sie eine.
3. Vögel Japans.
Japanische Vögel erhielt ich auf dreifachem Wege zur An-
schauung und theilweise in Besitz. Erstlich durch eigene Excur-
sionen in den Umgebungen von Yokohama, noch mehr durch
solche einiger Reisegefährten, welche eifrigere Schützen waren,
und unter denen ich vor Allen den Gärtner Otto Schottmüller,
sodann den Commodore Sundevall und die Seecadetten Graf Schack,
Deinhard, Lindequist dankbar zu nennen habe; zweitens durch kleine
Menagerieen lebender Thiere, hauptsächlich Vögel, in Yokohama
sowohl als Yeddo; drittens durch Besuch der Wildpret- und Ge-
flügelhändler.
Die erste Quelle ergab zunächst die in der Umgebung von
Yeddo häufigeren Arten, Stand- oder im Herbst (namentlich October,
wo der bald gestörte Jagdeifer blühte) vorhandene Zugvögel. Zu
den häufigsten Vögeln des Feldes gehört hier, wie bei uns, eine
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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/105>, abgerufen am 24.11.2024.
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