für eine Seeschlange gehalten; angefasst krümmt und verkürzt sie sich heftig, und treibt dabei einen weissen klebrigen Schleim aus, der rasch zu Fäden erstarrt, welche kaum mehr von der Hand abzubringen sind. In engen Zwischenräumen zwischen den Steinen quartiert sich ein kleiner Octopus ein und setzt an ähnlichen Stellen seine Eier- büschel ab. An grösseren anstehenden Felsblöcken sitzt eine grössere tiefgefurchte Meereichel, Conia, fest, oft eine auf der andern, lebende auf todten angeheftet, und in der todten, leeren findet man öfters noch kleine Schnecken, z. B. eine dunkelgrüne Bulla, versteckt.
Das Paradies der niederen Thiere bildet aber der Korallen- grund. Zur Zeit des Voll- oder Neumondes, wo die Ebbe am tiefsten, kann der Zoolog hier in wenig Stunden viel und vielerlei finden, wenn er ein paar alte Schuhe daran setzt, um auf dem rauhen Grunde, sei er noch ein wenig von Wasser bedeckt oder nicht, ungescheut umherzugehen, und nicht vergisst einen Hammer mitzunehmen, womit er die Verstecke der einzelnen Thiere er- brechen kann. Nahe der südwestlichen Gränze der Rhede, an der Ostseite der kleinen Inseln, die sich von New-harbour bis zum Signaleiland erstrecken, finden sich grössere Korallenbänke, meist scharf gegen den tieferen Meeresgrund abgeschnitten und zur Zeit der tiefsten Ebbe in nicht unbedeutender Ausdehnung über Wasser kommend. Die so zugänglich werdenden Stellen bestehen hauptsächlich aus abgestorbenen, mehr oder weniger massigen Korallen, den grossen Gattungen Astraea, Maeandrina und Polyphyllia angehörig, seltener aus weniger massiven, verzweigten Korallen, welche aber bis zur Unkenntlichkeit abgewaschen oder überwachsen sind. Le- bende Korallen sah ich hier nicht viele, hie und da eine kleine Fungia mit lang vorgestreckten bleistiftdicken, lebhaft grüngelben, an der Spitze weissen Fühlern, oder eine lappig zertheilte Eusmilia mit Fühlern von gleicher Länge und Färbung, oder auch eine Astraea, deren lebender gelbgrüner Theil scharf von dem abgestor- benen dunkelbraunen sich absetzte. Darauf nun sassen zahlreiche weiche lebende Pflanzenthiere, so buschige blassrothe oder blassvio- lette Nephthyen mit weissen oder braunen polypentragenden Zweig- enden, das pilzförmige grauröthliche Sarcophyton, auf dessen etwas concaver oberer Hutseite die gelbgrünen, dem blossen Auge deutlich erkennbaren Polypen stehen; ferner grasgrüne verzweigte Schwämme, eine kugelige Thethya, von Tangen die trübgelben Sargassen und die unter Wasser silberschimmernden Zonarien. Die Unterseite und die
Korallenbänke bei Singapore.
für eine Seeschlange gehalten; angefasst krümmt und verkürzt sie sich heftig, und treibt dabei einen weissen klebrigen Schleim aus, der rasch zu Fäden erstarrt, welche kaum mehr von der Hand abzubringen sind. In engen Zwischenräumen zwischen den Steinen quartiert sich ein kleiner Octopus ein und setzt an ähnlichen Stellen seine Eier- büschel ab. An grösseren anstehenden Felsblöcken sitzt eine grössere tiefgefurchte Meereichel, Conia, fest, oft eine auf der andern, lebende auf todten angeheftet, und in der todten, leeren findet man öfters noch kleine Schnecken, z. B. eine dunkelgrüne Bulla, versteckt.
Das Paradies der niederen Thiere bildet aber der Korallen- grund. Zur Zeit des Voll- oder Neumondes, wo die Ebbe am tiefsten, kann der Zoolog hier in wenig Stunden viel und vielerlei finden, wenn er ein paar alte Schuhe daran setzt, um auf dem rauhen Grunde, sei er noch ein wenig von Wasser bedeckt oder nicht, ungescheut umherzugehen, und nicht vergisst einen Hammer mitzunehmen, womit er die Verstecke der einzelnen Thiere er- brechen kann. Nahe der südwestlichen Gränze der Rhede, an der Ostseite der kleinen Inseln, die sich von New-harbour bis zum Signaleiland erstrecken, finden sich grössere Korallenbänke, meist scharf gegen den tieferen Meeresgrund abgeschnitten und zur Zeit der tiefsten Ebbe in nicht unbedeutender Ausdehnung über Wasser kommend. Die so zugänglich werdenden Stellen bestehen hauptsächlich aus abgestorbenen, mehr oder weniger massigen Korallen, den grossen Gattungen Astraea, Maeandrina und Polyphyllia angehörig, seltener aus weniger massiven, verzweigten Korallen, welche aber bis zur Unkenntlichkeit abgewaschen oder überwachsen sind. Le- bende Korallen sah ich hier nicht viele, hie und da eine kleine Fungia mit lang vorgestreckten bleistiftdicken, lebhaft grüngelben, an der Spitze weissen Fühlern, oder eine lappig zertheilte Eusmilia mit Fühlern von gleicher Länge und Färbung, oder auch eine Astraea, deren lebender gelbgrüner Theil scharf von dem abgestor- benen dunkelbraunen sich absetzte. Darauf nun sassen zahlreiche weiche lebende Pflanzenthiere, so buschige blassrothe oder blassvio- lette Nephthyen mit weissen oder braunen polypentragenden Zweig- enden, das pilzförmige grauröthliche Sarcophyton, auf dessen etwas concaver oberer Hutseite die gelbgrünen, dem blossen Auge deutlich erkennbaren Polypen stehen; ferner grasgrüne verzweigte Schwämme, eine kugelige Thethya, von Tangen die trübgelben Sargassen und die unter Wasser silberschimmernden Zonarien. Die Unterseite und die
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Korallenbänke bei Singapore.
für eine Seeschlange gehalten; angefasst krümmt und verkürzt sie sich
heftig, und treibt dabei einen weissen klebrigen Schleim aus, der
rasch zu Fäden erstarrt, welche kaum mehr von der Hand abzubringen
sind. In engen Zwischenräumen zwischen den Steinen quartiert sich
ein kleiner Octopus ein und setzt an ähnlichen Stellen seine Eier-
büschel ab. An grösseren anstehenden Felsblöcken sitzt eine grössere
tiefgefurchte Meereichel, Conia, fest, oft eine auf der andern, lebende
auf todten angeheftet, und in der todten, leeren findet man öfters
noch kleine Schnecken, z. B. eine dunkelgrüne Bulla, versteckt.
Das Paradies der niederen Thiere bildet aber der Korallen-
grund. Zur Zeit des Voll- oder Neumondes, wo die Ebbe am
tiefsten, kann der Zoolog hier in wenig Stunden viel und vielerlei
finden, wenn er ein paar alte Schuhe daran setzt, um auf dem
rauhen Grunde, sei er noch ein wenig von Wasser bedeckt oder
nicht, ungescheut umherzugehen, und nicht vergisst einen Hammer
mitzunehmen, womit er die Verstecke der einzelnen Thiere er-
brechen kann. Nahe der südwestlichen Gränze der Rhede, an
der Ostseite der kleinen Inseln, die sich von New-harbour bis zum
Signaleiland erstrecken, finden sich grössere Korallenbänke, meist
scharf gegen den tieferen Meeresgrund abgeschnitten und zur Zeit der
tiefsten Ebbe in nicht unbedeutender Ausdehnung über Wasser
kommend. Die so zugänglich werdenden Stellen bestehen hauptsächlich
aus abgestorbenen, mehr oder weniger massigen Korallen, den
grossen Gattungen Astraea, Maeandrina und Polyphyllia angehörig,
seltener aus weniger massiven, verzweigten Korallen, welche aber
bis zur Unkenntlichkeit abgewaschen oder überwachsen sind. Le-
bende Korallen sah ich hier nicht viele, hie und da eine kleine
Fungia mit lang vorgestreckten bleistiftdicken, lebhaft grüngelben,
an der Spitze weissen Fühlern, oder eine lappig zertheilte Eusmilia
mit Fühlern von gleicher Länge und Färbung, oder auch eine
Astraea, deren lebender gelbgrüner Theil scharf von dem abgestor-
benen dunkelbraunen sich absetzte. Darauf nun sassen zahlreiche
weiche lebende Pflanzenthiere, so buschige blassrothe oder blassvio-
lette Nephthyen mit weissen oder braunen polypentragenden Zweig-
enden, das pilzförmige grauröthliche Sarcophyton, auf dessen etwas
concaver oberer Hutseite die gelbgrünen, dem blossen Auge deutlich
erkennbaren Polypen stehen; ferner grasgrüne verzweigte Schwämme,
eine kugelige Thethya, von Tangen die trübgelben Sargassen und die
unter Wasser silberschimmernden Zonarien. Die Unterseite und die
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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/256>, abgerufen am 03.08.2024.
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