wegs gewandter Dolmetscher, bei den Unterredungen bald ermattete. Dann schleppte das Gespräch unerträglich, und Graf Eulenburg, dem ohnedies schon der Boden beständig unter den Füssen wich und jede Handhabe wieder aus den Händen glitt, hatte auch noch diese Qual. Es war das Fass der Danaiden, ein schwerer Karren in tiefem trockenem Sande.
An den folgenden Tagen, dem 13., 14. und 15. Juli wurden die meisten Artikel mit den Commissaren durchberathen und fest- gestellt. Auf diejenigen Bestimmungen, über welche kein Einver- ständniss zu erzielen war, vermied Graf Eulenburg zurückzukommen; denn im Wege der Discussion liess sich nichts Endgültiges erreichen. Die Verhandlungen bestanden wesentlich darin, dass der Gesandte un- wichtige Redactions-Aenderungen zugestand, welche die Commis- sare bei jedem auch nur mit einem Worte vom Text der anderen Verträge abweichenden Artikel verlangten. Sträubten sie sich ge- gen wichtige Bestimmungen, so setzte er ihnen zwar jedesmal ein- gehend seine Gründe auseinander, bestand aber nicht auf Erledigung; denn es half doch nichts. Dem Anschein nach konnten die Com- missare über gewisse Puncte keine Entscheidung treffen; sie lag beim Prinzen von Kun oder gar beim Kaiser. Deshalb beschloss Graf Eulenburg nach Schluss der Berathungen die fraglichen Ar- tikel zusammenzustellen und mit erläuterndem Schreiben an den Prinzen zu senden. An Diesen verwiesen ihn die Commissare jedesmal, wenn sie etwas verweigerten; schlug dagegen der Ge- sandte einmal vor, die Entscheidung des Prinzen einzuholen, so sagten sie, derselbe habe garnichts mit der Sache zu thun, sie selbst seien die kaiserlichen Bevollmächtigten. -- Der Prinz schrieb am 13. Juli dem Grafen, dass er das Gesandtschaftsrecht mit dem fünf- jährigen Aufschub der Ausübung zwar gewähre, aber darauf be- harren müsse, dass in dem Separat-Artikel die eventuelle Ver- längerung der Frist für den Fall zugestanden würde, dass die Lage von China eine solche wünschenswerth machte. Da nun dieser Punct wie der ganze Vertrag der Genehmigung des Kaisers be- dürfe, so bitte er den Grafen um Beschleunigung der Verhand- lungen.
Am 16. Juli erreichte Kaiser Hien-fun sein einunddreissigstes Lebensjahr. Graf Eulenburg begab sich mit allen seinen Begleitern in Uniform zu den Commissaren, -- ein langer Zug von sieben Sänften mit sechsundfunfzig Trägern. Der Empfang war nach
Vertragsverhandlungen. XVI.
wegs gewandter Dolmetscher, bei den Unterredungen bald ermattete. Dann schleppte das Gespräch unerträglich, und Graf Eulenburg, dem ohnedies schon der Boden beständig unter den Füssen wich und jede Handhabe wieder aus den Händen glitt, hatte auch noch diese Qual. Es war das Fass der Danaïden, ein schwerer Karren in tiefem trockenem Sande.
An den folgenden Tagen, dem 13., 14. und 15. Juli wurden die meisten Artikel mit den Commissaren durchberathen und fest- gestellt. Auf diejenigen Bestimmungen, über welche kein Einver- ständniss zu erzielen war, vermied Graf Eulenburg zurückzukommen; denn im Wege der Discussion liess sich nichts Endgültiges erreichen. Die Verhandlungen bestanden wesentlich darin, dass der Gesandte un- wichtige Redactions-Aenderungen zugestand, welche die Commis- sare bei jedem auch nur mit einem Worte vom Text der anderen Verträge abweichenden Artikel verlangten. Sträubten sie sich ge- gen wichtige Bestimmungen, so setzte er ihnen zwar jedesmal ein- gehend seine Gründe auseinander, bestand aber nicht auf Erledigung; denn es half doch nichts. Dem Anschein nach konnten die Com- missare über gewisse Puncte keine Entscheidung treffen; sie lag beim Prinzen von Kuṅ oder gar beim Kaiser. Deshalb beschloss Graf Eulenburg nach Schluss der Berathungen die fraglichen Ar- tikel zusammenzustellen und mit erläuterndem Schreiben an den Prinzen zu senden. An Diesen verwiesen ihn die Commissare jedesmal, wenn sie etwas verweigerten; schlug dagegen der Ge- sandte einmal vor, die Entscheidung des Prinzen einzuholen, so sagten sie, derselbe habe garnichts mit der Sache zu thun, sie selbst seien die kaiserlichen Bevollmächtigten. — Der Prinz schrieb am 13. Juli dem Grafen, dass er das Gesandtschaftsrecht mit dem fünf- jährigen Aufschub der Ausübung zwar gewähre, aber darauf be- harren müsse, dass in dem Separat-Artikel die eventuelle Ver- längerung der Frist für den Fall zugestanden würde, dass die Lage von China eine solche wünschenswerth machte. Da nun dieser Punct wie der ganze Vertrag der Genehmigung des Kaisers be- dürfe, so bitte er den Grafen um Beschleunigung der Verhand- lungen.
Am 16. Juli erreichte Kaiser Hien-fuṅ sein einunddreissigstes Lebensjahr. Graf Eulenburg begab sich mit allen seinen Begleitern in Uniform zu den Commissaren, — ein langer Zug von sieben Sänften mit sechsundfunfzig Trägern. Der Empfang war nach
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Vertragsverhandlungen. XVI.
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Dann schleppte das Gespräch unerträglich, und Graf Eulenburg,
dem ohnedies schon der Boden beständig unter den Füssen wich
und jede Handhabe wieder aus den Händen glitt, hatte auch noch
diese Qual. Es war das Fass der Danaïden, ein schwerer Karren
in tiefem trockenem Sande.
An den folgenden Tagen, dem 13., 14. und 15. Juli wurden
die meisten Artikel mit den Commissaren durchberathen und fest-
gestellt. Auf diejenigen Bestimmungen, über welche kein Einver-
ständniss zu erzielen war, vermied Graf Eulenburg zurückzukommen;
denn im Wege der Discussion liess sich nichts Endgültiges erreichen.
Die Verhandlungen bestanden wesentlich darin, dass der Gesandte un-
wichtige Redactions-Aenderungen zugestand, welche die Commis-
sare bei jedem auch nur mit einem Worte vom Text der anderen
Verträge abweichenden Artikel verlangten. Sträubten sie sich ge-
gen wichtige Bestimmungen, so setzte er ihnen zwar jedesmal ein-
gehend seine Gründe auseinander, bestand aber nicht auf Erledigung;
denn es half doch nichts. Dem Anschein nach konnten die Com-
missare über gewisse Puncte keine Entscheidung treffen; sie lag
beim Prinzen von Kuṅ oder gar beim Kaiser. Deshalb beschloss
Graf Eulenburg nach Schluss der Berathungen die fraglichen Ar-
tikel zusammenzustellen und mit erläuterndem Schreiben an den
Prinzen zu senden. An Diesen verwiesen ihn die Commissare
jedesmal, wenn sie etwas verweigerten; schlug dagegen der Ge-
sandte einmal vor, die Entscheidung des Prinzen einzuholen, so
sagten sie, derselbe habe garnichts mit der Sache zu thun, sie selbst
seien die kaiserlichen Bevollmächtigten. — Der Prinz schrieb am
13. Juli dem Grafen, dass er das Gesandtschaftsrecht mit dem fünf-
jährigen Aufschub der Ausübung zwar gewähre, aber darauf be-
harren müsse, dass in dem Separat-Artikel die eventuelle Ver-
längerung der Frist für den Fall zugestanden würde, dass die Lage
von China eine solche wünschenswerth machte. Da nun dieser
Punct wie der ganze Vertrag der Genehmigung des Kaisers be-
dürfe, so bitte er den Grafen um Beschleunigung der Verhand-
lungen.
Am 16. Juli erreichte Kaiser Hien-fuṅ sein einunddreissigstes
Lebensjahr. Graf Eulenburg begab sich mit allen seinen Begleitern
in Uniform zu den Commissaren, — ein langer Zug von sieben
Sänften mit sechsundfunfzig Trägern. Der Empfang war nach
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/98>, abgerufen am 22.11.2024.
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