tarische Pferde, Hürdenrennen, Handicaps, Steeple chase, doppelten Sieg u. s. w. Zuweilen wurden Taubenschiessen, Lotterieen und anderer Zeitvertreib zwischen den Rennen eingeschoben. Wie jeder Brite nahmen auch hier die Soldaten den lebendigsten Antheil; fast die ganze Garnison pflegte sich auf dem Rennplatz einzufinden, ein buntes lustiges Treiben. -- Auch Cricket spielten die Engländer mit grosser Leidenschaft und Gewandtheit.
Des Gesandten Hausstand bildeten in Tien-tsin ausser seinen deutschen Dienern ein chinesischer von Shang-hae mitgenommener Koch und fünf eingeborne Hausknechte. Sechs Seesoldaten von der Arkona dienten als Ordonnanzen. Die drei Attaches, Dr. Lu- cius und Maler Berg wohnten beim Gesandten als dessen Gäste; andere Expeditionsmitglieder, die nur vorübergehend nach Tien- tsin kamen, wurden in einem zweiten zu diesem Zweck gemietheten Hause einquartiert. -- Unser Leben passte sich dem Klima an: Morgens ging Jeder seiner Beschäftigung nach; um elf Uhr war gemeinschaftliches Frühstück, die Hauptmahlzeit nach sieben, später sogar erst um halb neun in dem durch Papierlaternen erhellten Hofe. -- Gegen sechs Uhr ritten wir fast täglich mit dem Ge- sandten aus und kamen erst kurz vor Tisch nach Hause. Nach allen Richtungen wurde die Umgebung durchstreift.
Dörfer giebt es bei Tien-tsin nur an den Wasserläufen, doch ist auch in anderen Richtungen das Land gut angebaut, und es nimmt Wunder, wie die Bestellung oft auf so grosse Ferne ge- schieht. Ende Mai, als die Staubwinde nachliessen, spross das Grün in erstaunlicher Fülle. Viele Stellen blieben, mit Salz oder Salpeter gesättigt, den ganzen Sommer kahl; silbern glänzten dort die Krystalle an der Oberfläche, so dass der Boden wie bereift schien. Die meisten Aecker hatten, mit Gerste und Zwiebelgewächsen bestellt, Einfassungen von Bohnen. Bei der Gersten-Ernte, Ende Juni, kamen weder Sichel noch Sense in Anwendung; der Land- mann riss die Halme mit der Wurzel aus und warf sie auf Schieb- karren. Sieben Wochen vergingen vom Umpflügen bis zur Ernte, und man schritt dann gleich zu neuer Bestellung, um eine zweite zu gewinnen. In den Gärten am Wasser gedieh der Pflanzenwuchs zu tropischer Ueppigkeit; dort rankte der Weinstock an freien
Ackerbau. XV.
tarische Pferde, Hürdenrennen, Handicaps, Steeple chase, doppelten Sieg u. s. w. Zuweilen wurden Taubenschiessen, Lotterieen und anderer Zeitvertreib zwischen den Rennen eingeschoben. Wie jeder Brite nahmen auch hier die Soldaten den lebendigsten Antheil; fast die ganze Garnison pflegte sich auf dem Rennplatz einzufinden, ein buntes lustiges Treiben. — Auch Cricket spielten die Engländer mit grosser Leidenschaft und Gewandtheit.
Des Gesandten Hausstand bildeten in Tien-tsin ausser seinen deutschen Dienern ein chinesischer von Shang-hae mitgenommener Koch und fünf eingeborne Hausknechte. Sechs Seesoldaten von der Arkona dienten als Ordonnanzen. Die drei Attachés, Dr. Lu- cius und Maler Berg wohnten beim Gesandten als dessen Gäste; andere Expeditionsmitglieder, die nur vorübergehend nach Tien- tsin kamen, wurden in einem zweiten zu diesem Zweck gemietheten Hause einquartiert. — Unser Leben passte sich dem Klima an: Morgens ging Jeder seiner Beschäftigung nach; um elf Uhr war gemeinschaftliches Frühstück, die Hauptmahlzeit nach sieben, später sogar erst um halb neun in dem durch Papierlaternen erhellten Hofe. — Gegen sechs Uhr ritten wir fast täglich mit dem Ge- sandten aus und kamen erst kurz vor Tisch nach Hause. Nach allen Richtungen wurde die Umgebung durchstreift.
Dörfer giebt es bei Tien-tsin nur an den Wasserläufen, doch ist auch in anderen Richtungen das Land gut angebaut, und es nimmt Wunder, wie die Bestellung oft auf so grosse Ferne ge- schieht. Ende Mai, als die Staubwinde nachliessen, spross das Grün in erstaunlicher Fülle. Viele Stellen blieben, mit Salz oder Salpeter gesättigt, den ganzen Sommer kahl; silbern glänzten dort die Krystalle an der Oberfläche, so dass der Boden wie bereift schien. Die meisten Aecker hatten, mit Gerste und Zwiebelgewächsen bestellt, Einfassungen von Bohnen. Bei der Gersten-Ernte, Ende Juni, kamen weder Sichel noch Sense in Anwendung; der Land- mann riss die Halme mit der Wurzel aus und warf sie auf Schieb- karren. Sieben Wochen vergingen vom Umpflügen bis zur Ernte, und man schritt dann gleich zu neuer Bestellung, um eine zweite zu gewinnen. In den Gärten am Wasser gedieh der Pflanzenwuchs zu tropischer Ueppigkeit; dort rankte der Weinstock an freien
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0036"n="22"/><fwplace="top"type="header">Ackerbau. XV.</fw><lb/>
tarische Pferde, Hürdenrennen, Handicaps, Steeple chase, doppelten<lb/>
Sieg u. s. w. Zuweilen wurden Taubenschiessen, Lotterieen und<lb/>
anderer Zeitvertreib zwischen den Rennen eingeschoben. Wie jeder<lb/>
Brite nahmen auch hier die Soldaten den lebendigsten Antheil;<lb/>
fast die ganze Garnison pflegte sich auf dem Rennplatz einzufinden,<lb/>
ein buntes lustiges Treiben. — Auch Cricket spielten die Engländer<lb/>
mit grosser Leidenschaft und Gewandtheit.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Des Gesandten Hausstand bildeten in <hirendition="#k"><placeName>Tien-tsin</placeName></hi> ausser seinen<lb/>
deutschen Dienern ein chinesischer von <hirendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> mitgenommener<lb/>
Koch und fünf eingeborne Hausknechte. Sechs Seesoldaten von<lb/>
der Arkona dienten als Ordonnanzen. Die drei Attachés, Dr. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/117261386">Lu-<lb/>
cius</persName> und Maler <persNameref="http://d-nb.info/gnd/116129255">Berg</persName> wohnten beim Gesandten als dessen Gäste;<lb/>
andere Expeditionsmitglieder, die nur vorübergehend nach <hirendition="#k"><placeName>Tien-<lb/>
tsin</placeName></hi> kamen, wurden in einem zweiten zu diesem Zweck gemietheten<lb/>
Hause einquartiert. — Unser Leben passte sich dem Klima an:<lb/>
Morgens ging Jeder seiner Beschäftigung nach; um elf Uhr war<lb/>
gemeinschaftliches Frühstück, die Hauptmahlzeit nach sieben, später<lb/>
sogar erst um halb neun in dem durch Papierlaternen erhellten<lb/>
Hofe. — Gegen sechs Uhr ritten wir fast täglich mit dem Ge-<lb/>
sandten aus und kamen erst kurz vor Tisch nach Hause. Nach<lb/>
allen Richtungen wurde die Umgebung durchstreift.</p><lb/><p>Dörfer giebt es bei <hirendition="#k"><placeName>Tien-tsin</placeName></hi> nur an den Wasserläufen,<lb/>
doch ist auch in anderen Richtungen das Land gut angebaut, und<lb/>
es nimmt Wunder, wie die Bestellung oft auf so grosse Ferne ge-<lb/>
schieht. Ende Mai, als die Staubwinde nachliessen, spross das<lb/>
Grün in erstaunlicher Fülle. Viele Stellen blieben, mit Salz oder<lb/>
Salpeter gesättigt, den ganzen Sommer kahl; silbern glänzten dort<lb/>
die Krystalle an der Oberfläche, so dass der Boden wie bereift<lb/>
schien. Die meisten Aecker hatten, mit Gerste und Zwiebelgewächsen<lb/>
bestellt, Einfassungen von Bohnen. Bei der Gersten-Ernte, Ende<lb/>
Juni, kamen weder Sichel noch Sense in Anwendung; der Land-<lb/>
mann riss die Halme mit der Wurzel aus und warf sie auf Schieb-<lb/>
karren. Sieben Wochen vergingen vom Umpflügen bis zur Ernte,<lb/>
und man schritt dann gleich zu neuer Bestellung, um eine zweite<lb/>
zu gewinnen. In den Gärten am Wasser gedieh der Pflanzenwuchs<lb/>
zu tropischer Ueppigkeit; dort rankte der Weinstock an freien<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0036]
Ackerbau. XV.
tarische Pferde, Hürdenrennen, Handicaps, Steeple chase, doppelten
Sieg u. s. w. Zuweilen wurden Taubenschiessen, Lotterieen und
anderer Zeitvertreib zwischen den Rennen eingeschoben. Wie jeder
Brite nahmen auch hier die Soldaten den lebendigsten Antheil;
fast die ganze Garnison pflegte sich auf dem Rennplatz einzufinden,
ein buntes lustiges Treiben. — Auch Cricket spielten die Engländer
mit grosser Leidenschaft und Gewandtheit.
Des Gesandten Hausstand bildeten in Tien-tsin ausser seinen
deutschen Dienern ein chinesischer von Shang-hae mitgenommener
Koch und fünf eingeborne Hausknechte. Sechs Seesoldaten von
der Arkona dienten als Ordonnanzen. Die drei Attachés, Dr. Lu-
cius und Maler Berg wohnten beim Gesandten als dessen Gäste;
andere Expeditionsmitglieder, die nur vorübergehend nach Tien-
tsin kamen, wurden in einem zweiten zu diesem Zweck gemietheten
Hause einquartiert. — Unser Leben passte sich dem Klima an:
Morgens ging Jeder seiner Beschäftigung nach; um elf Uhr war
gemeinschaftliches Frühstück, die Hauptmahlzeit nach sieben, später
sogar erst um halb neun in dem durch Papierlaternen erhellten
Hofe. — Gegen sechs Uhr ritten wir fast täglich mit dem Ge-
sandten aus und kamen erst kurz vor Tisch nach Hause. Nach
allen Richtungen wurde die Umgebung durchstreift.
Dörfer giebt es bei Tien-tsin nur an den Wasserläufen,
doch ist auch in anderen Richtungen das Land gut angebaut, und
es nimmt Wunder, wie die Bestellung oft auf so grosse Ferne ge-
schieht. Ende Mai, als die Staubwinde nachliessen, spross das
Grün in erstaunlicher Fülle. Viele Stellen blieben, mit Salz oder
Salpeter gesättigt, den ganzen Sommer kahl; silbern glänzten dort
die Krystalle an der Oberfläche, so dass der Boden wie bereift
schien. Die meisten Aecker hatten, mit Gerste und Zwiebelgewächsen
bestellt, Einfassungen von Bohnen. Bei der Gersten-Ernte, Ende
Juni, kamen weder Sichel noch Sense in Anwendung; der Land-
mann riss die Halme mit der Wurzel aus und warf sie auf Schieb-
karren. Sieben Wochen vergingen vom Umpflügen bis zur Ernte,
und man schritt dann gleich zu neuer Bestellung, um eine zweite
zu gewinnen. In den Gärten am Wasser gedieh der Pflanzenwuchs
zu tropischer Ueppigkeit; dort rankte der Weinstock an freien
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/36>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.